"Das Leben. Es lebe!" von Edo Popović

Stand: 17.05.2024, 07:00 Uhr

Der kroatische Schriftsteller Edo Popović ist zum Verlag Voland & Quist zurückgekehrt. Dort ist sein Roman "Das Leben: Es lebe!" in deutscher Übersetzung veröffentlicht worden. Darin schildert Popović seine Abkehr von der Zivilisation und sein Leben in der Natur. Eine Rezension von Stefan Berkholz.

Edo Popović: Das Leben: Es lebe!
Aus dem Kroatischen von Mascha Dabić.
Voland & Quist, 2024.
162 Seiten, 20 Euro.

"Das Leben: Es lebe!" von Edo Popović Lesestoff – neue Bücher 17.05.2024 05:15 Min. Verfügbar bis 17.05.2025 WDR Online Von Stefan Berkholz

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Es beginnt wie eine Mischung aus Essay, Reportage, Notizbuch. Zunächst eine Krankengeschichte – seine Krankengeschichte. Nahtoderfahrung. Dann der Tod seiner Mutter. Autobiographisch ist dieser Roman, in klarer, einfacher Sprache verfasst.

"Ich arbeite nirgendwo, ich verdiene nur gelegentlich und wenn, dann wenig, ich gebe nichts aus, meine Frau erhält mich, und ich mache gerade eine Chemotherapie, sagte ich eines Morgens ohne jegliche Vorwarnung zu meinem Nachbarn Sjena, der am Balkongeländer angelehnt stand."

Dann kommen Dialoge hinzu, mit dem eigensinnigen Nachbarn beispielsweise. Tiefer und tiefer dringt der Roman zu Wesentlichem vor: Systemkritik, Lebensphilosophie, Rebellion, Antikapitalismus. Menschliches, allzu Menschliches. Über das Leben und das Sein. Die Suche nach dem Sinn.

"Natürlich bin ich nicht normal. Wer, der heutzutage normal ist, möchte heutzutage normal sein? In diesen Zeiten! Eine solche Verrücktheit kann ich mir nicht leisten, normal zu sein, so zu tun, als sei alles in Ordnung, Ruhe zu bewahren, keinen Gesichtsmuskel zu verziehen, wenn ich sehe und höre, was rund um mich herum passiert. Also, ich gebe gerne zu, ich bin verrückt."

Edo Popović schildert seine prekäre Existenz als freier Schriftsteller; er begegnet anderen Außenseitern und Sonderlingen, die sich durchs Leben schlagen; er nimmt sich die Spezies Realpolitiker vor, die das Publikum verwirrt mit ihren Lügen; und erinnert daran, worauf Wohlstand und Reichtum von Staaten und Nationen im Allgemeinen beruhen:

"Jahrhundertelang praktizierter Raub und Ausbeutung, Kolonialismus genannt, Freihandel und freier Kapitalfluss, oder einfacher gesagt, Globalisierung, konnten nicht anderswo hinführen als schnurstracks zur Armut der ausgeraubten Völker und Kontinente, die bloß Krümel abkriegten."

Popović schreibt über sein Glück, noch am Leben zu sein; er zitiert Passagen aus der Bibel, preist Erkenntnisse aus dem Buddhismus, begibt sich auf mystische Spurensuche; fragt, was ist Leben und was ist der Tod? Und schildert ausführlich sein Leben fern der Zivilisation, inmitten der Natur, umgeben von Katzen, Hunden, Fröschen, Vögeln.

"Die Menschen denken zu viel, wollen zu viel, erwarten zu viel, verkomplizieren alles zu viel, sind allzu lästig. Alles, was sie tun, tun sie mit einer gewissen Absicht und in der Regel in einem Zustand von Maßlosigkeit. Ständig erwarten sie eine Kompensation, dafür, dass sie etwas tun und sprechen. Gebraucht zu werden bedeutet mit anderen Leben verflochten zu sein, wie Lichtung und Wald, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Das bedeutet, Dinge aus reinster Güte zu tun. Das bedeutet, lebendig zu sein."

Kurze, knappe Kapitel, selten länger als drei Seiten. Es geht um den Augenblick. Es geht darum, zu leben. Um Hinnahme, Hingebung, Annahme. Das, was Tiere können, weil sie sind. Das, was sich der Mensch versagt, weil ihm sein Verstand im Weg steht. Daher der banal wirkende Titel dieser Aufzeichnungen: "Das Leben: Es lebe!"

"Man sagt, ein Weg führt zu jedem Punkt, neben dem er verläuft. Und erst wenn wir den letzten Schritt getätigt haben, können wir wissen, wohin wir unterwegs sind. Ich bin froh, dass ich es noch nicht weiß. Dass ich noch gehe. Ich hinterlasse keine Spuren."

Der 67-jährige Schriftsteller ist sich treu geblieben und nähert sich der Erfüllung: dem Aufgehen in der Natur, dem Vergehen in die Natur, dem Eins werden vor dem Abschied vom Leben. Edo Popović bohrt tief, bis in die Philosophie des Alltags, des Lebens, der Existenz. Also: existentielle Literatur. Anregend, aufregend, rebellisch. Es ist das, was Edo Popovićs Romane außergewöhnlich reich und empfehlenswert macht.