Montage mit Mann, der mit einem Fernglas durch eine Jalousie hindurch einen braunen Hintergrund mit kryptischem Text beobachtet

Wie Rechtsextreme das Internet nutzen

Nazis im Netz: Freundliche Vatis und bunte Videos

Stand: 09.01.2012, 06:00 Uhr

Rechtsextreme nutzen das Internet, um rassistische Hetze und neonazistische Propaganda zu verbreiten - häufig in harmlos erscheinender Verpackung. Können Hackerangriffe wie zum Jahreswechsel helfen, diese Entwicklung zu stoppen?

Von Nina Magoley

Rund 1.000 von Deutschen betriebene rechtsextremistische Homepages zählte der Verfassungsschutz Ende 2010, die staatliche Organisation "jugendschutz.net" kam sogar auf mehr als 1.800. "Das Internet ist für Rechtsextreme mittlerweile die wichtigste Propagandaplattform", sagt Stefan Glaser, Leiter des Referats Rechtsextremismus bei jugendschutz.net. "Menschenverachtende, rassistische und demokratiefeindliche Inhalte können hier rasend schnell verbreitet werden." Über einschlägige Homepages würden Veranstaltungen und Kampagnen vorbereitet, und immer häufiger begegnen den Jugendschützern beim Durchforsten des Internets professionell gemachte Videos als Träger rechtsextremer Botschaften.

Eine Fahne mit der NPD wird in Dortmund bei einer Demonstration verschiedener rechter Gruppierungen geschwenkt

Anders als auf der Straße: Subtile Botschaften im Netz

Dass es sich dabei um Nazipropaganda handelt, falle oft auf den ersten Blick gar nicht auf. "Die Clips verzichten auf Bezüge zum Nationalsozialismus und verbreiten stattdessen unterschwellig rassistische und demokratiefeindliche Propaganda", sagt Glaser. In schnellen Schnitten, untermalt mit Pop- oder Rockmusik, sehe man dort jugendliche Identifikationsfiguren, die ihre Botschaften offenbar sympathisch übermitteln sollen. Themen seien meist Arbeitslosigkeit, Kinderarmut oder Missbrauch. Wichtigste Zielgruppe solcher Einträge seien Heranwachsende.

"Nette, freundliche Familienväter"

"Über das Internet können Rechtsextremisten mögliche Sympathisanten einfach und niederschwellig erreichen, vor allem solche Leute, die in ihrem sonstigen Leben nicht mit Rechtsextremisten in Kontakt kommen", sagt auch Simone Rafael von der Antonio-Amadeu-Stiftung. Sie betreut dort das Projekt "Netz-gegen-Nazis.de". Vor allem die sozialen Netzwerke - wie Facebook, YouTube oder Twitter - hätten die Rechtsextremisten offenbar als ideales Instrument für ihre Zwecke entdeckt. Mehr als 6.000 Einträge auf solchen Plattformen zählte die Berliner Initiative im vergangenen Jahr, "und wir gehen davon aus, dass das nur ein Bruchteil der realen Menge ist". Häufig gäben sich Rechtsextreme dort "als nette, freundliche Familienväter" aus, die dann in ihren Beiträgen subtil ideologische Themen anbrächten. "Das läuft oft höchst professionell."

Nazipropaganda als Hip-Hop-Video verpackt

Regelrechte Fleißarbeit rechtsextremer Teilnehmer beobachtet Rafael auch in Diskussionsforen. "Die Strategie ist, bestimmte Ansichten immer und immer wieder zu schreiben, sodass sich bei den Lesern eine Normalisierung dieses Gedankenguts einstellt." Wenn beispielsweise immer wieder behauptet wird, dass die meisten Straftaten in Deutschland von Migranten begangen würden, dann bleibe das bei vielen Lesern schließlich als Fakt hängen, ohne je überprüft worden zu sein.

Nazileaks: Hackerangriff kontrovers diskutiert

Für Diskussionen hat zum Jahreswechsel ein erneuter Hackerangriff von Aktivisten der Gruppe "Anonymous" auf diverse rechtsextremistische Seiten gesorgt. Unter dem Titel "Operation Blitzkrieg" veröffentlichten sie auf der Seite nazileaks.net Namen und Adressen unter anderem von NPD-Parteispendern, von Kunden rechtsextremer Online-Shops und von Abonnenten und Autoren ultrarechter Zeitungen wie der "Jungen Freiheit". Weitere Veröffentlichungen sollen folgen, wie Spiegel-Online am Sonntag berichtete (08.01.2012).

Der Datenklau wurde von vielen Akteuren gegen Rechts mit Genugtuung registriert. Er erntete aber auch Kritik: Sie verstehe zwar die Intention der Hacker, sagt Simone Rafael, und wenn die Homepage von einem der größten neonazistischen Internetportale dadurch über mehrere Tage lahmgelegt war, finde das durchaus ihre Sympathie. "Aber Namen und Daten Einzelner zu veröffentlichen, kann nicht die Antwort einer demokratischen Gesellschaft sein", sagt sie. Wenn umgekehrt Rechtsextreme von ihnen verhasste Personen mit Namen und Adresse im Internet veröffentlichen, "findet das auch keiner richtig".

Auch die erhoffte einschüchternde Wirkung auf Neonazis bleibt nach Rafaels Ansicht aus. "Natürlich macht so etwas die Szene nervös, dort ist man lieber konspirativ unterwegs", sagt sie, "aber längerfristige Effekte auf die Aktivitäten von Rechts wird das nicht haben." Der Deutsche Journalisten Verband (DJV) kritisierte gar die "schlechte Recherche" der Nazileaks-Macher, wonach in den Namenslisten auch Personen aufgeführt seien, die von der Zeitung "Junge Freiheit" als Autoren angefragt wurden, dort aber niemals etwas veröffentlicht hätten.

Deutsche Seiten vermeiden strafbare Ausdrücke

Gesichtssilouette vor Computercode mit Hakenkreuzen

Aufmerksame User gegen Rechte im Netz

Was lässt sich tun gegen die Ausbreitung rechten Gedankenguts im Netz? Den Betreibern der meisten deutschsprachigen Seiten sei mit juristischen Mitteln nicht beizukommen, sagt Simone Rafael. Zwar liegen fast zwei Drittel davon auf deutschen Servern, viele davon seien aber nicht strafrechtlich relevant. "Die Betreiber schaffen es, den Wortschatz auf diesen Seiten frei von strafbaren Ausdrücken und Aussagen zu halten." Unzulässige Darstellungen, wie die Leugnung des Holocausts oder offener Antisemitismus, würden subtil verpackt. Nach Angaben von jugendschutz.net enthielten im Jahr 2010 nur 15 Prozent der rechtsextremen Seiten strafbare Inhalte. Darunter waren wiederum zwei von dreien über das Ausland ins Netz eingestellt - und damit für die deutsche Justiz nicht erreichbar.

"Jede Auffälligkeit melden!"

Dennoch: "Jede Auffälligkeit an jugendschutz.net melden," empfiehlt Simone Rafael. Über ein Formular auf der Website könne man das auch anonym tun, ergänzt Stefan Glaser von jugendschutz.net. Dort werde jeder Hinweis geprüft, gegebenenfalls kontaktiere jugendschutz.net dann den entsprechenden Dienstanbieter. Deutsche Anbieter würden in der Regel sofort mit der Löschung unzulässiger Inhalte reagieren, "aber auch ausländische Provider oder Plattformen wie Facebook und YouTube entfernen nach Hinweisen von jugendschutz.net die betreffenden Angebote". Darüber arbeite die Initiative an einer Kooperation mit dem INACH-Netzwerk - International Network Against Cyber Hate - einem Zusammenschluss von Organisationen aus Europa, den USA und Kanada gegen Rassismus und Diskriminierung im Netz.

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