Briten weg, wir noch da: Wie muss Europa dann besser werden?

Der Faktencheck zur Sendung vom 28.01.2019

Die EU hemmt Aufschwung und Fortschritt – so sehen es die Brexit-Briten. Stimmt das? Ist Europa zu bürokratisch? Wird zu viel Geld umverteilt? Und wer steht dann noch gegen Populisten und Schuldenmacher?

Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt hartaberfair nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Daniel Stelter über Wirtschaft Großbritanniens und Griechenlands

Der Volkswirtschaftler Daniel Stelter hätte sich gewünscht, dass die EU mehr auf Großbritannien zugeht. Schließlich habe die EU dies bei der Griechenlandrettung auch getan und dabei sogar Regeln verletzt. Und das, obwohl Griechenland mit einem Bruttoinlandsprodukt von 170 Mrd. Euro wirtschaftlich bedeutend weniger wichtig sei als Großbritannien mit einem Bruttoinlandsprodukt von 2,3 Billionen Euro. Und auch als Handelspartner seien die Briten mit einem Exportvolumen von 85 Mrd. Euro wichtiger für Deutschland als Griechenland mit gerade einmal fünf Milliarden Euro.

Die Zahlen stimmen. Laut Statistischem Bundesamt lag das Bruttoinlandsprodukt (BIP) von Großbritannien bei rund 2,3 Billionen Euro und damit um ein Vielfaches höher als das der Griechen, die für 2017 ein BIP von gerade einmal 170 Mrd. Euro aufweisen. Nach Deutschland mit einem BIP von über drei Billionen Euro steht Großbritannien in der EU auf Rang zwei der Wirtschaftsleistung. Und auch als Handelspartner sind die Briten für die deutsche Wirtschaft von größerer Bedeutung: Im Jahr 2017 exportierten die deutschen Unternehmen Waren im Wert von 85,4 Milliarden Euro auf die Insel. Nach Griechenland wurden Güter im Wert von 5,2 Mrd. Euro ausgeführt.

Indexierung des Kindergeldes

Soll die Höhe des Kindergeldes innerhalb der EU künftig an die Lebenshaltungskosten des Landes angepasst werden, in dem das Kind tatsächlich lebt? Über die so genannte Indexierung des Kindergeldes wird derzeit diskutiert. Was möchte die Bundesregierung?

Die Bundesregierung hat bereits im April des Jahres 2017 Eckpunkte zur Einführung einer Kindergeld-Indexierung beschlossen. In einer Antwort auf eine Anfrage der AfD vertritt die Bundesregierung die Auffassung, dass unterschiedliche Lebenshaltungskosten in den Mitgliedstaaten zu Ungleichgewichten führen. Auch auf ihrer Homepage schreibt die Bundesregierung: “Auf europäischer Ebene setzt sich die Bundesregierung seit Jahren dafür ein, die Höhe des Kindergeldes europaweit an die Lebenshaltungskosten am Wohnort des Kindes anzupassen. Bislang lehnt es die Europäische Kommission jedoch ab, einen Vorschlag zur Kindergeld-Indexierung vorzulegen.“ Ziel der Bundesregierung bleibe es, in dieser Legislaturperiode eine Änderung des europäischen Rechts zu erreichen.

Pro-Kopf-Einkommen in Italien

Für Daniel Stelter ist das in den vergangenen Jahren kaum gestiegene Einkommen der Italiener ein Grund für den Wahlausgang, der Rechts- und Linkspopulisten in die Regierung brachte. Das Pro-Kopf-Einkommen in Italien liege heute noch immer auf dem Niveau von 2005.

In absoluten Zahlen ist das verfügbare Pro-Kopf-Einkommen in Italien seit 2005 von 19.953 Euro um etwas mehr als neun Prozent auf 21.804 Euro im Jahr 2017 gestiegen. Im Vergleich zu anderen EU-Staaten ist dies allerdings eine sehr geringe Steigerung. So stieg das Pro-Kopf-Einkommen laut Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat in Deutschland im gleichen Zeitraum von 22.055 Euro auf 28.473 Euro. Das ist ein Zuwachs von 29 Prozent. Dass die Entwicklung des italienischen Pro-Kopf-Einkommens schleppend voran geht, zeigt sich auch beim Vergleich zum EU-Durchschnitt. Lag das Einkommen der Italiener im Jahr 2005 noch bei 112 Prozent des EU-Durchschnitts, sank es bis 2017 auf nur noch 98 Prozent. Auch hier stellt sich die Entwicklung Deutschlands rosiger dar: 2005 lag das Pro-Kopf-Einkommen der Deutschen bei 124 Prozent des EU-Durchschnitts. 2017 waren es bereits 128 Prozent.

Stand: 29.01.2019, 09:55 Uhr