Spitzenkandidaten in NRW mit Wahlkreuzen und Bundesadler

Schicksalstag für Kraft, Lindner und Laschet?

Was die Wahl für NRW bedeutet

Stand: 17.09.2013, 06:00 Uhr

Wenn am 22. September das Wahlergebnis bekannt wird, entscheiden sich Karrieren. Nicht nur in Berlin, sondern auch in NRW. Was bedeutet die Wahl für Hannelore Kraft, Armin Laschet oder Christian Lindner? Und: Fliegt dem Finanzminister der Haushalt um die Ohren?

Von Rainer Kellers

Es fällt Hannelore Kraft schwer, nicht genervt zu sein, wenn Journalisten mal wieder diese Frage stellen: Können Sie sich einen Wechsel nach Berlin vorstellen? Die Frage verfolgt die Ministerpräsidentin, seit sie im Mai 2012 das bevölkerungsreichste Bundesland für Rot-Grün gewonnen hat. Kraft wurde zur Hoffnungsträgerin der SPD, ihr Wahlkampf zur Blaupause für den Bundestagswahlkampf. Ihre Thesen vom fürsorgenden und vorsorgenden Staat wurden Allgemeingut in der Partei. Wäre sie da nicht die Richtige gewesen, um Angela Merkel im Bund herauszufordern?

Für Kraft geht es um den Parteivorsitz

Nein, sagt Kraft seit nunmehr fast anderthalb Jahren. Sie bleibe in Düsseldorf, finde Landespolitik spannend, habe hier noch viel zu erledigen. Außerdem wäre es fürs Privatleben ganz schlecht, wenn sie nach Berlin ginge. Man glaubt es ihr mittlerweile. Und als Peer Steinbrück Kanzlerkandidat wurde, hatte Kraft eine Zeit lang Ruhe. Jetzt aber, da die Umfragen gleichbleibend wenig Gutes für die SPD prophezeien, kommen die Fragen zurück. Es geht nun nicht mehr um die Kanzlerkandidatur 2013, sondern um die 2017. Und natürlich geht es um den Parteivorsitz.

Kurt Beck und das Haifischbecken Berlin

Nehmen wir an, die SPD schneidet am 22. September so schlecht ab, wie es die Meinungsforscher vorhersagen, oder gar schlechter. Für Peer Steinbrück dürfte der Stress dann sehr schnell vorbei sein. Und auch Sigmar Gabriel könnte Mühe haben, sich auf dem Chefsessel zu halten. Würde Kraft ihn beerben? In Interviews vermeidet Kraft klare Antworten für diesen Fall. Wahrscheinlich ist es dennoch nicht, und das hat mit Kurt Beck zu tun.

Kraft hat sehr viel übrig für den früheren rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten und späteren SPD-Chef. Sie haben auch einiges gemeinsam, ihre unangefochtene Stellung in ihren Ländern zum Beispiel. Oder die atmosphärischen Störungen mit der Berliner Hauptstadtpresse. In vertrauten Runden erzählt Kraft häufiger von der Parteiklausur 2008, als Beck von den eigenen Leuten hintergangen und Frank-Walter Steinmeier zum Kanzlerkandidaten gemacht wurde. Beck trat damals tief enttäuscht als Parteivorsitzender zurück. Dieses Erlebnis hat Kraft geprägt. Das Haifischbecken Berlin ist ihr nicht geheuer.

Bekommt der Finanzminister die erhofften Steuererhöhungen?

Kraft wird also anderen den Vortritt lassen, in Düsseldorf regieren und über den Bundesrat intensiv in der Bundespolitik mitmischen. Ob sie dann 2017 den Schritt nach Berlin wagt, ist ungewiss. Es hängt wohl auch davon ab, welche Art Politik in Deutschland nach dem 22. September gemacht wird. Die Finanzpolitik ihrer rot-grünen Koalition nämlich ist zu einem guten Teil auf Steuererhöhungen ausgerichtet. Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) hat immer wieder betont, dass er die Schuldenbremse nur einhalten könne, wenn die Einnahmen steigen. Das Geld soll aus dem höheren Spitzensteuersatz, einer Vermögenssteuer und der Finanztransaktionssteuer kommen. Behauptet sich aber Schwarz-Gelb, bleiben diese Einnahmen aus.

Teure Wahlversprechen könnten den NRW-Haushalt belasten

Im besten Fall, falls nämlich die Steuern weiter sprudeln und die Zinsen niedrig bleiben, ändert sich für die Landesregierung wenig. Außerdem ist gut möglich, dass bei der Neuverhandlung des Solidarpaktes mehr Geld für NRW herausspringt. Bei der Infrastruktur, den kommunalen Finanzen und der Bildung hat der Bund ebenfalls Hilfe zugesagt. Allerdings stehen CDU und FDP mit teuren Wahlversprechen im Wort. Allein das höhere Kindergeld könnte NRW jährlich mit Steuerausfällen in Höhe von 700 Millionen Euro belasten. Ähnlich teuer würde die Abschaffung der kalten Progression. Es ist also gut möglich, dass Walter-Borjans nach der Wahl der Haushalt um die Ohren fliegt. Dann muss er an die Ausgaben ran. Und aus der beliebten Landesmutter Kraft könnte schnell die Buhfrau werden - siehe Beamtenbesoldung.

Wohin treibt es Christian Lindner?

Christian Lindner während der Beamtenbesoldungsdebatte im Landtag in Düsseldorf

Reicht Christian Lindner die Bühne des Landtags?

Bezeichnenderweise ist die Lage für Christian Lindner der von Kraft gar nicht mal so unähnlich. Auch der FDP-Chef in NRW muss sich seit der gewonnenen Landtagswahl immer wieder mit Fragen nach seiner politischen Zukunft befassen. Im Gegensatz zu Kraft nimmt ihm aber niemand ab, dass er lieber Landespolitik betreiben und in Düsseldorf bleiben will. Dummerweise hat aber auch er versprochen, bis 2017 in NRW zu bleiben. Dieses Wort gilt, schließt aber nicht aus, dass er die Liberalen von Düsseldorf aus führen könnte.

Experimentierfeld NRW

Es hängt natürlich alles davon ab, ob die FDP in den Bundestag einzieht. Falls nicht, dürfte Philipp Rösler die längste Zeit Parteivorsitzender gewesen sein. Rainer Brüderle als Spitzenkandidat empfiehlt sich dann auch nicht mehr. Bleibt eigentlich nur noch Lindner. Ihm würde mit Blick auf 2017 die Aufgabe zufallen, die Partei wieder aufzurichten und inhaltlich zu öffnen. Womöglich sogar für Bündnispartner jenseits der CDU. NRW könnte dabei durchaus ein Experimentierfeld sein.

Insbesondere dann, wenn die Grünen auf Distanz zu den Sozialdemokraten gehen sollten. Das wiederum könnte passieren, wenn es zur Großen Koalition in Berlin kommt oder aber ein schwarz-grünes Bündnis Premiere feiert. In beiden Fällen fänden sich Rote und Grüne auf verschiedenen Seiten wieder. Mit der Harmonie in Düsseldorf könnte es dann schnell vorbei sein.

Laschet und der Einfluss der NRW-CDU

ARchiv:Armin Laschet

Laschet will ein gutes Ergebnis liefern

Für Armin Laschet hingegen ist der Ausgang der Bundestagswahl nicht ganz so stark mit Bedeutung aufgeladen. Der NRW-CDU-Chef wird zwar immer mal wieder genannt, wenn es um Ministerposten für Berlin geht. Und da er in NRW die Macht mit dem Fraktionsvorsitzenden Karl-Josef Laumann teilen muss, wäre er gewiss nicht abgeneigt. Allerdings ist Laschets Einfluss in Berlin längst nicht so stark wie der seiner Vorgänger Norbert Röttgen und Jürgen Rüttgers oder gar Norbert Blüm. Andere aus der NRW-CDU haben wohl größere Chancen. Gesundheitsexperte Jens Spahn zum Beispiel oder Generalsekretär Hermann Gröhe.

Laschet sagt selbst, seine Aufgabe bestehe zunächst darin, seine bei der Landtagswahl arg geschröpfte Partei behutsam wieder aufzubauen. Bis 2017, wenn in Land und Bund gewählt wird. Bei der kommenden Wahl will er vor allem eines: Ein gutes Ergebnis abliefern. Große Ansprüche hat Laschet nicht gestellt, nicht einmal inhaltlich.

Und so gilt für Laschet wie für Lindner und auch Kraft: Die eigentliche Stunde der Wahrheit schlägt erst 2017.

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