Jessy Wellmer vor dem Sportschau-Schriftzug

„Ich habe Respekt vor der Magie der ‚Sportschau‘“

Stand: 14.08.2017, 10:07 Uhr

Am Samstag moderiert Jessy Wellmer zum ersten Mal die "Bundesliga-Sportschau". Sie war für das Erste bei Olympia, Euro- und Weltmeisterschaften. Nun wird sie nach Monica Lierhaus die zweite Frau, die den Deutschen in der Sportschau am Samstag die Bundesliga präsentiert. Im Interview erläutert Jessy Wellmer ihre Haltung zum Fußball und warum sie selbst Sportarten ohne Gegnerkontakt ausführt.

Am 19. August moderieren Sie zum ersten Mal eine Bundesliga-Sportschau. Wissen Sie schon, wie Sie die Zuschauer begrüßen werden?

Hallo zur Sportschau!

Sind Sie nervös?

Na, klar, ein bisschen schon. Und das wird sich sicher noch steigern. Ich starte ja gleich am ersten Spieltag. Es sind aber gar nicht so sehr die 5,5 Millionen Zuschauer, die mich nervös machen. Ich kann mir diese Zahl gar nicht vorstellen. Ich habe eher Respekt vor der Magie der Sportschau. Sie gehört ja praktisch zum Kulturerbe unseres Landes.

Sie präsentieren als zweite Frau nach Monica Lierhaus die Spiele der Fußball-Bundesliga. Was bedeutet das für Sie?

Als Monica Lierhaus anfing, war sie eine von wenigen Frauen im Sport-Fernsehen. Das war eine ganz andere Situation als heute. Ich habe größten Respekt vor ihren Leistungen. Heute stehen überall Frauen am Spielfeldrand oder in den Studios. Ich begreife mich als eine von vielen, nicht als die Nummer Zwei nach Monica. Wir sind bei der ARD viele gute Frauen und Männer. Der Anteil starker Frauen ist hoch, und er steigt weiter.

Wie würden Sie Ihren persönlichen Stil als Journalistin und Moderatorin beschreiben?

Ich bemühe mich darum, eine andere, kleine Geschichte zu erzählen – statt nur drei Zahlen zu verpacken. Ich versuche, einigermaßen variantenreich mit Sprache umzugehen, eine Erzählhaltung zu haben und auch mit Ironie oder Sarkasmus zu spielen – etwa, um Distanz und Nähe auszubalancieren. Und ich versuche, die künstliche Situation zu überwinden. Am besten man spricht den Zuschauer persönlich an, als stünde man wirklich in einem Wohnzimmer und nicht in der perfekten Künstlichkeit eines Fernsehstudios. Wenn‘s gut geht, kommt das auch beim Zuschauer an.

Sie sind in einer sportlichen Familie aufgewachsen. Volleyball, Tennis und vor allem Leichtathletik waren Ihre Sportarten. Warum nie Fußball?

Die Begeisterung für den Sport bringe ich von zu Hause mit, weil ich aus einer Sportlehrer-Familie komme. Ich bin praktisch in Turnhallen und auf Tartanbahnen groß geworden. Im Sprint und Weitsprung war ich gar nicht schlecht. Ich stand an der Grenze zum Leistungssport. Es hat aber nicht ganz gereicht. Dafür bin ich einfach auch zu gern Jugendliche gewesen. Ich habe nie im Verein Fußball gespielt. Das war damals für Mädchen in meiner Mecklenburger Heimat auch gar nicht angesagt. Aber ich habe natürlich jede Menge Fußball gesehen. Und dann habe ich mir von ein paar Profis die Dinge erklären lassen, die eben vor allem die Profis wissen. Ich habe ein Gefühl für den Sport. Und das ist mir wichtig. Und mein Herz schlägt immer noch für den FC Hansa.

Was wäre Ihre Position gewesen beim Fußball?

Ich glaube, ich wäre Verteidigerin geworden. Ich grätsche gerne dazwischen - und wäre wohl auch mal gelb-rot gefährdet! Ich habe eher Sportarten ohne Gegnerkontakt gemacht, vielleicht ist das auch gut so ...

Sechs Partien wird es am 19. August geben, unter anderem spielt Pokalsieger Borussia Dortmund beim VfL Wolfsburg. Was erwarten Sie von der kommenden Saison?

Jede neue Saison ist ja eine fantastische Wundertüte. Und da gucken wir am ersten Spieltag gleich ganz tief rein: Klappt es bei Dortmund unter dem neuen Trainer? Kriegen die Wolfsburger nach der verkorksten Saison die Kurve? Es gibt so viele spannende Fragen: Gibt‘s beim HSV vielleicht mal etwas weniger Drama und dafür mehr Punkte? Kann Leipzig noch stärker werden? Bleibt der FC so stark?

Der Profi-Fußball hat sich verändert in den letzten Jahren. Oft wird mit Blick auf die großen Geldsummen, die bewegt werden, eine zunehmende stärkere Kommerzialisierung der Vereine kritisiert. Was fasziniert die Fans Ihrer Meinung nach trotzdem bis heute an der Bundesliga?

Es reizt mich der Sport, wie wir ihn auf dem Platz sehen. Es ist die Faszination der großen und kleinen Wettkämpfe, der Siege und Niederlagen. Fußball ist ja deswegen kommerziell so interessant, weil er diesen großen Zauber besitzt. Und ich glaube, dass der Sport selbst so stark ist, dass ihn auch die geldgeilsten Funktionäre nicht kleinkriegen. Übrigens ist es deswegen auch wichtig, dass Sport weiter ein öffentlicher Bereich bleibt, in dem unabhängig berichtet werden kann, und nicht ein durchgestyltes Event, in dem Konzerne alles kontrollieren – von der Schuhmarke bis zur Berichterstattung.

Was finden Sie derzeit besonders spannend am Fußball?

"Manch einer definiert die Bundesligasaison ja nur über die Meisterschaft. So eng will ich es nicht sehen – auch wenn auch ich mir in Deutschland echte Bayernkonkurrenz wünsche. Ich finde es super, wenn sich ein Verein wie Mainz gut in der ersten Liga hält, mit den Mitteln, die er zur Verfügung hat. Es gefällt mir, wenn Traditionsvereine mit einem mittleren Budget nicht verschwinden. Eine Saison ist aber auch geprägt von großen Duellen um die Champions-League-Plätze, oder vom Kampf gegen den Abstieg, der gerade in den vergangenen Jahren die Fans in Atem gehalten hat. Auf all diese großen kraftraubenden, leidenschaftlichen und mitreißenden Spiele freue ich mich. Das macht den Fußball für mich aus."

WDR Presse und Information