Der CDU-Fraktionsvorsitzende Karl-Josef Laumann

Debatte über neue Milliarde für die WestLB

"Frau Kraft, ich rede jetzt!"

Stand: 05.06.2012, 16:30 Uhr

Die Zerschlagung der WestLB ist eigentlich eine traurig-trockene Angelegenheit. Im Landtag sorgte das am Dienstag (05.06.2012) eingebrachte Gesetz zur Restrukturierung der Landesbank aber für eine hitzige Debatte - mit vielen Vorwürfen und forschen Piraten.

Von Jenna Günnewig

Das Thema WestLB birgt viel landespolitischen Sprengstoff. In Absprache mit den EU-Wettbewerbshütern soll die Landesbank zum 30. Juni zerschlagen werden. Bleiben soll eine Servicegesellschaft, die dem Land gehören wird. Das kostet NRW etwa eine Milliarde Euro. Die will der Finanzminister aus dem vorläufigen Haushalt entnehmen, das "Gesetz zur Restrukturierung" soll ihn dazu ermächtigen. Soweit die Fakten.

CDU: "Der Beweis, dass wir bei der WestLB belogen wurden"

Kurz vor der Landtagssitzung, in der das WestLB-Gesetz beraten wird, lädt die CDU zum spontanen Pressegespräch und präsentiert sichtlich stolz "den Beweis", dass Rot-Grün in Sachen WestLB das Parlament belogen habe. Der Beweis, erst seit Dienstagfrüh in den Händen der CDU und 58 Seiten dick, ist ein Beschluss der Europäischen Kommission vom 20. Dezember 2011. Darin steht, dass NRW zum 30. Juni 2012 die volle Verantwortung für die WestLB übernimmt. Und die kostet laut EU-Komission eine Milliarde Euro.

"Einen Tag später, am 21. Dezember, haben Sie ihren Haushaltsentwurf 2012 eingebracht - ohne diese Milliarde", empört sich Karl-Josef Laumann gut eine Stunde später im Landtag. Der Vorwurf der CDU ist alt: Die rot-grüne Minderheitsregierung habe das Einbringen der einen Milliarde Euro extra verschleppt, um die Zustimmung von FDP und Linken zum Haushalt 2012 nicht zu gefährden. "Sie haben gelogen!", echauffiert sich Laumann. "Wir wollen Sie die Milliarde finanzieren? Wollen Sie das als Kredit aufnehmen? Eigentlich hätten diese Fragen in die Beratung des Haushaltes 2012 gehört!"

Walter-Borjans: WestLB-Zahlung ist noch nicht "etatreif"

Der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) spricht am Dienstag (05.06.2012) im Landtag in Düsseldorf.

Er habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass NRW bis zum 30. Juni diesen Jahres eine Milliarde Euro für den Umbau der WestLB zahlen müsse, verteidigt sich Finanzminister Norbert Walter-Borjans in seiner von Zwischenrufen immer wieder unterbrochenen Rede. Unklar sei, in welcher Form die Zahlung fällig werde. Deswegen habe die eine Milliarde bislang auch nicht in den Haushalt 2012 einfließen können - sie sei einfach nicht 'etatreif'. Über Detailregelungen habe er noch gestern mit Berlin verhandelt, er hoffe am Mittwoch (06.06.2012) auf eine Einigung. "Der Gesetzentwurf gibt uns einen Rahmen für die Detailverhandlungen vor" - er sei die notwendige rechtliche Ermächtigung.

"Stimmen Sie zu oder spielen Sie Spielchen?"

In dem Gesetzentwurf ist "die unmittelbare Zahlungsverpflichtung des Landes Nordrhein-Westfalen i.H.v. 1 Milliarde Euro" bis zum 30. Juni prominent auf Seite zwei vermerkt. Im darauf folgenden Satz heißt es, dass eventuelle Mehrausgaben nicht genau prognostiziert werden könnten - "und damit können wir dem Gesetzentwurf nicht zustimmen", schmettert Christian Lindner den Entwurf der Landesregierung ab. Die WestLB sei eines der vielen Beispiele für gescheiterte Politik, so der neue FDP-Fraktionsvorsitzende in seiner frei gehaltenen Rede. Die SPD habe die WestLB über viele ihrer Regierungsjahre zu einer "politischen Bank" für ihre Industrie- und Förderpolitik gemacht, das gehe gegen die ordnungspolitische Überzeugung der FDP.

"Eine eiskalte neoliberale Haltung", geht Martin Börschel von der SPD, Lindner in seiner Gegenrede an. "Was wollen Sie denn eigentlich? Stimmen Sie zu oder spielen Sie Spielchen?", fragt er in Richtung FDP und CDU. Börschel weiß sehr gut, das Rot-Grün die Stimmen der Opposition dank satter Mehrheit in der neuen Legislaturperiode nicht mehr braucht. Deswegen herrscht bei der ersten Arbeitssitzung auch das Motto: Feuer frei, Koalition der Einladung war gestern. Die Debatte wird von lauten Zwischenrufen und höhnischem Gelächter bestimmt.

"Dann wären die Sparkassen halt pleite gewesen!"

Auch der Pirat Robert Stein hält sich in seiner ersten Rede im Parlament nicht zurück: "Wir wollen einen U-Ausschuss zum Thema." Und: "Wir haben die WestLB nicht vor die Wand gefahren, das ist mal klar!" Hannelore Kraft ist sichtlich genervt, fragt von der Ministerbank: "Was ist denn die Alternative?" Stein: "Insolvent gehen lassen." Kraft: "Und dann? Und die Sparkassen?" Stein: "Dann wären die Sparkassen halt pleite gewesen!" Das bringt Kraft richtig auf die Palme, immer wieder stellt sie Stein Zwischenfragen. "Frau Kraft, ich rede jetzt!" Wieder eine Zwischenfrage. "Frau Kraft, jetzt hören Sie mal auf. Das ist ja richtig unwürdig in diesem Parlament, dass Sie ständig ins Wort fallen."

Am Ende des Piratenvortrags haut die gesammelte CDU vor Begeisterung auf die Tische, SPD, die Grünen und Hannelore Kraft schäumen. Die Rede des Piraten Nummer zwei ist Kraft anfangs noch sichtlich bemüht, zu ignorieren. Als ihr Nico Kern aber vorwirft, sich für "eine neue Form des Sozialismus" entschieden zu haben, rollt sie die Augen, schüttelt wütend den Kopf und verkneift sich einen Kommentar. Nico Kern sollte bei der ersten Sitzung das letzte Wort behalten.

Regierung unter Zeitdruck

Nach der ersten Lesung wurde der Gesetzentwurf an den Haushaltsausschuss des Landtages überwiesen. Deren Mitglieder tagten noch am selben Tag. Am 30. Juni läuft die Frist aus, deswegen soll das Gesetz "zur Restrukturierung der WestLB" schon in gut zwei Wochen verabschiedet werden. Ohne Debatte und in der gleichen Sitzung wurden noch der Staatsvertrag über die Gründung einer gemeinsamen Klassenlotterie der Länder und die Gesetzesänderung über die Hilfen für Blinde und Gehörlose durchgewunken.