Die Arena Auf Schalke

"Mein Verein": Fünf NRW-Bundesligisten und ihre Fans im Porträt

Stand: 31.07.2017, 14:17 Uhr

Nirgendwo in Deutschland gibt es eine so hohe Dichte an Fußballvereinen und ihren Fans, deren Zuspruch ungebrochen ist, auch wenn die zunehmende Kommerzialisierung des Fußballs beklagt wird. Die Rivalität zwischen den Klubs ist hoch – vor allem zwischen den fünf Bundesligisten aus Nordrhein-Westfalen. Was ist das Besondere des jeweiligen Vereins, das die Fans jede Saison aufs Neue auf eine Achterbahnfahrt der Gefühle schickt? Dazu blicken fünf WDR-Autoren in jeweils 45 Minuten tief in die Welt von Borussia Dortmund, Borussia Mönchengladbach, 1. FC Köln, FC Schalke 04 und Bayer 04 Leverkusen.
Allen Vereinen wird die "Vertrauensfrage" gestellt: Was ist tatsächlich dran an den Werbesprüchen und dem Verweis auf besondere Tradition, Identifikation und die jeweilige regionale Verbundenheit? Mit einem offenen, kritischen und ab und an durchaus ironischen Blick begleiten die WDR-Autoren die Fans und Verantwortlichen, sprechen mit glühenden Anhängern und Zweiflern, früheren Spielern und Trainern sowie sogenannten "Kultfiguren".

Etwas Besonderes stellt die Geschichte des 1904 im "Industriedorf Schalke" gegründeten FC Schalke 04 dar: Für viele S04-Fans ist es die Geschichte des Zusammenhalts von "Tausenden von Freunden", ein Zusammenhalt, der letztendlich aus dem Bergbau stammt, als die Arbeiter gemeinsam unter Tage die Kohle rauskratzen mussten, berichtet WDR-Autor Frank Diederichs. Doch die Hochzeit des Bergbaus liegt viele Jahrzehnte zurück, und heute verdienen die Fußball-Stars nicht nur bei Schalke viele Millionen Euro im Jahr und wechseln für noch mehr Millionen weltweit die Vereine und Ligen. Trotzdem fühlen sich viele Schalker Vereinsmitglieder als Teil eines großen Ganzen und keinesfalls als "Gäste" oder gar "Kunden" eines umsatzorientierten Fußballsportanbieters. "Mich hat sehr die Beharrlichkeit der Fans, über Stunden bei der Mitgliederversammlung auszuharren, beeindruckt. Wer schon mal auf der Mitgliederversammlung eines Vereins war, weiß, wie lange das unter Umständen dauern kann", sagt Amelie Herberg, WDR-Redakteurin des Films.

Bayer 04 Leverkusen nennt sich "Die Werkself", auch wenn Spieler wie Karim Bellarabi oder Stefan Kießling vor oder nach dem Training nicht im "Werk" arbeiten. Aber: Fußball und Konzern sind in Leverkusen untrennbar miteinander verknüpft, sagt WDR-Autor Florian Riesewieck. "Schließlich hat der Klub als Betriebssportgruppe angefangen und ist bis heute als Bayer 04 Fußball GmbH eine hundertprozentige Tochter der Bayer AG – mit allen finanziellen Vorteilen, aber auch Risiken und Nebenwirkungen." Florian Riesewieck hat für sein Porträt auch mit den vielleicht letzten echten Werksfußballern aus der Aufstiegsmannschaft von 1979 gesprochen. "Fünf Spieler gingen damals noch neben dem Training zur Arbeit ins Werk – mal mehr, mal weniger ernsthaft. Für den damaligen Defensivspezialisten Klaus Bruckmann zum Beispiel war der Nebenjob bei Bayer ein Grund nach Leverkusen zu wechseln, weil er eine Sicherheit für die Karriere nach der Karriere darstellte. Tja, das war noch eine andere Zeit."

Marc Schlömer porträtierte den zweitgrößten Klub Deutschlands: Borussia Dortmund. Der BVB, der sich als Arbeiterverein versteht, hat die Herausforderung, "den Spagat zwischen Borsigplatz und Shanghai" zu schaffen, sagt Schlömer. "Einerseits will man im Milliardenspiel Champions-League mithalten, weswegen neue Märkte in Asien erschlossen werden sollen. Und andererseits will man die Identifikation zur eigenen Heimat nicht verlieren, wo es in manchen Stadtteilen Arbeitslosenquoten von über 20 Prozent gibt." Die Fans sind, so Schlömer weiter, "nicht etwa blind vor - in Anlehnung an den Marketingslogan – ‚Echter Liebe‘, sondern setzen sich auch sehr kritisch mit dem Verein und der stellenweise irrsinnigen Kommerzialisierung des Fußballs auseinander."

Am 27. August ging es um Borussia Mönchengladbach. Den niederrheinischen Traditionsverein hat WDR-Autor Andreas Kramer als sehr bodenständig erlebt. Nach dem Abstieg und "Fast-Kollaps" im Jahr 1999 sei bei der Borussia nach wie vor "eine gewisse Demut wahrzunehmen. Das empfinde ich persönlich als sehr angenehm in diesen extrem überhitzten Zeiten innerhalb einer bisweilen extrem abgehobenen Fußball-Unterhaltungsindustrie." Sein Film zeigt unter anderem den besonderen Fan Hans-Willi Boox, auf der Sitzplatz-Tribüne bekannt als der "Läufer". Zwischen den Sitzen spult der stets adrett gekleidete Familienvater während eines Spiels bis zu fünf Kilometer ab. Kramer: "Das wird geduldet, birgt bisweilen Konfrontationen, aber vor allem hohe Anerkennung in der Fanszene. Wir haben Hans-Willi verkabelt und über 90 Minuten am letzten Spieltag der vergangenen Saison begleitet. Das ist sehr ergreifend. Und teilweise obskur."

Den Abschluss der Reihe bildet am 3. September der Film über den 1. FC Köln. "Der Verein kommt aus Köln, ist Teil der kölschen Kultur und auch der kölschen DNA. Vom Kölschen Klüngel über die Hurra-Mentalität bis zum kölschen Größenwahn findet sich alles, was man an Köln, seinen Bürgern und Vereinen gut oder schlecht finden kann auch beim FC wieder. Die Deckung von Stadt und Verein liegt fast bei hundert Prozent", beschreibt Autor Felix Becker. Die Begeisterung für den FC ist derart groß, dass sich kein zweiter Fußballverein aus dem FC-Schatten lösen konnte. In Berlin, Hamburg oder München ist das problemlos möglich, in Köln zum Leidwesen von Fortuna und Viktoria leider nicht. Becker: "Der Zuspruch der Fans beim FC ist antiproportional zum Erfolg. In der zweiten Liga, als viele die Sorge hatten, die Fans würden dem Verein die Treue brechen, waren die Fans für ihren Verein da und haben ihn unterstützt."