Anzeigetafel am Hauptbahnhof Essen

Wenn der Express bummeln muss

Pendler in Essen brauchen Geduld

Stand: 22.11.2013, 12:24 Uhr

Tag zwei nach der Entdeckung eines Erdbaustollens, der in Essen den Bahnverkehr teilweise lahmlegt. WDR.de hat sich am dortigen Hauptbahnhof unter Reisende und Pendler gemischt. Die Stimmungslage: weitgehend gelassen.

Von Katja Goebel

Freitagmorgen, 7:30 Uhr, Mülheim Hauptbahnhof. Der Regionalexpress Richtung Hamm fährt pünktlich ein. Vom Verspätungschaos wegen eines entdeckten Bergbaustollens in Essen ist hier nicht viel zu spüren. Obwohl - Zwiegespräche auf der Bahnsteigkante drehen sich auffällig häufig um die letzte Fahrt zur Arbeit. "Ich hab drei Stunden bis nach Herne gebraucht." "ICE - der hält hier heute nicht". "In die S-Bahn steig ich nicht. Die brauchte gestern 55 Minuten bis nach Bochum." Die Pendler im Ruhrgebiet wissen also weitgehend Bescheid. Man hat mit Verspätungen zu rechnen.

Express wird zum Bummelzug

Einsteigen. Die Fahrt geht nach Essen. Läuft doch alles. Nach wenigen Minuten kann man schon den RWE-Turm mitten in der Essener Innenstadt sehen. Zum Hauptbahnhof ist es jetzt ein Katzensprung. Doch dann bremst die Bahn und der Express wird zum Bummelzug. Die freundliche Stimme des Zugbegleiters ertönt aus dem Lautsprecher. "Meine Damen und Herren, wir haben jetzt den Punkt erreicht, wie in den Medien verbreitet. Mit den unbekannten Tunneln aus dem Bergbau. Die nächsten 500 Meter geht es leider nur in diesem Tempo weiter."

Lange Hälse vor der Anzeigentafel

Ankunft Hauptbahnhof Essen. Menschen recken die Hälse zur Anzeigentafel. S3- fällt aus, IC 119 - fällt aus, ICE 845 - fällt aus, S9 - fällt aus. Die restlichen Regionalzüge und S-Bahnen haben Verspätung - mal fünf, mal zwanzig Minuten. Kein Drama. Solche Verspätungen sind im morgendlichen Pendlerverkehr nicht unüblich.

Mitten in der Bahnhofshalle steht ein Paar mit Koffern. Sie guckt auf die blaue Anzeigetafel, er auf sein Handy. Ein kurzer Moment der Ratlosigkeit, dann geht es Richtung Cafébar. "Wir wollen nach München, aber der Zug fällt aus. Der nächste kommt in 40 Minuten." In den Gesichtern keine Spur von Ärger. "Nicht so schlimm, ist nur ein Wochenendausflug", sagt sie. Und auch ihr Mann nimmt die Verspätung gelassen: "Das ist eben höhere Gewalt."

"Stollen gibt es hier überall

Ursula Dreckmann ist Pendlerin. Sie muss an diesem Morgen von Haltern nach Duisburg. Jetzt steht sie in Essen und rechnet. "30 Minuten, plus 20, plus 10 Minuten." Das macht eine Stunde Verspätung. "Falls ab jetzt alles glatt läuft." Von den Bergbauschäden, die den Zugverkehr ausbremsen, hat die Halterin erst heute erfahren. Verwundert? "Nee, das kennen wir Leute aus dem Ruhrgebiet. Stollen gibt es hier überall unter der Erde."

"Hier ist doch immer irgendwas"

Infoschalter am Hauptbahnhof Essen

Warten vor dem Infoschalter

Kurz nach 8 Uhr. Vor der Anzeigentafel wird es plötzlich laut. Ein Bahnreisender aus Münster empört sich. "Ich muss um 9 Uhr in Köln sein. Und mein Zug fährt nicht. Hier ist viel zu wenig Personal." An der langen Schlange am Infoschalter mag er sich nicht anstellen. "Im Internet wurde der Zug ohne Verspätung angezeigt", ärgert sich der Münsteraner und verschwindet Richtung Gleis 2. "Da geht es jetzt erst mal nach Düsseldorf."

In der Schlange vor dem Bahnschalter steht jetzt auch Markus aus Essen. Der will ausgerechnet heute nach Halle. "Familienbesuch." Und nun? "Ich fahre seit Jahren Bahn. Hier ist immer irgendwas. Also die Strecke ist echt Hardcore."

Meditation zwischen Brombeergewächsen

8:32 Uhr: Der RE nach Düsseldorf fährt ein. Auch dieser Zug muss beim Anfahren gleich das Tempo drosseln. 500 Meter Entschleunigung. Bürogebäude, Straßenzüge, Häuserzeilen - alles schwebt jetzt in Zeitlupe vorbei. Und wie grün so ein Bahngleis ist. Man lernt: Wilde Brombeeren und Schmetterlingsflieder wachsen auch auf Schotterbeeten prächtig. Und so bleibt diese Bahnfahrt irgendwie in Erinnerung - als meditativer Moment.

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