Auf den Spuren des Foto-Eisbären

Von Stefanie Voos

Wer würde heute noch dafür bezahlen, sich mit einem Menschen im Eisbärkostüm fotografieren zu lassen? Vermutlich niemand. In den 1930er- und 1950er Jahren waren solche Foto-Eisbären allerdings ein regelrechter Trend - ob auf der Kirmes oder am Strand.

Früher sehr populär, heute nahezu vergessen: Der Foto-Eisbär. Der Wissenschaftler Michael Schimek hat dieses Phänomen unter die Lupe genommen. In seinem Aufsatz "Der Foto-Eisbär - Ein ungewöhnlicher Erinnerungsträger an schöne Augenblicke" schreibt er, dass der Trend bereits Anfang der 1930er Jahre an Bade- und Kurorten entstand. "Wer würde schon erwarten, am Strand einen Eisbären zu treffen?", meint Schimek.

Für Fotografen waren die Eisbärfotos eine gute Einnahmequelle. Zwischen 3 und 5 Mark hat ein solches Foto damals gekostet. Auf der Insel Rügen betrieb Carl Bitterling in den 30er Jahren ein Fotogeschäft und nutzte den "Foto-Eisbären", um Badegäste zu einer Aufnahme zu animieren. Sein Sohn (Foto) übernahm dabei die Rolle des weiblichen Eisbären namens "Susi". Zumindest in den Bademonaten war das für den "Foto-Eisbären" eine ziemlich schweißtreibende Angelegenheit. Denn Historiker Schimek vermutet, dass diese Kostüme vor dem Zweiten Weltkrieg zumeist aus Schafsfell, danach möglicherweise aus Kunstfell bestanden haben.

Drei oder mehr konkurrierende "Eisbären" waren keine Seltenheit. Im Schweizer Wintersportort Davos animierten um 1950 gleich drei Kunstfell-Bären das Publikum (Foto). Manchmal durften es auch Hunde sein.

"Grundsätzlich sollten die Eisbärfotos einen Augenblick der Ausgelassenheit festhalten, als Erinnerung an einen schönen Tag oder Urlaub", erklärt Schimek, der die bauhistorische Abteilung des Museumsdorfs Cloppenburg leitet. Dieses Foto ist zum Beispiel ein "Gruß vom Titisee". Die Eisbärfotos waren somit ein ungewöhnliches Souvenir.

Während der 1950er und 1960er Jahre war der Eisbär eine besonders beliebte Attraktion auf Volksfesten. Solch ein Ort war mit guter Laune verbunden. Diese positive Grundstimmung nutzten Fotograf und Eisbär. "Sein exotisches Äußeres und sein spaßiges, scherzhaftes Agieren" habe diese Stimmung noch verstärkt, vermutet Schimek.

"In jedem Fall wirkten die Eisbären auf die meisten Menschen - mit Ausnahme mancher Kleinkinder - freundlich und lustig", schreibt Schimek. Der offensichtlich verängstigte Junge auf diesem Foto scheint eine solche Ausnahme zu sein.

Auffallend ist, dass sich eher Frauen und Kinder als Männer mit einem Eisbär fotografieren ließen. Laut Schimek nahmen sie dabei durchweg eher eine passive Rolle ein, denn der "Eisbär" ging offensiv und forsch auf die Kunden zu. "Der Eisbär schiebt das Kind im Kinderwagen, nimmt das Kind an die Hand, in den Arm oder auf den Arm." So auch auf diesem Foto, aufgenommen während der Frühjahrsmesse in Köln 1951.

Auf diesem Foto aus den 1930er Jahren sitzen zwei Frauen auf dem Bären-Schoß. Das war keine Seltenheit. Oft nimmt der Eisbär "die Frauen in oder sogar auf den Arm oder herzt sie", schreibt Schimek.

Männer haben sich dagegen eher zusammen mit Frauen und Kindern ablichten lassen. Fotos von ihnen alleine mit dem Eisbären waren eher selten. Wenn, fanden sie auf Jahrmärkten statt. "Möglicherweise spielten dabei der Genuss und die enthemmende Wirkung von Alkohol eine gewisse Rolle", erklärt Schimek in seinem Aufsatz.

Was den Foto-Eisbären letztendlich so beliebt gemacht hat, weiß auch Schimek nicht genau. Das exotische Aussehen und die Ähnlichkeit zum Teddybär aus Kindertagen mögen dazu beigetragen haben. Mitte der 1960er Jahre kam der Foto-Eisbär aber langsam aus der Mode. "Wahrscheinlich weil nun jeder selbst einen Fotoapparat besaß und viele nicht mehr bereit waren, sich gegen Geld mit ihm ablichten zu lassen", vermutet Schimek.

Stand: 27.10.2013, 06:00 Uhr