VR, Sensorjournalismus, Wahl – So präsentierte sich der WDR auf der re:publica

Stand: 11.05.2017, 10:26 Uhr

9.000 Besucher, knapp 1.000 Sprecher aus 60 Ländern und mittendrin: der WDR. Bei der wohl wichtigsten Konferenz für die digitale Gesellschaft in Deutschland re:publica hat der Westdeutsche Rundfunk seine neusten Innovationen vorgestellt. Alle Eindrücke.

Eine Schlange bildet sich vor einem WDR-Stand im sogenannten Labore:tory, einer speziellen Fläche für Zukunftsprojekte wie Virtual Reality auf der re:publica. An allen drei Tagen der Digitalkonferenz zeigt hier die "Hier und heute"-Redaktion ihre 360°-Doku "Inside Auschwitz". Besucherinnen und Besucher können mithilfe von VR-Brillen und Kopfhörern in die Geschichte eintauchen und sind beim Abnehmen der Brille baff: "Die Story ist total bedrückend", sagt ein Besucher, "gleichzeitig finde ich die Technik beeindruckend." Andere finden es spannend, einen "ganz anderen Blickwinkel" aufgezeigt zu bekommen und sich während der Dokumentation umzusehen: "Es ist interessant, selbst zu entscheiden, wo gucke ich jetzt hin. Die Geschichte wird so nahbar, so echt."

WDR-Redakteurin Dorothee Pitz freut sich über das positive Feedback zu dem Projekt. Im Rahmen des Workshops "Wer verstehen will, muss fühlen – Was Virtual Reality besser kann" gab sie zusammen mit Lisa Weitemeier, Stefan Domke ("Der Dom in 360° und VR") Einblicke in die aktuellen VR-Projekte des WDR. Die Macherinnen und Macher erzählten von Hintergründen und dem Aufwand bei der Produktion, teilten aber auch Erfahrungen im Umgang mit Herausforderungen. Das Credo von Pitz: "Geschichten mit Hilfe von neuen Technologien besser erzählen können."

Ähnlich ging es Lisa Weitemeier und Stefan Domke. Mit dem bislang größten Virtual-Reality-Projekt des WDR "Der Dom in 360° und VR" zeigen die beiden das Kölner Weltkulturerbe aus außergewöhnlichen Perspektiven. Domke und Weitemeier möchten, dass Nutzerinnen und Nutzer sich selbst auf eine Reise begeben, um den Kölner Dom aus unterschiedlichen Perspektiven und in unterschiedlichen Epochen zu erleben. "Man sieht den Dom jeden Tag, soll ihn aber erleben wie noch nie zuvor", sagt Domke. Viele Zuhörerinnen und Zuhörer des Workshops nutzen die Chance, um die WDR VR-App gleich auszuprobieren.

Das konnten Besucherinnen und Besucher auch während ihrer Pausen in der Haupthalle am gemeinsamen Stand des WDR mit dem rbb. Mit Hilfe der HTC-Vive und VR-Brillen konnten sie beispielsweise während eines Chorkonzerts durch den Dom schweben oder die Bildhauerwerkstatt besuchen und sich darin frei bewegen. Zusätzlich ermöglicht es das aufwändige VR-Projekt, den Dom in unterschiedlichen Epochen zu bewundern. Die Reaktionen waren durchweg positiv: Viele nennen das Projekt "sensationell". Ebenfalls auf dem Stand vertreten: der Kandidatencheck. Besucherinnen und Besucher erhielten die Möglichkeit, sich am Stand in die gleiche Stresssituation wie die Politiker zu begeben: In vorgegebener Zeit müssen sie Fragen beantworten, während sie dabei gefilmt werden. Auch WDR-Intendant Tom Buhrow stellte sich der Situation, als er die re:publica besuchte.

Auf positive Resonanz stieß auch das neue Projekt "Türkei unzensiert" von Cosmo. Am Montagnachmittag kamen Schiwa Schlei und Erkan Arikan von Cosmo ins Gespräch mit Besuchern und dem türkischen Journalisten Bülent Mumay zur Entstehungsgeschichte und den Zielen der Plattform, die Journalisten aus der Türkei und Journalisten, die über die Türkei berichten, eine Stimme geben soll. Für Schley ist das "ein wichtiger Beitrag zur Erfüllung des Programmauftrags".

Diesem Auftrag will auch WDRforyou, das Online-Angebot des WDR für Flüchtlinge, nachkommen. Janina Werner und Falah Elias präsentierten am Mittwochnachmittag ihre Erfahrungen aus der mittlerweile mehr als einjährigen Projektarbeit unter dem Titel "Berichterstattung für Flüchtlinge: Do‘s and Don‘ts". Herausforderungen, Fragen und Erkenntnisse haben die Macher mit den Zuhörerinnen und Zuhörern geteilt, und da ein Großteil des Publikums auch einen Hintergrund in der Arbeit mit Flüchtlingen hatte, kam ein reger Austausch zustande. "Schön zu sehen, dass unser Projekt gut bei den Leuten ankommt und dass die Menschen bereits eine gewisse Verbindung zu der Thematik mitgebracht haben", freut sich Janina Werner.​

Thomas Hallet, Leiter des WDR Innovation Lab, und das Team des crossmedialen Projekts "Superkühe" stellten am Dienstagabend ihre Idee vor. Das Ziel: Zeigen wie die Milch gemacht wird, die Deutsche Tag für Tag trinken. Doch wird dafür keine klassische Dokumentation gedreht, sondern drei Kühe von unterschiedlichen Bauernhöfen in Deutschland zum Sprechen gebracht. Damit startet der WDR ab 4. September ein wohl einzigartiges Projekt im Bereich des Sensorjournalismus. Messdaten der Kühe werden zu Texten verarbeitet, Nutzerinnen und Nutzer haben die Möglichkeit per Chatbot herauszufinden, wies es den Kühen geht oder sogar bei der Geburt ihrer Kälber dabei zu sein. Damit finde das Projekt einen anderen Zugang zu Themen und auch einen neuen Weg, um den Bildungsauftrag zu erfüllen.

Nach drei Tagen und vielen Gesprächen zieht Dorothe Pitz ein positives Fazit: "Der Austausch mit den Usern hat uns berührt und bereichert, aber auch der Kontakt zu möglichen Partnern aus dem Bildungsbereich hat spannende Anknüpfungspunkte für unsere Arbeit geliefert. Wir sind gespannt, was sich daraus entwickelt."

Echter Publikumsmagnet war die Maus, die sich für die re:publica extra eine VR-Brille aufgesetzt hat und damit zum Liebling in den sozialen Netzen wurde.