Mother's Finest live in der Rockpalast Rocknacht 1978.

In ganz Europa Kult

Stand: 19.07.2017, 14:30 Uhr

Schweiß, Adrenalin, Leidenschaft, Kult – U2, The Police, David Bowie, die Red Hot Chili Peppers und viele andere. In der Nacht vom 23. auf den 24. Juli 1977 fand die erste der berühmten europaweit ausgestrahlten "Rockpalast"-Nächte in der Essener Grugahalle statt.

Von Christoph Pierschke

"I've lost my mind in Essen", sagt Patti Smith abgedreht grinsend ins Mikro eines ziemlich verdutzten Alan Bangs. So unmöglich ein Interview mit der offensichtlich ordentlich zugedröhnten New Yorker Punk-Ikone bei der 3. "Rockpalast"-Nacht 1979 auch war – als Titel für Oliver Schwabes Doku über 40 Jahre "Rockpalast" passt Smith' Statement hervorragend. Schließlich war Patti Smith nicht die einzige Musikerin, die zu einem normalen Interview nicht mehr fähig war, wie Alan Bangs sich in Schwabes Film erinnert. John Cale musste gar in einem Schrank zum Gespräch gestellt werden.

Blauäugig, enthusiastisch und ahnungslos

Vor 40 Jahren, am 23. Juli 1977, ging die erste Rocknacht mit Rory Gallagher, Little Feat und Roger McGuinn aus der Gruga-Halle in Essen über den Sender. Und es war irgendwie auch ein Stück Fernsehgeschichte, das per Eurovision in vielen europäischen Ländern live bis in die frühen Morgenstunden zu sehen war. "Wir waren blauäugig, enthusiastisch und hatten technisch keine Ahnung", erinnerte sich der langjährige "Rockpalast"-Chef Peter Rüchel im Interview mit WDR print. Die Zuschauer bekamen nicht nur die Auftritte der Bands live zu sehen, sondern ebenso ungekürzt die Umbaupausen. "Den Moderatoren ging der Stoff zum Moderieren aus. Irgendwann gab es eine Einstellung, da sah man nur einen leeren Flur."

Die legendäre erste "Rockpalast"-Nacht wird zum Jubiläum noch einmal zu sehen sein – allerdings nicht in voller Länge, wie Peter Sommer betont, der 2003 die Redaktionsleitung von Peter Rüchel übernommen hat. "Das sind Sachen, die kannst du in der Wiederholung einfach nicht mehr zeigen. Wir haben 50 Minuten von 290 rausgenommen. Und da ist kein Ton Musik dabei: Reporter ringen um Worte, sie ringen um Englisch."

Konzert-Parties vor Radio und Fernseher

Neben den heutigen und einstigen Machern des "Rockpalasts" kommen in Oliver Schwabes Doku (Redaktion: Adrian Lehnigk) aber auch viele Musiker selbst zu Wort. "Es ging um Unaustauschbares, das man etwas macht, was sich sonst keiner traut“, schwärmt etwa BAP-Frontmann Wolfgang Niedecken von den Anfängen des Rockpalasts. Erste Gehversuche hatte es bereits 1974 gegeben. Seitdem brachte der WDR große Bands und Nachwuchstalente ins Fernsehen und später auch ins Netz. Rammstein, Die Toten Hosen, BAP, Metallica, R.E.M. und viele andere waren Gäste auf den Bühnen des Rockpalasts. Aus dem Befreiungsschlag der Rockfans wurde eine Institution mit festem wöchentlichen Sendeplatz und zusätzlichen Events und Sendungen.

Sting, The Police im Rockpalast 1980

Sting, The Police im Rockpalast 1980

Die "Rockpalast"-Nächte wurden in den Eurovisionsländern zeitgleich in Radio und Fernsehen übertragen und waren schnell in ganz Europa Kult: Man feierte eine Party und nahm das Konzert auf Tonband auf, um es sich später wieder anzuhören. Das Archiv des "Rockpalasts" ist eine wahre Fundgrube: Hunderte Konzerte dokumentieren die Entwicklung der internationalen Populärmusik seit den Siebzigerjahren: von The Who zu Kraftklub und von ZZ TOP zu den Foo Fighters. Und mittlerweile gehören die Übertragungen der Sommerfestivals genauso zum Programm wie die Aufzeichnungen ausgewählter Einzelkonzerte oder das Klubfestival "Crossroads".

"Rockpalast"-Nacht im WDR Fernsehen

Das WDR Fernsehen widmet dem Rockpalast vom 28. auf den 29. Juli von 23.30 bis 7.20 Uhr eine Nacht mit einer 60-Minuten-Fassung der Dokumentation, einem "Best of" aus 40 Jahren und der Wiederholung der ersten Rocknacht vom Juli 1977.

Auch ONE zeigt ab dem 24. Juli verschiedene "Rockpalast"-Konzerte. Darüber hinaus entstehen vier umfangreiche Online-Multimedia-Reportagen.