Fast ein Jahr lang war Udo Güldenberg überhaupt nichts aufgefallen. Alle paar Wochen hatten sie einen Raum in seiner Gaststätte gemietet, diese Leute, die so "völlig normal" ausgesehen hätten. So wie viele andere Clubs, Hausverwaltungen, Karnevalsvereine, die regelmäßig im "Gronauer Wirtshaus" in Bergisch Gladbach ihre Treffen abhalten. "Erst waren es zehn, dann 20, dann kamen immer mehr", erinnert sich der Wirt. Irgendwann aber sei den Kellnerinnen, die die diskutierende Runde bewirteten, die Art der Gesprächsthemen aufgefallen. Immer wieder sei der Name Hitler gefallen.
"Dann habe ich ihm Lokalverbot erteilt"
Ungefähr zu gleichen Zeit stellte Güldenberg fest, dass lokale antifaschistsiche Gruppen ihn auf Facebook bereits namentlich anprangerten: Er gebe Rechtsextremen eine Plattform. Was die Aktivisten offenbar vor ihm wussten: Es waren Mitglieder des Kreisverbands der "Bürgerbewegung pro NRW", die sich seine Gaststätte als Treffpunkt auserkoren hatten. Eine Protestveranstaltung dagegen vor seinem Haus war bereits im Netz angekündigt. "Da habe ich sofort reagiert", erzählt Güldenberg. Ebenfalls auf Facebook stellte er klar, dass er nichts davon gewusst habe. Dem Organisator der Treffen habe er "das Messer auf die Brust" gelegt: Wer er sei und was die Gruppe dort mache. "Dann habe ich ihm Lokalverbot erteilt."
Broschüre gibt Tipps gegen rechte Mieter
"Nicht alle Wirte wissen sofort, wie sie reagieren sollen", sagt Hendrik Puls von der Kölner Info- und Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus (IBS). "Manche fühlen sich überrumpelt oder wissen nicht, wie sie aus schon unterschriebenen Verträgen wieder herauskommen." Gemeinsam mit dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) hat die IBS eine Broschüre herausgegeben, die Gastwirten, Hoteliers und Vermietern Rat geben soll, wie sie mit rassistischen Veranstaltern umgehen können.
"Rechtsextreme gehen oft nicht mit offenen Karten vor"
Unter dem etwas umständlichen Titel "Was können Vermieter/innen tun? Ratgeber zum Umgang mit Anmietungen durch rechtsextreme Gruppen" werden auf vierzig übersichtlich gestalteten Seiten alle wichtigen Punkte abgearbeitet: Wie gehen Rechtsextreme bei der Anmietung von Räumen vor? Was kann ein Vermieter tun, dem eine Anfrage verdächtig vorkommt? Die Broschüre informiert auch darüber, welche Rechte ein Gastronom nutzen kann, um die unbeliebten Gäste wieder loszuwerden - wenn der Mietvertrag längst unterschrieben ist oder die Rechten bereits im Haus sind. "Rechtsextreme gehen oft nicht mit offenen Karten vor", sagt Hendrik Puls, "sie melden sich unter falschen Namen an oder schicken harmlos wirkende Strohleute vor". Dann kann sich ein Vermieter beispielweise darauf berufen, getäuscht worden zu sein. Um das von vornherein zu verhindern, gibt die Broschüre Tipps für die richtige Formulierung von Verträgen und Geschäftsbedingungen. Schließlich findet sich noch ein Kalender mit den wichtigsten Terminen der rechtsextremen Szene.
"Betroffen sind Hotels und Gaststätten jeder Größe und Art", sagt Mathias Jonen vom Dehoga Nordrhein. Durch dichtere Berichterstattung in den Medien habe "die allgemeine Sensibilität für das Thema" zugenommen. Wirte hätte mittels Internet inzwischen auch bessere Möglichkeiten, die Angaben, die ein Mietinteressent macht, zu überprüfen. Zudem sei bei den Gastronomen die Furcht davor gestiegen, über Handyvideos oder Berichte in den sozialen Netzwerken als Nazi-Unterstützer bekannt zu werden. Auch die möglichen Folgeerscheinungen - Gegendemonstranten und Polizeieinsätze - wolle jeder Wirt vermeiden, sagt Jonen, "das ist ganz schlechte Publicity". 500 Exemplare der Broschüre will der Dehoga allein im Raum Köln auf Veranstaltungen verteilen, in seinem Online-Newsletter weist der Verband auf den Link zum Download im Internet hin.
Mettmann: NPD-Gruppe als Dart-Verein getarnt
Doch nicht nur Gastronomen können Probleme mit unerwünschten Gästen aus der rechtsextremen Szene bekommen. Regelrecht getäuscht worden sei auch die Stadtverwaltung von Mettmann, sagt Stadtsprecher Michael Lietzow. Dort hatte im vergangenen Sommer eine unscheinbar wirkende Frau in Begleitung eines kleinen Kindes einen Sportplatz für ein privates Fußballturnier angemietet. Man sei ein Dart-Verein, der jetzt ein bisschen kicken wolle, hatte die Frau locker angegeben. Als das Turnier längst vorbei war, erhielt die Stadtverwaltung einen Hinweis auf die Homepage der NPD Düsseldorf/Mettmann. Dort waren Fotos zu sehen von jenem Samstags-Kicken des angeblichen Dart-Vereins - das Fußballturnier entpuppte sich als sportliches Treffen der NPD und der "Freien Nationalisten Leverkusen", an dem 150 Neonazis aus NRW teilgenommen hatten. "Im Nachhinein war da natürlich nichts mehr zu machen", erklärt Lietzow. Immerhin habe der Stadtrat dann eine gemeinsame Resolution formuliert, die nun auf der Homepage der Stadt zu lesen ist.
Hoffnung, die Szene zu schwächen
Mit der neuen Ratgeber-Broschüre, sagt Hendrik Puls von der IBS, hoffe man, mehr Sensibilität bei Vermietern zu schaffen, die dazu führen könnte, "dass die eine oder andere Veranstaltung ausfällt". Denn bei den Treffen der rechtsextremen Szene spielt die Möglichkeit, entsprechend große Räume anmieten zu können, eine wichtige Rolle. "Häufig fehlen den Neonazis eigene Räume dazu." Würden die Möglichkeiten zur Anmietung knapp, könne das die Szene vielleicht ein wenig schwächen, hoffen die Macher der Broschüre.