25 Jahre unser "moma"

Stand: 13.07.2017, 10:53 Uhr

Am 13. Juli 1992 hatte das ARD Morgenmagazin als erstes öffentlich-rechtliches Frühstücksfernsehen Deutschlands Premiere. Der Beginn einer Erfolgsstory für die vom WDR produzierte Sendung. Seit Juli 1992 ist es im wöchentlichen Wechsel mit dem "ZDF Morgenmagazin" auf Sendung und hat die Fernsehlandschaft nach­haltig verändert.

Martin Hövel leitet seit 2005 die "moma"-Redaktion des WDR. Christine Schilha sprach mit ihm darüber, wie sich das Informationsflaggschiff im Laufe der Jahre gewandelt hat und dabei auf Erfolgskurs blieb.

Herzlichen Glückwunsch zu einem Vierteljahrhundert "moma", Herr Hövel – wie wurde das gefeiert?

Bereits am 15. Juni – Fronleichnam –  haben wir unsere Zuschauer beschenkt. Zu diesem Zweck casteten wir  junge Menschen mit Kameraerfahrung, die so alt sind wie das "moma". Gemeinsam mit diesen jungen Gästen haben unsere Moderatorinnen und Mode­ratoren dann die Jubiläums-Sendung präsentiert. Die Lebenswelt der Mittzwanziger war dabei natürlich ein Thema.

Schaut diese Altersgruppe das "moma"?

Soweit sie zur "moma"-Zeit überhaupt fernsieht: durchaus. Bei 14- bis 29-Jährigen haben wir in den ersten eineinhalb Stunden meist zweistellige Marktanteile. Den anderen sprinten wir digital auf dem Smartphone hinterher, mit zunehmendem Erfolg. Erstaunlich stark, mit zweistelligem Marktanteil, sind wir bei 30- bis 49-Jährigen. Generell gilt: Von den rund vier Millionen Zuschauern am Tag schauen die Jungen und Berufstätigen eher früh und kurz, 15 bis 20 Minuten. Die Junggebliebenen gucken spät und lang, 45 bis 60 Minuten, da wird dann nochmal Kaffee nachgeschenkt. Diesen Älteren zuliebe wiederholen wir nach acht Uhr keine Beiträge mehr.

Unterm Strich sind wir jedenfalls nicht nur das längste, sondern auch das jüngste Info-Format im Ersten. Und, mit gewachsenem Vor­sprung, Marktführer am Morgen vor den beiden Privaten. Darauf dürfen wir beim Jubiläum mit einem doppelten Espresso anstoßen.

Bis 1992 gab es wochentags im Ersten und Zweiten am Vormittag nur Testbild. Die Einführung des Frühstücksfernsehens war revolutionär. Wie hat es die Fernsehlandschaft verändert?

Ich war damals schon beim WDR, aber nicht beim "moma". Ich gehörte aber zu den ersten Kunden und fand es toll. In den Anfangsjahren galt es ja noch als anrüchig, morgens schon den Fernseher einzuschalten. Viele Kritiker, darunter auch der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl, hielten ein Frühstücksfernsehen für völlig überflüssig oder gar eine Zumutung. Da nötigt es einem heute großen Respekt ab, was Johannes Kaul und sein "moma"-Gründerteam damals schafften: Dass sie in diese nur von den Privatsendern beackerte Fernsehlandschaft am Morgen das gepflanzt und großgezogen haben, was es heute ist – ein allseits respektiertes Informations­programm, das aus dem Alltag unserer Zuschauer nicht mehr wegzudenken ist. Wir sind ein fester Begleiter fürs Morgenritual vieler Menschen, ein schöner Gedanke. Sogar noch mit Luft nach oben: Wir legen jedes Jahr ein bisschen zu, die "moma"-Community wächst weiter.

Beim "moma" gab es seriöse Nachrichten und Unterhaltung. Diese Ver­bindung war damals neu, oder?

Ja, das hat einige Zuschauer zunächst irritiert. Anfangs gab es sogar noch Programm für Kinder im "moma". Das Leitungsteam Johannes Kaul und der inzwischen leider verstorbene Dieter Saldecki, der vom Kinderfernsehen kam, wollte etwas für die gesamte Familie bieten. Das fiel dann irgendwann genauso weg wie die bundesweiten Verkehrsnach­richten, auf die man zunächst sehr stolz war, die sich aber dann doch als nicht sinnvoll erwiesen.

Die Presseberichte aus den ersten Tagen überschlugen sich wegen eines jungen Schweizer Meteorologen. Warum?

Jörg Kachelmann war der Erste, der das Wetter in einer allgemein verständlichen Sprache mit Lockerheit und Witz präsentierte. Er hat damals den Standard gesetzt für die Wettervorhersagen, wie wir sie heute kennen. Davor gab es das Wetter am Ende der "Tagesschau" als Einspiel­film mit Voice-over in gefühltem Amtssprech, ohne ein Gesicht dazu.

Kritiker sahen es 1992 als Problem, dass der Fernseher im Wohnzimmer steht, man also nicht beim Frühstücken oder Zähneputzen gucken könne. Von "Second Screens" ahnte man damals noch nichts. Welche Auswir­kungen hat die Digitalisierung auf das Sehverhalten des Publikums und auf das "moma"?

Wir wissen, dass wir besonders intensiv in Haushalten gesehen werden, die einen Fernseher in der Küche haben – was heute nicht mehr so ungewöhnlich ist. Viele Zuschauer sind morgens mit der Kaffeetasse in der Wohnung unterwegs, und wir laufen nebenher, lauter gedreht. Die FAZ schrieb mal, das »moma« sei das meistgehörte Fernsehprogramm. Aber auch Tablets und vor allem Smartphones spielen eine immer grö­ßere Rolle. Dem tragen wir Rechnung. Ab Sommer dieses Jahres werden wir gemeinsam mit tagesschau.de beschriftete "moma"-Web-Videos über die Social-Media-Kanäle beider Formate posten. "moma" und "Tages­schau" sind ja auch Bruder und Schwester im TV, die neue Kooperation setzt ein Zeichen im Netz und hilft beiden, die Smartphone-User mor­gens zu erreichen, auch unterwegs, in der Straßenbahn.

Das "moma" wird montags bis freitags im Dreischichtsystem auf die Beine gestellt. Können Sie kurz den Alltag skizzieren?

In der Sendewoche sind wir ab Sonntag, 14 Uhr, bis Freitag früh rund um die Uhr besetzt. Die Sendeschicht – biologisch die anspruchs­vollste – startet früh um drei. Die Tagschicht übernimmt nach der Sen­dung um halb zehn, die Spätschicht schließt den Kreis ab 18.30 Uhr. Vieles wird schon in den ZDF-Wochen vorbereitet – vor allem die Rub­riken wie Service, Kino und die Musik-Auftritte. Dreieinhalb Stunden aktuelles Liveprogramm sind eben ein echter Stiefel. Das geht nur mit einem großartigen leidenschaftlichen Team in Redaktion, Produktion und Technik. Vor und hinter der Kamera. Da bin ich jeden Tag demütig und dankbar.

Das "moma" ist nicht nur die längste Livesendung der ARD, es gilt auch als eine der technisch anspruchsvollsten. Was macht die Sendung so aufwändig?

240 Ablaufpositionen, Kaskaden von Liveschalten, Kurzbeiträgen und Gesprächen – das "moma" ist viel schneller und kleinteiliger als vor 25 Jahren. Hinzu kommt die starke Digitalisierung der Sendung. Ein Megathema.

Was waren die wichtigsten Neuerungen der vergangenen Jahre?

Wir sind stolz auf unser "moma"-Multimediatool, mit dem wir jegliche Netzinhalte – seien es Videoclips, Bilder oder Social-Media- Posts – via Touchscreen in die Sendung "unterheben". Eher beiläufig, ohne großes Brimborium, dem Alltag unserer Zuschauer abgeschaut: mal kurz auf dem Smartphone antippen, was es Neues gibt, und weiter geht‘s.

Als Vorteil gegenüber den Privaten hob man zum Start das große Korre­spondentennetz von ARD und ZDF hervor – ist das auch heute noch der größte Trumpf der Öffentlich-Rechtlichen?

Dieses Ass haben wir gottlob immer noch im Ärmel. Und es sticht frühmorgens besser denn je. Wenn nachts oder während der Sendung was passiert in der Welt, können wir schnell vor Ort oder in die Nähe schalten. Skype und Smartphone-Technik hilft den Korrespondenten und uns, noch schneller präsent zu sein.

Was hat das "moma" darüber hinaus – aus dem Stand und bis heute – zum Marktführer gemacht?

Zu allererst: der Informationskern. Das "Erste am Morgen" nehmen wir wörtlich: News, Politik und Hintergründe aus Deutschland und der Welt. Aber wir senden ein Magazin, kein Nachrichtenfließband. Unser Credo: früh informieren, aber nicht runterziehen. Service, Kul­tur, Showbiz, Live und Alltagsthemen gehören deshalb fest zu unserem Morgenmix. Und es ist nicht verboten, mit einem Lachen in den Tag zu gehen. Die Marktführerschaft war übrigens nie gottgegeben, sie wird jeden Tag neu erkämpft. Es gab etliche Jahre, in denen unser Vorsprung zur Nummer zwei im Markt, dem SAT1-Frühstücksfernsehen, und zu "Guten Morgen Deutschland" von RTL zusammenschmolz. Das ist glück­licherweise schon eine Weile her. Platz eins zu halten, das kennen nicht nur Fußballfans, ist anspruchsvoller als ihn zu erobern. Unser "moma"- Team weiß das.

Fernsehgeschichte schrieben die Livereportagen des "moma" aus dem Dschungel in Panama, aus der Antarktis und aus Peking. "Frühstücks­fernsehen muss live sein!", sagte WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn zum 20. Geburtstag – warum ist das so?

Weil morgens alles frisch sein muss. Die Brötchen, der Kaffee – und das Fernsehen. Knackig und kross heißt bei uns: live. Aber es ist auch selbstverständlicher geworden. Und beweglicher, smarter. Früher donnerte ein großer Ü-Wagen durch die Republik. Live via Satellit am Morgen, das hatte anfangs noch was Besonderes, fast Weihevolles. Und die "moma"-Live-Expeditionen, ob in den Himalaya oder auf Autobahn­baustellen, waren ein tolles, manchmal spektakuläres Markenzeichen. Heute gibt’s den fünf Kilo leichten Ü-Rucksack, mit dem man in HD übers Handynetz live schaltet. Auch mit dem Smartphone geht das inzwischen.

Die Idee zum "moma" wurde geboren aus der Resonanz auf die mor­gendliche Sonderberichterstattung zum Golfkrieg und zum Putsch in der Sowjetunion 1991. An Krisen mangelt es auch heute nicht – sind die ein Quotengarant?

Irgendwie schon noch. Wenn es irgendwo knallt oder kriselt, ob in der Türkei, ob beim Brexit oder beim nächtlichen US-Angriff auf Syrien, dann sind wir vom "moma" – als Teil der ARD – ein sicherer Infohafen. Aber auch an ganz normalen Tagen, wenn wir Kompliziertes einordnen und die Alltagsprobleme der Menschen in den Vordergrund rücken, erleben wir ein starkes Zuschauerinteresse mit Spitzenquoten. Das hat sich verändert. Gewachsen ist auch das Bedürfnis der Zuschauer nach Erklärung und Sortierung in unübersichtlichen, unruhigen Zeiten. Fakten ins Töpfchen, Fakes ins Kröpfchen, das ist eine Aufgabe. Fakten durchleuchten und sie zu sortieren, eine andere. Auch unsere Erfolgs­rubrik "moma-reporter" hat oft diese Funktion: die Welt ein bisschen verständlicher zu machen.

Ein Artikel aus WDR print von Christine Schilha