WDR 5-Tramp-Aktion mit Ralph Erdenberger

"Fremde erzählen sich ihr Leben"

Stand: 24.08.2016, 12:19 Uhr

WDR5-Moderator Ralph Erdenberger trampt einmal im Jahr durch NRW - fürs Radio. Seine Aufgabe: Innerhalb einer „Neugier genügt“-Sendezeit ein Ziel erreichen.  

Von Susanne Hagen

Wie ist die Idee zur Reihe "Reporter zum Mitnehmen" entstanden?

Ralph Erdenberger: "Ich habe vor vier Jahren gewettet, dass Trampen auch im Zeitalter von Mitfahrzentralen und Internet immer noch funktioniert.

Daraufhin hat mich die Redaktion von 'Neugier genügt' auf einer Raststätte an der A3 ausgesetzt - wie einen armen Hund in den Sommerferien. In zwei Stunden musste ich zurück ins Studio finden. Das hat geklappt! Seitdem versuchen es die lieben Kollegen immer wieder."

Warum machen Sie das so gerne - Sie könnten ja auch vom Studio aus moderieren?

Ralph Erdenberger: "Ich finde, wir Journalisten sitzen schon zu häufig im Studio oder verfolgen vom Büro aus Agenturen. Unser Land NRW hat so viel medial unentdeckte Orte: So kommt es übrigens zu Routen wie von 'Kippekofen' nach 'Paffendorf' oder von 'Mausbach' nach 'Katzem'.

Unterwegs treffe ich auf Menschen, die mir oft erzählen, was sie bewegt. Schön, wenn Sie mich dabei auch bewegen. Das Spannendste dabei: eingefahrene Wege zu verlassen. Dann zeigt das Leben überraschend, was es kann."

Wie lernen Sie Land und Leute beim Trampen kennen?

Ralph Erdenberger: "Es ist, wie Tom Hanks im Film 'Forrest Gump' über die Pralinenschachtel sagt: Man weiß nie, was man kriegt. In meinem Fall: Wer nimmt mich mit, wo werde ich landen und was wird passieren? Oft habe ich erlebt, dass die Begegnungen dann nicht nur herzlich, sondern in kurzer Zeit auch überraschend tief sind.

Eine gelernte Krankenschwester hat mir zum Beispiel nach wenigen Minuten erzählt, wie sie ihren blinden und dementen Vater betreut und jetzt doch schweren Herzens ins Heim gebracht hat. Trotz des Mikrofons tritt manchmal der Effekt ein, den man früher in Zugabteilen erleben konnte. Fremde erzählen sich ihr Leben und steigen dann wieder aus."

Was war Ihr bemerkenswertestes Erlebnis?

Ralph Erdenberger: "In diesem Jahr bin mit einem Sachverständigen für Hagelschlag in der Listertalsperre baden gegangen. Mitten im Sauerländer See hat der Versicherungsvertreter dann gesagt: Wenn mein Chef jetzt wüsste, wo ich bin. Da habe ich geschmunzelt: Mein Chef weiß das. Und alle WDR5-Hörer auch!

Ungeschlagen bleibt aber der Bestatter, der mich hinter dem Kölner Dom abgeholt hat und nach Rom im Sauerland bringen wollte. Als ich ihn fragte, ob er seinen Beruf schon sein Leben lang ausübt, hat er geantwortet: 'Nö, ich bin dazu gekommen, wie der Teufel zum Weihwasser'. Früher sei er Metzgermeister gewesen."

War Ihnen mal mulmig im Auto? 

Ralph Erdenberger: "Einmal habe ich überlegt, ob ich einsteigen soll: Der junge Mann im weißen Feinripp-Unterhemd hatte sich den Tod auf den muskulösen Oberarm tätowiert. Pikanterweise war er Altenpfleger und gerade auf dem Weg zu einer Kundin. Seine nette Art hat mir aber dann doch Vertrauen eingeflößt. Und schließlich bin ich ja immer mit der Welt verbunden - über mein Mikrofon und ein kleines mobiles Sendegerät."

Wie beeinflusst das Radio den Verlauf des Trampens? 

Ralph Erdenberger: "Enorm. Teilweise haben mich WDR5-Hörer gehört, gesucht und ihre geplanten Wege dafür verändert. Vor dem Folkwang-Museum in Essen sind sogar drei Autos hintereinander vorgefahren, einer davon ein Taxifahrer, der mich gratis befördern wollte. Da hatte ich die Qual der Wahl!

Das ist natürlich toll, dass die Hörer das für WDR5 machen. Zur Motivation sagen sie oft: 'Ich höre Sie oft, jetzt wollte ich Sie mal persönlich kennenlernen. Aber eigentlich habe ich Sie mir ganz anders vorgestellt!"

Sind sie eigentlich immer am Ziel angekommen? 

Ralph Erdenberger: "Nicht immer. In diesem Jahr bin ich sogar einmal im Kreis gefahren. Jungs wollten mich Richtung Süden mitnehmen und hatten dann doch etwas zuhause vergessen. So habe ich in zwei Stunden schlappe drei Kilometer zurückgelegt. Aber auch in diesem Fall galt: Der Weg war das Ziel - und die Geschichten am Wegesrand!"