Beamte haben vor dem Düsseldorfer Landtag gegen die geplanten Sparmaßnahmen bei ihrer Besoldungsanpassung protestiert

Landtag beschließt Besoldungsgesetz

Rot-Grün setzt Beamten-Nullrunde durch

Stand: 10.07.2013, 17:57 Uhr

Es war laut im Landtag, es wurde gestritten und geschrien. Rot-Grün aber ist hart geblieben. Mit der eigenen Mehrheit haben die Fraktionen am Mittwoch (10.07.2013) das Besoldungsgesetz beschlossen. Die Empörung bei Beamten und Opposition ist groß. Als Verlierer der Debatte steht aber nicht die Regierung da.

Von Rainer Kellers

Ein wenig erinnert die Szene an eine bekannte Fernsehwerbung. Hunderte Hemden hängen an einer schier endlosen Wäscheleine und flattern lustig im Wind. Die Leine verbindet die Staatskanzlei mit dem knapp einen Kilometer entfernten Landtag am Rhein. Das ganze soll Symbolkraft haben: Die Beamten geben ihr letztes Hemd. Der Landesregierung soll klargemacht werden, welchen Schaden sie anrichtet, wenn sie vielen Beamten eine Erhöhung der Bezüge verweigert. Das ist dick aufgetragen. Und von den Abgeordneten kommt auch niemand heraus, um den wenigen hundert Protestierenden ihre Hemden abzunehmen. Am Ende werden sie sogar vom Eingang des Landtags weggeschickt

Das Kalkül der Opposition geht nicht auf

Im Landtag ist da schon mehr los. Kein Wunder, ist es für die Opposition doch die letzte Chance vor der Sommerpause, die Landesregierung auf einem Feld anzugreifen, auf dem sie schlecht aussieht. Die Nullrunden für weite Teile der Beamtenschaft sind auch innerhalb der Regierungs-Fraktionen umstritten. Experten lehnten das Besoldungsgesetz in seltener Deutlichkeit ab. Noch nie hat es derart heftige Proteste der Gewerkschaften gegen ein rot-grünes Gesetz gegeben. Und noch nie stand Hannelore Kraft so in der Kritik. Beste Voraussetzungen für eine Debatte aus Sicht der Opposition. Doch das Kalkül geht nicht auf.

Und das hat mehrere Gründe. Zum einen hat sich die Regierung mittlerweile ganz gut eingestellt auf die Kritik. Das kann man merken, wenn man Norbert Römer zuhört. Normalerweise plätschern die Reden des Fraktionschefs der SPD vor sich hin. Legendär ist seine Wendung "Ich gebe gerne zu", auf die im Normalfall eine Plattitüde folgt. Am Mittwoch jedoch sind es keine Plattitüden, die hervorstechen, sondern Argumente.

Eine schon bekannte Rechtfertigung

Ein Polizist geht in Düsseldorf an symbolisch aufgehängten Hemden vorbei

Eine Leine von der Staatskanzlei bis zum Landtag

Klar, gehört hat man die Rechtfertigung der Nullrunden schon an anderer Stelle. Sie stehen im Thesenpapier des Finanzministeriums, das nachgeschoben wurde, um das Gesetz nachträglich zu untermauern. Unter anderem heißt es darin, die Bezahlung der Beamten sei immer noch auskömmlich. Das Abstandsgebot zwischen den Besoldungsstufen bleibe auch bei der gestaffelten Tarif-Übernahme gewahrt. Außerdem habe sich die Landesregierung dagegen entschieden, stattdessen 14.000 Stellen zu streichen oder die Zulagen zusammenzukürzen. Alles schon gehört. Römer gelingt es aber, die Argumente selbstbewusst vorzutragen. Keine Spur mehr von dem schlechten Gewissen, das bisher gerade bei der SPD spürbar war. "Wir verabschieden heute ein verfassungskonformes, sozial vertretbares, faires und gerechtes Gesetz", sagt Römer. Und er scheint es selbst zu glauben.

Die "Arroganz der Macht"

Für die Opposition ist diese Selbstsicherheit eine Provokation. Und so klingen die Redner von CDU und FDP auch immer wütender, je länger die Debatte dauert. Bei manchen Beiträgen versteht man den Redner kaum vor lauter Geschrei. CDU-Fraktionschef Karl-Josef Laumann wirft der Ministerpräsidentin vor, über die Besoldung von oben herab entschieden zu haben, ohne mit den Beamten zu reden. Das sei die "Arroganz der Macht". Die Nullrunde für höhere Beamte nennt Laumann einen "offenen Verfassungsbruch" - obwohl das Gericht noch längst nicht darüber entschieden hat.

"Ihre bigotte Aufregung ist lächerlich"

Laumann wirkt ehrlich bei dem, was er sagt. Trotzdem kommen seine Thesen nicht an. Und das liegt an einer Argumentationsschwäche, die die CDU schon länger mit sich herumschleppt: Sie bietet keine Alternative an. Laumann sagt, statt den Beamten weniger Sold zu geben, müsse man Stellen streichen. Wo genau die Landesregierung das machen soll, sagt die CDU aber nicht. Genau wie bei der Forderung nach größeren Sparanstrengungen bleibt die CDU konkrete Vorschläge schuldig. Das wirkt beliebig und wohlfeil. Und die rot-grünen Redner nutzen die Schwäche dankend aus. Selbst Piraten-Fraktionschef Joachim Paul, wie seine ganze Fraktion ein Gegner des Besoldungsgesetzes, holt aus zur Fundamentalkritik - an Schwarz-Gelb: "Ihre bigotte Aufregung ist lächerlich." Und dann erinnert Paul an all die zurückliegenden Kürzungen bei Beamten in der schwarz-gelben Zeit.

FDP-Chef Lindner gerät ins Schlingern

Christian Lindner während der Beamtenbesoldungsdebatte im Landtag in Düsseldorf

Selbst Redetalent Lindner (FDP) gerät argumentativ ins Schlingern

Dass die Debatte für die schwarz-gelbe Opposition gar nicht gut läuft, wird spätestens dann deutlich, als FDP-Fraktionschef Christian Lindner redet. Er sagt, die Regierung verweigere den Leistungsträgern sogar den Inflationsausgleich. Die FDP verlange keine Eins-zu-eins-Übertragung des Tarifergebnisses. Aber eine "angemessene Erhöhung" sollte es schon sein. Alles andere sei verfassungswidrig. Bei der Zwischenfrage, was "angemessen" denn bedeute, kommt Lindner jedoch ins Schlingern. "Unser Vorschlag macht sich nicht an einer Ziffer fest", sagt er, und der Rest seiner Ausführungen geht im rot-grünen Gelächter unter. Dasselbe passiert wenig später seinem Fraktionskollegen Ralf Witzel. Auch er windet sich bei der Frage danach, was die FDP für angemessen hält. Auch er läuft rot an und beginnt zu brüllen. Rot-Grün fühlt sich bestätigt: FDP und CDU seien scheinheilig.

Viele Beamten ziehen nun vor Gericht

Letztlich setzt die rot-grüne Landtagsmehrheit das Gesetz durch - ohne eine einzige Änderung. Für 2013 und 2014 bekommen Beamte und Pensionäre bis A10 nun zusammen 5,6 Prozent mehr Geld. Die Besoldungsgruppen A11 und A12 erhalten insgesamt zwei Prozent mehr. Alle Beamten, die darüber liegen – zum Beispiel Studienräte, Staatsanwälte, Richter – gehen leer aus. Viele von ihnen werden nun vor Gericht ziehen. Ihr letztes Hemd aber müssen sie bestimmt nicht abgeben.