FDP-Wahlkampf im Brauhaus

Bei Anpfiff ist Schluss

Stand: 16.05.2014, 06:30 Uhr

Zwölf Sitze hat die FDP im Europaparlament. Treffen aktuelle Umfragen zu, wären es künftig wohl nur noch vier. Dagegen kämpfen die Liberalen. Chlorhühner und "Privat-Rechtschreibung" - ein Wahlkampfbesuch in einem Brauhaus im Ruhrgebiet.

Von Cornelia Gerhard

Ortstermin in Recklinghausen. Direkt am Eingang ist schon sichtbar, dass die Menschen diesmal nicht nur zum Biertrinken gekommen sind: Zwei Bodyguards flankieren die Tür, vor ihnen ist ein Plakat der FDP aufgestellt - Wahlkampf mit Parteiprominenz. Angereist sind Parteichef Christian Lindner und der FDP-Spitzenkandidat für die Europawahl, Alexander Graf Lambsdorff.

Drinnen drängen sich die Menschen, viele ältere Männer. Das Brauhaus ist verwinkelt, in einer Ecke ist die Bühne aufgebaut, gleich bei den Gärtanks. Lambsdorff spricht als Erster. Er wettert gegen die eurokritische AfD, gegen Eurobonds, gegen den Populismus der CSU. An einigen Stellen bekommt er Applaus. Manche Besucher hören ihm aufmerksam zu, andere stochern weiter auf ihren Tellern herum, schieben die "Tischdeko" mit den blau-gelben Wahlkampfslogans an die Seite.

"Uuh, Chlorhühnchen"

Der gelernte Diplomat Lambsdorff sitzt seit 2004 im Europaparlament. Er gilt als überlegt und sachorientiert - weniger als Wahlkämpfer. Aber als er auf das Freihandelsabkommen mit den USA zu sprechen kommt, zeigt er, dass er auch anders kann: Eine Angstkampagne werde gegen das Abkommen geschürt, und plötzlich verändert er seine Stimme, als ob er einen Geisterfim vertonen will, und sagt: "Chlorhühnchen im Supermarkt uuh". Nein, die FDP sehe die Chance in dem Abkommen und werde es verteidigen. Manche sind an diesem Abend extra angereist, um den Spitzenkandidaten zu sehen, zum Beispiel ein Grüppchen Jungliberaler aus Münster. Ob er sie überzeugt? Doch schon, bis auf das Handeslabkommen, da wisse doch niemand, was wirklich drin steht.

"Was fällt der FDP denn ein!"

Sehr zufrieden mit der Veranstaltung ist Klaus Burghardt aus Recklinghausen. Er ist FDP-Mitglied seit 1975, erzählt er nicht ohne Stolz: "Doch, die Richtung stimmt", ist er überzeugt. Und: Sie alle seien heute freiwillig hier, niemand habe sie ankarren müssen. Dann beginnt FDP-Chef Christian Lindner zu sprechen - oder ruft er nicht vielmehr ins Mikrophon? Jedenfalls ist der Kontrast zu Lambsdorff deutlich: Er wirkt aufgeregter, fast hektisch. "Was fällt der FDP denn ein, die haben ja einen Fachmann aufgestellt", habe es zur Nominierung Lambsdorffs geheißen. Stolz sei Lindner auf ihn, dass er Europa kennt. Dafür zollt der Saal ihm kräftig Applaus.

Geklaute Slogans?

Etwas abseits in einer Art Loge sitzen drei junge Männer. Kritisch betrachten sie die Werbeslogans der FDP. "Die sind doch geklaut", meint einer, "von den Piraten und der AfD." Lambsdorff erleben sie zum ersten Mal und einer ist überzeugt: "Wenn die so vernünftig gewesen wären wie er, wären sie nicht abgewählt worden" - und meint damit die FDP-Pleite bei der Bundestagswahl. Kritisch merkt er noch an, dass der FDP der klare Kurs fehle, der sei charakterlos und zu breit gefächert. Trotzdem werde er wählen gehen.

Schnell noch ein Foto mit Lambsdorff hochladen

Christian Lindner FDP

FDP-Parteichef Christian Lindner im Wahlkampf

Lindner redet inzwischen über Rechtsschreibung. Grundschülern würden Fehler nicht mehr angestrichen. "Wissen Sie, wie das heißt?", fragt er "Privat-Rechtschreibung." Hämisches Gelächter. Auch die meisten Lehramtsstudenten könnten heute kaum drei Sätze richtig schreiben, habe ihm ein Universiätsprofessor gesagt. "Sowas kommt von sowas", folgert Lindner. Eine Besucherin schüttelt etwas unwillig den Kopf, der habe wohl keine Kinder, seufzt sie, und dass Lindner immer dasselbe sage. Lambsdorff fand sie hingegen überzeugend: "Der weiß, wovon er redet."

Ein Kellner läuft vorbei, nein, er sei nicht überzeugt. "Die können labern, was sie wollen, aber das liegt wahrscheinlich daran, dass ich Politikwissenschaft studiere." Aber jetzt sei erstmal Fußball an der Reihe. Das findet auch Christian Lindner und beendet die Veranstaltung pünktlich zum Länderspiel, damit auch alle gucken können. Das Brauhaus ist vorbereitet: überall hängen Bildschirme, die Nationalhymne erklingt. Die Julis aus Münster machen noch schnell ein paar Handyfotos mit Lambsdorff. Der ist ganz begeistert. Toll sei es gewesen in Recklinghausen, viel Feedback von den Leuten und die Kampagne laufe auch gut. Nur die neuen Trikots der Nationalmannschaft, die gefallen ihm gar nicht.