Exklusivinterview zum WM-Skandal

War Schorsch Aigner schuld?

Stand: 05.11.2015, 13:48 Uhr

Der Skandal um die Fußball-WM 2006 zieht immer weitere Kreise. WM-Organisationsboss Franz Beckenbauer bleibt eine Schlüsselfigur in der Affäre. Womöglich zu Unrecht, denn die Hinweise verdichten sich, dass eigentlich sein langjähriger Doppelgänger Schorsch Aigner hinter den Machenschaften steckt. Aigner befindet sich auf der Flucht aus Deutschland, um dem Medienrummel zu entgehen. WDR-Reporter Tom Theunissen gelang es, ihn noch auf dem Rollfeld in Aigners Privatmaschine zu einem Exklusiv-Interview zu treffen.

Von Susanne Hagen

Sie konnten als Einziger ein Exklusiv-Interview mit Schorsch Aigner führen. Wieso hat er sich gerade Ihnen anvertraut?

Tom Theunissen: Weil er weiß, dass er nicht sofort ans Kreuz genagelt wird. Nachdem wir ihm bereits im Frühjahr im Rahmen unserer Enthüllungen eine faire Chance eingeräumt haben, seine langjährige, verdeckte Tätigkeit selbst zu schildern, besteht ein gewisses professionelles Vertrauensverhältnis. Schorsch Aigner schätzt solche Agreements sehr, das ist seine Welt.

Aigner steht massiv unter Druck. In welcher Verfassung war er aus Ihrer Sicht?

Theunissen: Angeschlagen und blass. Man kann fast sagen, er sieht ein wenig entsättigt aus. Einem sehr sensiblen Menschen wie ihm, der es nicht gewohnt ist, in der Öffentlichkeit über sich selbst reden zu müssen, setzt die ganze Entwicklung sehr zu. Wie viele andere Beteiligte in dieser Affäre war er der Ansicht, dass über das alles längst Gras gewachsen sei. Oder wenigstens etwas Rasen.

Wieso denken Sie flieht er gerade jetzt? Der „Belagerungszustand“ durch die Medien dauert ja schon länger.

Theunissen: Jahrzehntelang lief alles nur deshalb so reibungslos, weil niemand auf die Idee gekommen ist, dass es in diesem Ränkespiel jemanden wie ihn überhaupt geben könnte. Aber seit wir ihn in seinem Anwesen am Tegernsee besucht haben und diese Bilder dann um die Welt gingen, ist das alles anders. Etliche Kollegen haben sich daran gemacht, mehr über ihn herauszufinden. Nicht nur WDR, NDR und Süddeutsche Zeitung. Und da wird mit allen Mitteln gearbeitet: Satellit, GPS, Telefon und Spekulation. In der letzten Woche konnte seine Frau nicht mal mehr mit dem Hund raus, ohne von anderen Hundehaltern angesprochen zu werden.

Fühlt er sich irgendwie schuldig? Wegen der Zahlungen an ihn - und am Imageschaden an Franz Beckenbauer, den Aigner verursacht hat?

Theunissen: Schuld ist ein sehr katholischer Begriff – und Religion ist eines der wenigen Felder, über das wir nicht gesprochen haben. Er hat ja auch bereits betont, dass er kein schlechtes Gewissen gehabt habe, "nicht der Echte" zu sein. Es tut ihm aber sehr wohl leid, dass er der Aufgabe, unter den Großen dieser Welt ständig souverän wie der Kaiser zu agieren, nicht immer und überall gewachsen war. Diesen folgenschweren Alleingang damals hätte er jedenfalls besser sein gelassen... Aber das wird er ja heute selbst erklären.

Wie ist sein Plan - Hat er Ihnen gegenüber irgendwas angedeutet, wie er jetzt weitermachen will und wohin er flieht?

Theunissen: Das weiß ich durchaus. Aber es war Bedingung für das Interview, dass wir dazu nichts öffentlich machen. Das tut er zum gegebenen Zeitpunkt schon selbst.

Wie wird die Geschichte Ihrer Meinung nach weitergehen?

Theunissen: Franz Beckenbauer hat nichts zu befürchten.