Hannelore Kraft

Enttäuschungen, Hoffnungen, Träume, Mist

Reaktionen aus NRW nach der Wahl

Stand: 23.09.2013, 20:41 Uhr

Wer mit wem? Auch in NRW ist das nach der Bundestagswahl die entscheidende Frage. Hannelore Kraft hat Montagabend (23.09.2013) noch einmal ihre Abneigung gegen eine Große Koalition betont. Die NRW-Grünen wollen am liebsten Rot-Rot-Grün. Und die CDU? Hofft auf Umfaller.

Von Rainer Kellers

Hannelore Kraft ist nicht Franz Müntefering. Und so ist Opposition für sie auch keineswegs Mist. Im Gegenteil. "Es ist keine Schande, Opposition zu sein." Kraft sagt das am Tag nach der Bundestagswahl. Am Tag, nachdem klar ist, dass das unbeirrte Festhalten an Rot-Grün Selbsthypnose war. "Die Stimmung war eine andere", sagt Kraft resigniert. Jetzt ist das Ergebnis zwar besser als vor vier Jahren, aber immer noch das zweitschlechteste in der Geschichte der SPD. Wer mag es der NRW-Regierungschefin verdenken, da nicht gut gelaunt zu sein.

Der Tonfall des enttäuschten Verlierers

So sitzt sie mürrisch vor Düsseldorfer Journalisten und versucht zu erklären, warum jetzt nicht alles zwangsläufig auf eine Große Koalition hinausläuft. Ihre Sätze allerdings sind bekannt und entsprechen der allgemeinen Sprachregelung in der Partei: "Wir sind nicht die Mehrheitsbeschaffer von Frau Merkel." "Der Ball liegt im Spielfeld der CDU." "Wir halten uns an Inhalte und gehen nicht mit wehenden Fahnen in die Große Koalition." Und eben: "Die Demokratie braucht eine starke Opposition."

Es ist der Tonfall des enttäuschten Verlierers. Und es klingt nicht gerade danach, als sei Kraft gewillt, zum Wohl des Landes eine Ehe der SPD mit der Union mitzutragen. "Niemand in der Partei will die Große Koalition", sagt auch NRW-Fraktionschef Norbert Römer, der an Krafts Seite sitzt. Also Opposition, denn Rot-Rot-Grün kommt für die SPD immer noch nicht in Frage. Oder will sich Kraft vor den Gesprächen mit der CDU nur möglichst teuer verkaufen?

Möglich, möglich aber auch, dass Kraft auf Schwarz-Grün hofft. "Wir sind nicht allein in der Verantwortung", sagt sie maliziös. Langfristig wäre eine solche Konstellation für die SPD sicher besser als eine erneute Große Koalition. Aus der nämlich, so die einhellige Parteimeinung, kann man nur als Verlierer herausgehen. Sollen sich doch die Grünen an Merkel abarbeiten.

Grüne liebäugeln mit Rot-Rot-Grün

Das Problem ist nur: Die Grünen wollen auch nicht. Jedenfalls nicht die aus NRW, und das ist immerhin der stärkste Landesverband. Schwarz-Grün, so geben am Montagmorgen die Parteichefs Monika Düker und Sven Lehmann zu Protokoll, hat wenig Chancen. Zu groß die "kulturellen Unterschiede", zu groß die gegenseitige Abneigung. Dass es inhaltlich durchaus Schnittmengen gäbe - geschenkt. Wir können nicht miteinander, meint das grüne Führungsduo.

Lieber wäre Düker und Lehmann ganz offensichtlich ein rot-rot-grünes Linksbündnis. Dass die SPD selbiges immer noch ausschließt, sorgt für Unverständnis. "Die SPD muss erklären, warum sie die Mehrheit nicht nutzen will", sagt Düker. Sie selbst, so muss man es wohl verstehen, wären sehr wohl bereit, diese hauchdünne linke Mehrheit zu nutzen. Ob der NRW-Landesverband in dieser Frage aber auch bundesweit die Richtung vorgibt, ist unklar. Vorerst hat die gesamte grüne Parteispitze in Berlin ihren Rücktritt angekündigt. Wer folgt, ist offen. Genau wie die politische Richtung, in die es geht.

Die Träume des Armin Laschet

Der Landesvorsitzende der NRW-CDU, Armin Laschet (l),  und Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU)

Armin Laschet ist das Problem durchaus bewusst. Trotzdem will der CDU-Landeschef auch am Tag nach dem überragenden Ergebnis der Union den Sieg erst noch auskosten. Speziell das Abschneiden der NRW-CDU lässt den nicht gerade erfolgsverwöhnten Aachener vor Glück schier strahlen: Stärkste Kraft in NRW, fast 40 Prozent der Stimmen, größter Zuwachs an Abgeordneten aller Landesverbände, ein Anteil von 20 Prozent am Gesamtstimmenergebnis, ein stärkeres Ergebnis als die CSU. "Davon hätte ich nicht zu träumen gewagt", sagt Laschet am Abend in Düsseldorf.

Zeit, die Niederlage zu verdauen

Und dennoch mischt sich Nachdenklichkeit in den Triumph. Der Verlust der FDP trübt das gute Ergebnis. Wie man mit einer bockigen SPD oder fremdelnden Grünen eine Regierung bilden soll, ist unklar. Laschet sagt, man werde beiden Parteien erst einmal Zeit geben, über die Niederlage hinwegzukommen. Allzu viel Zeit bleibt aber nicht. Schon am 22. Oktober soll sich der Bundestag konstituieren. Die Kanzlerwahl lässt sich danach nicht unbegrenzt hinausschieben.

Bei den Verhandlungen hat der Parteivize, wie er sagt, keine Präferenz. Ob Rot oder Grün, soll sich daran entscheiden, mit wem die meisten CDU-Anliegen umgesetzt werden können. Laschet vermutet allerdings, dass es mit der SPD leichter sein wird. "Wer wie die Grünen in NRW schon das Kraftwerk Datteln bekämpft, mit dem lässt sich schwer verhandeln." Und damit deutet Laschet bereits eines seiner persönlichen Ziele in den Verhandlungen an: Er will, dass die Interessen des Industrielandes NRW in einem Koalitionsvertrag zur Geltung kommen. Das gelte für eine bessere Infrastruktur wie für den Schutz energieintensiver Unternehmen.

Lindner tauscht Landesvorsitz gegen Parteivorsitz

Christian Lindner hätte wohl seine Freude an einer solchen Ausrichtung. Doch der NRW-FDP-Chef hat in diesen Tagen andere Probleme. Nach dem angekündigten Rückzug Philipp Röslers als Parteichef wird Lindner wohl dessen Nachfolger. Am Montagabend bestätigte der 34-Jährige seine Ambitionen und gab bekannt, den NRW-Parteivorsitz dafür abzugeben. An wen, steht noch nicht fest. Man müsse "ganz in Ruhe" ein neues Team zusammenstellen. Fraktionschef im Landtag wird Lindner zunächst bleiben. Damit wird die FDP nach der historischen Schlappe künftig von NRW aus geführt. Und auch wenn Lindner nicht Franz Müntefering ist: Er hält Opposition in jedem Fall für Mist. Besonders die außerparlamentarische.

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