Das plant Rot-Grün - Teil 7

Wer soll das bezahlen?

Stand: 19.06.2012, 00:00 Uhr

Nach dem Wählen, Ernennen und Feiern dieser Tage beginnt jetzt das Alltagsgeschäft. Die alles entscheidende Größe beim Regieren wird für SPD und Grüne das Geld sein. Bei Mehreinnahmen setzt Rot-Grün auf den Bund und bleibt beim Sparen vage.

Von Sabine Tenta

Der Plan

Die konkreteste Summe, die bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags genannt wurde, war die strukturelle Einsparung von einer Milliarde Euro im Haushalt bis 2017 – doch ausgerechnet diese Zahl fand sich zunächst nicht im Vertrag. Sie wurde erst nach öffentlicher Kritik und vor der Abstimmung der Parteitage in den Vertrag aufgenommen. Der ist ansonsten eher eine Sammlung von groben Absichtserklärungen. Im Bereich Finanzen gibt es drei wichtige Teilbereiche: Einsparungen, Investitionen und Einnahmeverbesserungen. "Wir investieren in Kinder und Bildung, die wirtschaftliche und ökologische Erneuerung, handlungsfähige Kommunen, Familien und Inklusion", heißt es im knapp 200 Seiten starken Werk.

Diese Mehrausgaben sollen durch Einnahmeverbesserungen finanziert werden. Dabei setzt Rot-Grün in erster Linie auf den Bund bzw. Bundesratsinitiativen: Die Vermögenssteuer soll wieder eingeführt und der Spitzensteuersatz erhöht werden. Reiche Erben sollen durch eine Reform des Erbschaftsrechts stärker besteuert werden. Steuerflucht ins Ausland soll unterbunden werden und eine neue Finanztransaktionssteuer Geld in die öffentlichen Kassen spülen. Bei all diesen Vorschlägen ist NRW auf die Mitwirkung der anderen Länder und des Bunds angewiesen. In eigener Verantwortung kann das Land hingegen die Ausweitung der Betriebs- und Außenprüfungen durch die Finanzämter erreichen. Dafür soll Personal innerhalb der Finanzämter verlagert werden. Eine Maßnahme, die sich bereits in drei Jahren positiv im Landeshaushalt niederschlagen soll. Parallel wollen SPD und Grüne auf Bundesebene die Initiative ergreifen, dass entsprechende Steuermehreinnahmen auch dem jeweils prüfenden Bundesland zugutekommen. Länder, die nicht ausreichend prüfen, sollen bestraft werden.

Und das sind die Sparpläne: Alle Bereiche der öffentlichen Verwaltung sollen auf Einsparpotenziale abgeklopft werden. Das heißt im Politjargon "Aufgabenkritik". Am Ende sollen Kürzungen bei den Personal-, Sachkosten und dem Büroflächenverbrauch stehen. Auch Privatisierungen sind nicht tabu: "Wir werden entscheiden, welche Aufgaben künftig noch vom Land wahrgenommen werden sollen." Sparen will die Regierung auch, indem sie Fördergelder als Kredite vergibt: "Alle Förderprogramme sind daraufhin zu überprüfen, ob sie auf eine Darlehensvergabe umgestellt werden können." Die landeseigene NRW Bank soll sich um die Abwicklung kümmern.

Vereinbart ist, dass die Koalition einen eigenen Gesetzentwurf einbringt, um eine Schuldenbremse in der Landesverfassung festzuschreiben, "die aber nicht zulasten der Kommunen gehen darf". Damit wäre NRW nach Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Niedersachsen das sechste Bundesland, das in der Verfassung eine Schuldenbremse verankert. Zum Thema Umbau der WestLB findet sich ein nicht gerade beruhigender Satz im Koalitionsvertrag: "Dieser Prozess wird noch viel Zeit und Geld kosten."

Mit Blick auf die Personalkosten für die Verwaltung wird angestrebt, "das Dienstrecht ausgabenneutral zu optimieren". Eine sehr vorsichtige Formulierung, die viel Interpretationsspielraum lässt und die Mitarbeiter der eigenen Verwaltung wohl nicht verschrecken soll.

Die Analyse

Für Michael Thöne vom Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstitut der Universität Köln geht der Koalitionsvertrag in die richtige Richtung: Es sei erstmals ein ernsthafter Sparwille da. "Die Ambitionen bleiben aber hinter dem zurück, was notwendig wäre." Bis 2020 muss NRW wegen der Schuldenbremse des Bunds einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. "Nordrhein-Westfalen hat momentan aber ein strukturelles Defizit von 4,5 Milliarden Euro bei einem Gesamtetat von 58 Milliarden Euro", so Thöne. Er kritisiert, dass im Koalitionsvertrag zu den Punkten, die im Wesentlichen die Landesfinanzen angehen, "vergleichsweise wenig drin steckt". Konkret werde es immer dann, wenn es darum gehe, auf Bundesebene die Steuern zu erhöhen. "Da kann man im Bundesrat viele Forderungen aufstellen, aber das hilft NRW nicht."

en Vorschlag, Fördergelder auf Darlehen umzustellen, bewertet der Finanzexperte skeptisch: "Das geht nur bei wenigen Förderprogrammen, wenn man sie nicht ehrlicherweise ganz abschaffen will." Michael Thöne gibt aber auch zu bedenken, dass die Gestaltungsspielräume sehr eng sind. Bei einem sehr radikalen Sparansatz könnten maximal zehn Prozent im Landeshaushalt eingespart werden. Das betreffe in erster Linie Investitionen, die jedoch teilweise dringend notwendig sind, wie zum Beispiel der Erhalt von Straßen oder der Bausubstanz in Schulen oder Universitäten. Der realistische Handlungsspielraum "sinkt darum radikal auf drei oder vier Prozent". Da die Personal- und Pensionskosten einen großen Fixpunkt im Haushalt ausmachen, braucht man nach Auffassung von Thöne "vor allen Dingen Dienstrechtsänderungen". Konkret bedeute das, dass es mehr Angestellte als Beamte und niedrigere Besoldungen geben müsse. In der Summe werden die Sparbemühungen seiner Ansicht nach darauf hinauslaufen, "dass viele Bereiche ihre kleinen Anteile beitragen müssen".

Von der Opposition hagelte es Kritik für den Koalitionsvertrag: Dem designierten Vorsitzenden der NRW-CDU, Armin Laschet, ist der Vertrag nicht ambitioniert genug. Bis 2017 könne man bereits zu einem ausgeglichenen Haushalt kommen, sagte er auf WDR 5. NRW-FDP-Chef Christian Lindner kritisiert ebenfalls, die Entschuldung gehe nicht schnell genug voran. Stattdessen werde "ein Reigen von Steuererhöhungen des Bundes" angestrebt. Joachim Paul von den Piraten sieht in der Verwaltung Einsparpotenziale. Bei der Beschaffung von Software etwa könne Geld gespart werden.

Die Umsetzung

Ob die Einnahmeverbesserung funktioniert, liegt nicht allein an SPD und Grünen in NRW, denn bei den meisten Punkten sind sie auf die Mithilfe von Bundestag und Bundesrat angewiesen. Entscheidend wird hier der Ausgang der Bundestagswahl 2013 sein. Für die Verankerung einer Schuldenbremse in der Landesverfassung braucht die Koalition die Unterstützung der Opposition, eine Zweidrittel-Mehrheit ist erforderlich. Bereits 2009 hatte die FDP und 2010 die CDU einen entsprechenden Antrag in den Landtag eingebracht. Die SPD hatte damals nicht zugestimmt, weil sie die Kommunen zu sehr belastet sah.

Bevor die Sparmaßnahmen des Koalitionsvertrags umgesetzt werden können, wird noch an vielen Stellen in Politik und Verwaltung ausgiebig geprüft werden, wo genau der Rotstift anzusetzen ist. Ein im Finanzministerium angesiedeltes "Effizienzteam" hat bereits in der letzten Legislaturperiode mit der Aufgabenkritik angefangen und soll diese Arbeit fortführen. Dabei werden viele widerstreitende Interessen aufeinanderprallen: Betroffene, Lobbyisten, Parteien – sie alle werden in den nächsten Wochen und Monaten um Lösungen ringen.