Qualmen in den eigenen vier Wänden

Wer nicht lüftet, fliegt raus

Stand: 31.07.2013, 20:04 Uhr

Ein womöglich wegweisendes Urteil hat am Mittwoch (31.07.2013) das Düsseldorfer Amtsgericht gefällt. Einem Raucher darf die Wohnung gekündigt werden, wenn der Qualm die Nachbarn belästigt. Der betroffene Raucher wird in die nächste Instanz gehen.

Rauchen gefährdet nicht nur das Mietverhältnis, es kann es auch abrupt beenden. Der Vermieter eines Mehrparteienhauses muss es nicht hinnehmen, wenn Zigarettenrauch im Treppenhaus zu einer unzumutbaren und unerträglichen Geruchsbelästigung für die Nachbarn führt. Das entschied das Düsseldorfer Amtsgericht am Mittwoch (31.07.2013) und bestätigte damit die fristlose Kündigung eines Rentners. Bei Zigaretten-Freunden dürfte der Spruch für reichlich dicke Luft sorgen.

Ständig geschlossene Rolläden

Friedhelm Adolfs beim Rauchen

Friedhelm Adolfs beim Rauchen

Im konkreten Fall ging es um den 74-jährigen Düsseldorfer Friedhelm Adolfs. Seine Vermieterin hatte dem ehemaligen Hausmeister nach 40 Jahren seine einstige Dienst- und jetzige Mietwohnung gekündigt.

Sie warf dem starken Raucher insbesondere vor, er würde nicht mehr ausreichend lüften. Zu Lebzeiten seiner Frau sei das noch über die Fenster geschehen. Doch nun halte der Witwer seine Holzrolläden ständig geschlossen. Der Mieter hatte das bestritten und darauf verwiesen, er könne nichts dafür, dass seine Wohnungstür undicht sei. Zudem pochte er auf sein Gewohnheitsrecht.

Schutz der körperlichen Unversehrtheit vorrangig

Das Gericht folgte seiner Argumentation nicht. Zwar dürfe ein Mieter grundsätzlich in seiner Wohnung rauchen, weil dies von dem vertragsgemäßen Gebrauch gedeckt sei. "Der Vermieter eines Mehrparteienhauses muss es jedoch nicht dulden, wenn Zigarettenrauch im Treppenhaus zu einer unzumutbaren und gesundheitsgefährdenden Geruchsbelästigung führe. Der Schutz der körperlichen Unversehrtheit der weiteren Mieter ist insoweit gegenüber der allgemeinen Handlungsfreiheit des Beklagten vorrangig", teilte das Gericht mit. Es sah in dem Verhalten des Mieters "einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung".

Verspäteter Rechtsschritt

Das Gericht führte übrigens keine Beweisaufnahme vor Ort durch, weil es die Geruchsbelästigung im Treppenhaus als unstrittig ansah. Zwar hatte die Anwältin vor dem Verhandlungstermin noch vorgetragen, diese gebe es gar nicht. Das Gericht wies diesen Vortrag jedoch als verspätet zurück. "Erst nachdem die richterlich gesetzte Frist abgelaufen war, knapp vor dem Verhandlungstermin, hat die Anwältin des Beklagten erstmalig vorgetragen, eine Geruchsbelästigung im Treppenhaus liege nicht vor. Bis dahin hat sich die Beklagtenseite allein auf ein Gewohnheitsrecht berufen und die Geruchsbelästigung nicht in Abrede gestellt", teilte das Gericht dazu mit.

Raucher Adolfs: Erst mal eine Zigarette

Rentner Adolfs, der unter Rauchern längst "Helden"-Status genießt, war am Mittwoch nicht im Gerichtssaal und erfuhr zu Hause von dem Urteil. "Puh, als ich davon hörte, habe ich mir erst einmal zur Beruhigung meiner Nerven eine Zigarette angesteckt. Meine Anwältin hat wohl auch einen Fehler gemacht", sagte er WDR.de aufgewühlt. Der 74-Jährige argwöhnt, dass ihm tatsächlich nur deshalb fristlos gekündigt wurde, um seine Wohnung teurer vermieten zu können: "Ich war 36 Jahre Hausmeister hier, bin die letzte Privatperson im Haus, sonst sind hier nur noch Büros. Abends ist hier sowieso kein Mensch, der sich durch meine Raucherei belästigt fühlen könnte."

Dieser Darstellung widerspricht Carmen Griesel, Anwältin der Vermieterin, entschieden: "Das ist nicht richtig. Es gibt keine Pläne, aus dem Gebäude ein Bürohaus zu machen. Meine Mandantin ist erst tätig geworden, nachdem andere Mieter im Hause aufgrund der Geruchsbelästigung schriftlich ihre Kündigung angedroht haben, wenn sich nichts ändert", sagte sie WDR.de.

Vermieterin hat Anspruch auf Räumung

Das Urteil des Düsseldorfer Amtsgerichts ist noch nicht rechtskräftig. Friedhelm Adolfs kündigte bereits an, notfalls bis vor den Bundesgerichtshof zu ziehen. Die Vermieterin hat dennoch das Recht, die Wohnung noch vor dem Berufungsverfahren räumen zu lassen. Ihre Anwältin ließ aber erkennen, dass man davon zunächst wohl keinen Gebrauch machen werde. Um vorläufig in seiner Wohnung bleiben zu können, muss der Rentner nun eine Sicherheitsleistung von 3.300 Euro hinterlegen.

Krebsforschungszentrum begrüßt Urteil

Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen reagierte zurückhaltend auf die Gerichtsentscheidung: "Es ist nicht erstrebenswert, dass jemand nach 40 Jahren ausziehen muss", sagte DHS-Sprecherin Christa Merfert-Diete. Andererseits müsse man aber auch berücksichtigen, dass sich viele Menschen durch Zigarettenrauch belästigt fühlten. Auch eine mögliche Gesundheitsgefährdung durch Passivrauchen spiele eine Rolle. Das Deutsche Krebsforschungszentrum hingegen steht hinter dem Richterspruch: "Rauchen in Mietwohnungen ist generell ein Problem, durch ein solches Urteil können Wohnungsnachbarn besser geschützt werden."

Geschützte persönliche Freiheit

Das Rauchen in der eigenen Wohnung gilt als höchstrichterlich geschützte persönliche Freiheit. Der Bundesgerichtshof ließ 2006 und 2008 aber ausdrücklich offen, ob "exzessives Rauchen" als vertragswidrige Nutzung angesehen werden kann. Außerdem hatten Gerichte Nichtrauchern, die sich durch Qualm belästigt fühlten, Mietminderungen zugesprochen.