Die Ruhrkanaker

Für Kinderspielplätze zu alt, für Jugendzentren zu jung. Auf ihrer Suche nach Spaß und Abenteuer eckte eine Straßenclique aus Mülheim an der Ruhr immer wieder an. 1992 gaben sie sich den Namen "Die Ruhrkanaker". Aus ihrem Frust wurd kreatives Engagement gegen Rassismus und Gewalt.

"Die Ruhrkanaker", die von deutschen, türkischen, finnischen, tamilischen, belgischen, bosnischen, marokkanischen Eltern abstammten und in Mülheim an der Ruhr aufwuchsen, fanden viele Formen, sich zu engagieren: sie nahmen an Demonstrationen teil, entwarfen Plakate und Aufkleber gegen Fremdenhass, sie beteiligten sich an Projekten wie "Schule ohne Rassismus" und dachten sich Spiele aus, die ein friedvolles Miteinander fördern.

Und "Die Ruhrkanaker" schrieben Bücher: 1993 entstand beispielsweise aus der Betroffenheit über die Vorgänge in Mölln und Solingen das Buch "Was ist nur los in Feuerland". Zusammen mit dem Zeichner Klaus D. Schiemann erzählen sie darin eine Parabel (nicht nur) für Kinder.

Unterstützung bei ihren Aktivitäten erhielten sie von SOS-Rassismus-NRW und dem Jugendzentrum TEMPEL in Duisburg.

Gibt es die Ruhrkanaker noch?

"Ja," schreibt Ralf-Erik Posselt 2014 in einer E-Mail, "die Ruhrkanaker gibt es noch, wenn auch über die Kontinente verstreut und zwischenzeitlich nur noch als loser Freundeskreis. Immerhin haben sie im 2012 gemeinsam das Buch "Die schärfsten Rätsel aus dem Orient für 1001 Nacht" entwickelt und herausgegeben."

Begründung der Jury 1996 für den ersten Preisträger

Der erste WDR Kinderrechtepreis geht an diese Gruppe, weil sie die UN-Konvention für die Rechte des Kindes in vielerlei Hinsicht in vorbildlicher Weise umsetzt. Die "Ruhrkanaker" haben ihre Rechte genommen - das Recht auf eigene Kultur, auf Selbstbestimmung, das Recht auf Perspektiven für die Zukunft, das Recht auf eigenes Handeln und darauf, ernst genommen zu werden.

Sie haben mit ihrer Arbeit außerdem die Akzeptanz anderer Kulturen gefördert und sich gegen Rassismus eingesetzt - und das auf außergewöhnlich originelle Weise. Die "Ruhrkanaker" haben sich als Gruppe zusammengefunden und ihren Frust in sinnvolles Handeln umgesetzt. Sie haben sich ihre Rechte im Alltag erkämpft - gegen Widerstände und Hindernisse, die ihnen zunächst schwierige Lebenssituationen entgegengesetzt haben. Das ist praktizierte Partizipation.

Die Gruppe hat die Rolle der Opfer von Problemlagen und die Gewaltbereitschaft abgelegt und statt dessen die Rolle von aktiv handelnden Bürgern übernommen, die konsequent für ihre Rechte eintreten. Mit einem deutlich spürbaren Selbstbewusstsein geht die Gruppe auch auf andere zu und gibt ihre guten Erfahrungen weiter. Es wird sichtbar, wie den Mängeln heutiger Lebensbedingungen politisch verantwortlich entgegengearbeitet werden kann.