Fahne auf dem Grundstück eines sogenannten Reichsbürgers am 19.10.2016 in Georgensgmünd (Bayern)

Auch in NRW sind "Reichsbürger" aktiv

Stand: 20.10.2016, 15:01 Uhr

Nicht nur in Bayern gibt es "Reichsbürger": Am Mittwoch (19.10.2016) hatte dort ein Vertreter dieser rechtsextremen Bewegung vier Polizisten angeschossen, einer von ihnen starb am Donnerstag (20.10.2016). Auch in NRW sind "Reichsbürger" aktiv. Sie attackieren Behörden und Einzelpersonen.

"Der NRW-Verfassungsschutz schätzt die sogenannte Reichsbürgerbewegung als höchst problematisch ein. Reichsbürger haben eine hohe Affinität zum Rechtsextremismus", teilte das NRW-Innenministerium am Donnerstag (20.10.2016) schriftlich mit. Im Verfassungsschutzbericht des Landes wurden die "Reichsbürger" allerdings bislang nicht erwähnt.

Der Chef des NRW-Verfassungsschutzes, Burkhard Freier, erklärte, dass die "Reichsbürger" seit einigen Jahren beobachtet würden. Er geht von einer "niedrigen dreistelligen Zahl" von ihnen aus. Davon sei ein geringer Anteil "klar rechtsextremistisch". Die Behörden würden vor allem prüfen, ob den "Reichsbürgern" eventuell vorhandene Waffenbesitzkarten entzogen werden könnten. "Waffen gehören nicht in die Hände dieser Leute", so Freier.

"Wir müssen im Bereich des Waffenrechts genauer hinschauen, ob dort alle zulässig zunächst einmal erteilten Waffengenehmigungen möglicherweise widerrufen werden müssen", sagte Sebastian Fiedler vom NRW-Landesverband des Bundes deutscher Kriminalbeamter dem WDR. Denn eine zunehmende Gewaltbereitschaft mache die lose und undurchsichtige Bewegung immer mehr zu einer echten Gefahr. "Wir haben in vielen, insbesondere in kleinen Städten durchaus eine erkleckliche Ansammlung dieser Leute, die offensichtlich diesem verrückten Gedanken nachhängen und sich noch in einer alten Zeit bewegen", so Fiedler weiter.

Aggressives Auftreten

Auch bei "Reichsbürgern" in NRW spielen Waffen eine Rolle. 2014 versuchte ein 32-Jähriger aus Warburg (Kreis Höxter) bei einem Luxemburger Waffenhändler eine Kalaschnikow zu kaufen. Dafür legte er einen Waffenschein des angeblichen "Freistaates Preußen" vor. Offenbar sollte eine eigene Polizeitruppe aufgebaut werden. Doch der Waffenhändler informierte das Landeskriminalamt. Die Sache flog auf. Der Warburger kam vor Gericht, wurde aber freigesprochen, weil es beim nicht strafbaren Versuch geblieben sei.

Im September stoppte die Polizei in Neunkirchen-Seelscheid (Rhein-Sieg-Kreis) einen Autofahrer mit einem Kennzeichen des erfundenen "Freistaat Preußen". Einen gültigen Führerschein hatte der 42-jährige Kölner nicht, sein nicht zugelassener Wagen wurde sichergestellt. Wegen eines Park-Knöllchens wurden im sauerländischen Sundern einem Mitarbeiter des Ordnungsamtes hohe Schadenersatzforderungen angedroht - wegen angeblicher Schikane.

Im Siegerland hat ein "Reichsbürger" sogar ein vermeintliches Schuldnerverzeichnis ins Internet gestellt. Eingetragen hat er darin den Siegener Landrat, einen Bürgermeister und Verwaltungsmitarbeiter sowie eine Siegener Amtsrichterin - weil sie seine angeblichen Schadenersatzforderungen nicht bezahlt haben.

Keine feste Organisationsstruktur

Manche "Reichsbürger" erkennen weder Behördenentscheidungen noch Gerichtsurteile an. "Häufig stören sie auch Gerichtsverhandlungen", sagte Detlef Feige, Sprecher des NRW-Justizministeriums dem WDR. "Sie bringen Besucher mit, die widerrechtlich im Gerichtssaal filmen." Aggressiv zeigten sie sich auch gegenüber Gerichtsvollziehern, die Räumungsklagen oder Pfändungen durchsetzen. Vor allem die 129 Amtsgerichte in NRW hätten in den letzten Jahren immer mehr mit "Reichsbürgern" zu tun. Zahlen dazu konnte Sprecher Feige jedoch nicht nennen.

Für die Behörden ist es nicht einfach, gegen die "Reichsbürger" insgesamt vorzugehen: "Es gibt keine einheitliche Organisationsform, sondern viele lockere Gruppierungen", sagt Rainer Wendt von der Deutschen Polizeigewerkschaft. "Was sie eint, ist die Ablehnung des Staates, aber es gibt keine feste Organisationsstruktur. Deshalb kann man sie auch nicht so leicht verbieten."

Tödliche Schüsse auf Polizisten

Nach Schüssen eines Anhängers der "Reichsbürger" im mittelfränkischen Georgensgmünd ist am Donnerstagmorgen (20.10.2016) einer der verletzten Polizisten gestorben. Der mutmaßliche 49-jährige Täter hatte am Mittwoch bei einer Razzia auf Beamte geschossen und vier Polizisten verletzt. Das Landratsamt wollte bei dem Einsatz die 31 Waffen des Jägers sicherstellen, weil es den Mann als nicht mehr zuverlässig einstufte.

Schon im August hatte es eine Schießerei gegeben zwischen einem dieser sogenannten Reichsbürger und der Polizei: In Sachsen-Anhalt schoss ein 41-Jähriger auf SEK-Beamte, verletzte drei von ihnen, wurde selbst getroffen. Ein Gerichtsvollzieher hatte dort eine Grundschuld eintreiben wollen.

"Reichsbürger" erkennen die Bundesrepublik nicht an. Stattdessen behaupten sie, das Deutsche Reich bestehe bis heute fort. Sie sprechen dem Grundgesetz, Behörden und Gerichten die Legitimität ab und akzeptieren auch amtliche Bescheide nicht.

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