Modellstudiengang Medizin - Früher Einblick in die Praxis

Stand: 07.07.2016, 13:30 Uhr

Wer Medizin studiert, lernt üblicherweise erst einmal graue Theorie statt Praxis. Die RWTH Aachen geht einen anderen Weg und verbindet von Anfang an das theoretische Grundlagenwissen mit klinischen Inhalten.

Von Bastian Biet

Seit 1966 kann man sich an der Medizinischen Fakultät der RWTH Aachen zum Arzt ausbilden lassen. Damals machte die RWTH mit einem futuristisch anmutenden Klinikgebäude von sich reden. Knapp 40 Jahre später stand die Hochschule wieder mit einer bahnbrechenden Neuerung in der Presse: Zum Wintersemester 2003 führte die Medizinische Fakultät den Modellstudiengang Medizin ein. Ein ähnlich gestaltetes Medizinstudium gibt es bis heute nur an zwei weiteren Hochschulen in Deutschland: in Witten und in Leipzig.

Es geht auch anders

Medizin studieren heißt vielerorts Auswendiglernen bis der Arzt kommt. Bis zur ersten Staatsprüfung, die nach dem vierten Semester absolviert werden muss, werden in traditionellen Medizinstudiengängen die Studierenden ausschließlich mit Theorie versorgt. An der RWTH Aachen ist das anders. Statt des traditionellen Unterrichts wird jedes Thema konsequent aus unterschiedlichen fachlichen Perspektiven beleuchtet. Das sorgt für mehr Abwechslung im Lehrbetrieb und schult die angehenden Mediziner in Bezug auf Diagnostik und Therapie.

Ab ins Krankenhaus

Damit die Studienanfänger ihre neuerworbenen Kenntnisse zeitnah ausprobieren können, kommen sie von Beginn an mit "Patienten" in Kontakt. Im sogenannten "Skillslab" können sie an Kommilitonen und Schauspielern ihre praktischen Fähigkeiten in Erste Hilfe, Notfallmedizin und Hygiene üben. Im weiteren Verlauf begleiten die Studierenden die Dozenten im Krankenhausalltag und bekommen so die Möglichkeit, die ärztliche Praxis kennenzulernen.

Das kann länger dauern

Das Aachener Modell zeichnet sich auch dadurch aus, dass das Studium in viele kleine Abschnitte gegliedert ist und nicht wie üblich in drei große (Vorklinik ohne Patientenkontakt, Klinischer Teil und Praktisches Jahr).

Die angehenden Mediziner lernen die Bauweise von Organen und Organsystemen kennen und werden mit dem Prozess des medizinischen Problemlösens vertraut gemacht.

Das Studium im Aachener Modellstudiengang Medizin ist in zehn Semester und ein abschließendes praktisches Jahr unterteilt. Damit kommen sie wie Studierende an regulären medizinischen Fakultäten auf 12 Semester. Viele Studenten brauchen aber etwas länger. Dafür haben sie aber das achte oder neunte Semester als Wahlfreisemester zur Verfügung: Auslandsaufenthalte, die intensive Auseinandersetzung mit einem Thema der Wahl, Beginn der Doktorarbeit oder einfach auch mal Reisen - hier ist quasi alles möglich.

Aber auch wenn vieles an der RWTH anders läuft, in einem Punkt gilt für alle angehenden Mediziner das Gleiche: Wer das bundeseinheitliche Examen nicht besteht, kann den Abschluss vergessen.

Und wie geht’s weiter?

Wer Medizin studiert, quält sich in der Regel durch die Prüfungen, um irgendwann Arzt zu werden und Patienten zu versorgen. Nach der Hochschule schließen die meisten Absolventen daher die Weiterbildung zum Facharzt oder Allgemeinarzt direkt an. Die meisten finden eine Anstellung in einer Klinik oder Arztpraxis, die anderen gehen in die Forschung oder schauen sich anderswo um.

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