Streit um Kaution

Stehpinkler können aufatmen

Stand: 01.10.2015, 15:30 Uhr

Dürfen Mieter die Toilette ihrer Wohnung im Stehen benutzen? Wahrscheinlich schon. Das zumindest ist die Auffassung des Landgerichts Düsseldorf. Es gibt aber auch Ausnahmen.

Von Martin Höke

Vor dem Düsseldorfer Landgericht hatte ein Vermieter geklagt, der von einem Mieter zwei Drittel der Kaution einbehalten wollte, weil der Mamorboden rund um die Toilette durch Urin stumpf geworden sein soll. Bereits in erster Instanz war der Vermieter vor Gericht gescheitert und auch bei der Berufung droht ihm eine Niederlage. Das haben die Richter am Donnerstag (01.10.2015) in einer vorläufigen Bewertung durchblicken lassen.

Ausnahmen sind möglich

Auch wenn in der vermieteten Wohnung die Marmorböden in Bad und Gäste-WC durch Urinspritzer stumpf geworden seien, sei dies "keine schuldhafte Beschädigung der Mietsache". Anders wäre die Lage unter Umständen zu bewerten, wenn der Vermieter auf die besondere Empfindlichkeit des Bodens hingewiesen und Vorgaben zur Pflege gemacht hätte, sagte die Vorsitzende Richterin Sylvia Geisel. Das Urteil soll in dem Fall am 12. November verkündet werden.

In erster Instanz hatte der Mieter - ein Finanzmakler - im Januar Recht bekommen. Der Düsseldorfer Amtsrichter Stefan Hanck betonte damals, dass Mieter auf der Toilette ihrer Wohnung im Stehen pinkeln dürfen. So umstritten dieses Verhalten inzwischen auch sei - es gehöre zum vertragsgemäßen Gebrauch einer Mietwohnung. Urinieren im Stehen sei weit verbreitet, die Gefahren für Böden aber kaum bekannt. Dass die Urinspritzer den Schaden verursacht hätten, sei nachvollziehbar und glaubwürdig, befand der Richter - helfe dem Vermieter aber nicht. (Az.: 42 C 10583/14).

Die Domestizierung des Mannes

Wörtlich heißt es in der Urteilsbegründung: „Trotz der in diesem Zusammenhang zunehmenden Domestizierung des Mannes ist das Urinieren im Stehen durchaus noch weit verbreitet. Jemand, der diesen früher herrschenden Brauch noch ausübt, muss zwar regelmäßig mit bisweilen erheblichen Auseinandersetzungen mit - insbesondere weiblichen - Mitbewohnern, nicht aber mit einer Verätzung des im Badezimmer oder Gäste-WC verlegten Marmorbodens rechnen.“ Der Vermieter hätte auf die Empfindlichkeit des Bodens hinweisen müssen, so der Richter.

Kündigung nach vier Jahren

Der Finanzmakler hatte seinerzeit vier Jahre lang in der 106-Quadratmeter großen Düsseldorfer Wohnung gelebt und dann fristgerecht gekündigt. Von der Kaution in Höhe von 3.000 Euro wollte der Vermieter zwei Drittel einbehalten, um die Urin-Schäden auf dem Marmorboden der Gäste-Toilette der Wohnung beseitigen zu lassen. Nach Angaben des Vermieters kosten Reinigung und Aufarbeitung des im Bad verlegten Marmorbodens mehr als 1.900 Euro. Als Ursache für den Schaden hatte ein als Zeuge befragter Fachmann ätzende Reinigungsmittel ausgeschlossen. Alles deute auf Urinspritzer hin, da der Boden nur um die Toilette herum abgestumpft war.

Keine Sitzpinkel-Klausel

Aber hätte ein Hinweis bei der Übergabe der Wohnung wirklich geholfen? "Eine Sitzpinkel-Klausel im Mietvertrag dürfte jedenfalls unwirksam sein“, sagte damals Inka-Marie Storm, Juristin des Immobilien-Eigentümerverbandes Haus & Grund. In derart privates Verhalten dürfe ein Vermieter nicht eingreifen. Sich die Böden ruinieren lassen müsse er deswegen aber auch nicht: "Der Vermieter kann beim Einzug Pflegehinweise geben und auf die Empfindlichkeit der Böden hinweisen.“ So dürften bestimmte Bad-Reiniger nicht für Marmor verwendet werden. Dazu hätte ein Hinweis gehört, dass Urinspritzer möglichst zu vermeiden und andernfalls sofort zu entfernen seien, sagt Storm. Ob dies das Pendel vor Gericht zulasten des Mieters hätte schwingen lassen, sei aber schwer zu sagen: "Es ist dann immer noch eine Beweisfrage.

Vorgaben zur Toilettennutzung nicht zulässig

"Vorgaben des Vermieters hinsichtlich der Toilettenbenutzung sind jedenfalls in aller Regel unzulässig. Sie sind ohnehin nicht überprüfbar und machen daher auch wenig Sinn“, meint Ulrich Ropertz, der Sprecher des Deutschen Mieterbundes. "Es stellt sich hier auch die Frage, ob der Boden für ein Badezimmer überhaupt geeignet ist.

Nicht der erste Streit

Es ist nicht das erste Mal, dass Stehpinkler die Justiz beschäftigen: Mehrfach schon hatten Hausnachbarn an den Geräuschen des Urinstrahls Anstoß genommen: Das Landgericht Berlin hatte in einem Fall zehn Prozent Mietminderung zugesprochen, weil lautes Pullern den Nachbarn im Wohnzimmer nebenan die Laune verdarb (Az.: 67 S 335/08). Offenbar kommt es dabei auf den genauen Geräuschpegel an: Das gleiche Gericht hatte in einem ganz ähnlichen Fall mit Hinweis auf die eingehaltenen Schallschutz-Normen keine Mietminderung zugesprochen (Az.: 65 S 159/12). So hatte auch das Wuppertaler Landgericht schon 1996 entschieden. Anders liegt der Fall, wenn sich der Mieter fernab der mitvermieteten Keramik ständig im Garten erleichtert: Dies störe den Hausfrieden und rechtfertige die Kündigung, hatte ein Kölner Amtsrichter entschieden (Az. 210 398/09).