Über 50.000 Fotos und Filme in WDR Digit

Je oller, desto besser

Stand: 05.03.2015, 11:10 Uhr

WDR Digit beinhaltet mittlerweile mehr als 50.000 Filme und Fotos. Das "digitale Archiv des analogen Alltags" geht weit über eine historische Bildersammlung hinaus.

Von Christoph Pierschke

Ein idyllisches Bild: Eine Frau und ein Mann blicken von einer Restaurantterrasse auf Königswinter. Die Farben sind verblasst. Ein paar Altersflecken finden sich hier und da auf dem Bild. Und bei näherem Hinsehen entdeckt man schnell einige historische Details auf dem Foto: Auf dem Tisch mit der karierten Decke stehen ein Weinglas und eine Flasche im Stil der 50er. Auch Frisuren und Kleider oder eine Sonnenbrille auf dem Tisch liegen im Trend der damaligen Zeit.

David Ohrndorf freut sich über den "dokumentarischen Look" des Fotos, das ein Hobbyfotograf aus dem Rheinland 1959 gemacht hat. Für Ohrndorf ist es aber auch ein besonderes Foto, weil es das 50.000ste Medium in WDR Digit ist. Gemeinsam mit Stefan Domke betreut Ohrndorf das "digitale Archiv des analogen Alltags", das im Dezember 2012 von der WDR-Internetredaktion aus der Taufe gehoben wurde. Seitdem haben WDR-Zuschauer, sowie Nutzer und Nutzerinnen des Archivs eifrig im eigenen Keller oder in Kisten auf dem Dachboden gewühlt, um altes Bildmaterial zu finden.

Familienbilder nicht mehr so gefragt

Längst muss das Digit-Team sorgfältig auswählen, welche Bilder und Filme interessant für das Archiv sind. "Es gibt viele Leute, die in den 1970ern ganz toll Vögel fotografiert haben. Aber Vögel und Natur sind für uns nicht so interessant", sagt Ohrndorf. Auch Familienbilder und -Filme wecken nicht mehr unbedingt das Interesse: "Natürlich ist für jeden die eigene Hochzeitsfeier, die er auf Super-8 gefilmt hat, besonders wertvoll. Wir haben aber mittlerweile genügend Hochzeiten auf Bildern von früher", so Ohrndorf.

Um eine Auswahl zu treffen, sprechen Ohrndorf und Domke erst einmal mit den Leuten, die ihnen Bilder und Videos anbieten. Dabei geht es zunächst darum, was und wieviel geknipst und gefilmt wurde. Wichtig ist auch, dass Leute, die Material anbieten, im Besitz der Rechte sind. So konnte beispielsweise die Frau, die das Foto von Königswinter aus dem Fotonachlass ihres verstorbenen Ehemanns anbot, plausibel darlegen, dass sie als Erbin des Materials die Rechte daran hat.

"Anderer journalistischer Ansatz"

Fotos, Dias oder Negative digitalisiert das Digit-Team selbst. Auch VHS-Filme kann die Redaktion mit einem Videorekorder auf den Rechner überspielen. Älteres Filmmaterial wie Normal-8, Super-8 oder 9,5mm digitalisieren externe Dienstleister für Ohrndorf und Domke. "Das bedarf sehr viel technischen Knowhows und unterschiedlicher Geräte. Das können wir nicht selber machen."

Digit ist für David Ohrndorf "ein Vorzeigeprojekt für crossmediales Arbeiten": Die "Aktuelle Stunde" zum Beispiel nutzt jeden Sonntagabend Material aus dem Projekt für einen Beitrag. Wie etwa die Filmaufnahmen eines früheren Portiers aus Bielefeld, der über die Jahre Prominente wie Rudi Carrell, Horst Tappert oder Roy Black filmte – und "Derrick" dabei sogar mit dem Auto verfolgte. "Dieser Portier war fast schon ein früher Paparazzo, aber auf sympathische Art", erzählt Ohrndorf.

Besonders der "andere journalistische Ansatz" freut ihn bei den Geschichten in der "Aktuellen Stunde". "Wenn man als Journalist ganz klassisch ein Thema bearbeitet, sucht man sich erst einmal Material und Infos dazu. Hier aber haben wir erst eine Filmrolle bekommen und uns dann gefragt, was ist das denn, was passiert da gerade. Dadurch wird die Geschichte angestoßen. Das ist sehr verblüffend, was da manchmal heraus kommt."

Bilder aus der Arbeitswelt gesucht

Auf der Suche nach Material fragt auch das WDR Fernsehen schon mal bei Digit nach. So fand sich im WDR-Archiv kein historisches Material zu Vatertagsausflügen. "Auf Digit gibt es aber ein paar private Filme aus den 50er oder 60er Jahren, auf denen Männergruppen mit dem Bollerwagen durchs Land oder die Wälder ziehen. Die albern mal ein bisschen vor der Kamera herum und winken, aber das ist auf jeden Fall sehr authentisches Material", sagt Ohrndorf.

Während private Familienaufnahmen in Digit reichlich vorhanden sind, wünschen sich die Macher mehr andere Motive - zum Beispiel aus der Arbeitswelt. Auch von größeren Ereignissen würden sie sich über mehr privates Material freuen. "Grundsätzlich gilt: je oller, desto besser. Bei Sachen aus den 1950ern oder 1960ern sind wir immer noch besonders interessiert. Da gucken wir auch noch mal bei den Kinderaufnahmen rein, weil da im Hintergrund tatsächlich noch so viel anders aussehen kann."