Die Kirche und der kleine Kahlschlag

Von Marion Kretz-Mangold

20 Millionen Euro im Jahr weniger: Die Rheinische Landeskirche muss massiv sparen. Auf der Suche nach Sparpotenzial hat sie alle Register gezogen - und jede Menge Protest hervorgerufen. Von Kirchenmusik bis "kreativen Lösungen": das Sparpaket in Bildern.

Kreuz auf Euro-Banknoten

"Wie Gott in die Welt kommt" ist das Treffen der rheinischen Protestanten in Bad Neuenahr (11.01.2014 bis 16.01.2014) überschrieben. Ein passendes Motto, denn die Delegierten auf der 67. Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) entscheiden auch über sehr diesseitige Dinge - den Pfarrernachwuchs, Personalfragen und Hilfen für Flüchtlinge. Vor allem aber geht es ums Geld: Die Landeskirche muss ab 2018 mit 20 Millionen Euro weniger auskommen. Ohne schmerzhafte Einschnitte wird das nicht gehen.

"Wie Gott in die Welt kommt" ist das Treffen der rheinischen Protestanten in Bad Neuenahr (11.01.2014 bis 16.01.2014) überschrieben. Ein passendes Motto, denn die Delegierten auf der 67. Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) entscheiden auch über sehr diesseitige Dinge - den Pfarrernachwuchs, Personalfragen und Hilfen für Flüchtlinge. Vor allem aber geht es ums Geld: Die Landeskirche muss ab 2018 mit 20 Millionen Euro weniger auskommen. Ohne schmerzhafte Einschnitte wird das nicht gehen.

Dabei spart die Landeskirche schon seit Jahren. Aber ein Kassensturz im Jahre 2013 zeigte: Die Lage ist dramatisch. "Ein 'Weiter so' geht nicht", schloss Manfred Rekowski kurz nach seinem Amtsantritt als Präses der EKiR aus und läutete einen Kurswechsel ein. Schneller und vor allem viel mehr sparen war die Vorgabe, das Ziel: die Kirche zukunftsfest machen.

Eigentlich müsste die Landeskirche, die alle Aufgaben übernimmt, die die Gemeinden nicht selbst erledigen können, mit ihrem Etat auskommen. Der wird von den Gemeinden aufgebracht und beträgt gut zehn Prozent der Kirchensteuer. Da sprudeln die Einnahmen geradezu: 2014 waren es 585 Millionen Euro, 2015 werden es noch mehr sein. Das kann sich aber schnell ändern, sobald die Wirtschaft lahmt. Und: Die Zahl der Kirchenaustritte steigt rasant. Nach Schätzungen der EKiR lag sie 2014 im Vergleich zum Vorjahr um 50 Prozent höher. Die Einnahmen, davon geht die Landeskirche aus, werden also auf lange Sicht sinken.

Die Versorgung der Ruheständler, die 20-Millionen-teuren Folgen eines Finanzskandals und die Niedrigzins-Phase, die aus dem Kirchenvermögen totes Kapital macht: Auch das macht der Kirche zu schaffen. Und so hat die "landeskirchliche Haushaltskonsolidierung", wie der Sparkurs offiziell genannt wird, die Synodalen schon ein paar Mal beschäftigt. Erste Einsparungen von 8 Millionen wurden vor einem Jahr beschlossen. Jetzt wird ein zweiter, noch größerer Schritt gewagt. Diesmal geht es gleich um 11,3 Millionen.

Von Kopierkosten bis Kirchenimmobilien: Alle Posten, die mehr als 500.000 Euro jährlich kosten, wurden überprüft. Daraus hat die Kirchenleitung eine Liste mit Vorschlägen gemacht, bei denen vielen kleine Posten eine große Einsparsumme bringen sollen: 62.000 Euro bei der Blindenseelsorge, 52.000 bei der Gender-Gleichstellungsstelle, 150.000 bei der Ökumene-Arbeit. Dabei soll auch gebündelt werden. Das "Haus Gottesdienst und Kirchenmusik" zum Beispiel wird mit zwei anderen Ämtern zusammen gelegt. Erhoffte Ersparnis: 300.000 Euro.

Gleich eine Million Euro sollen bei der Kirchlichen Hochschule Wuppertal/Bethel (KiHo) eingespart werden. Die Uni, an der auch Präses Nikolaus Schneider und CDU-Politiker Peter Hintze studierten, existiert in dieser Form seit 2007 und wird von EKD, der westfälischen Landeskirche und der EKiR gemeinsam finanziert. 2 Millionen Euro jährlich trägt die EKiR - das ist mehr als die Hälfte und der EKiR zuviel: Sie will die Lasten neu verteilen. Das haben die Westfalen aber schon abgelehnt. Trotzdem sollen Gespräche stattfinden: "Wenn wir keine Einigung erzielen, dann ist die Existenz gefährdet", so Rekowski.

Einsparung durch Bündelung: Was auf landeskirchlicher Ebene nicht unbedingt sein muss, soll wegfallen. Für den Medienverband in Düsseldorf heißt das: Schließung der Studios, Fortführung der Medienakademie mit anderen Partnern. Das soll den Jahresetat um 750.000 Euro entlasten. Die Konsequenzen für die Mitarbeiter sind unklar. Es hat in den vergangenen Monaten in der EKiR schon betriebsbedingte Kündigungen gegeben, obwohl die Kirchenleitung sie umgehen will. Rekowski im September: "Wir sagen mit großem Ernst, wir werden uns um sozialverträgliche Lösungen bemühen."

Auch in der Zentrale selbst wird gebündelt und gestrichen: Die Zentralbibliothek wird geschlossen, weniger externe Beratung angefordert, Stellen werden nicht nachbesetzt. Das soll 500.000 Euro bringen. Einen Vorschlag der Arbeitsgruppe hat die Kirchenleitung allerdings nicht aufgenommen: die Reduzierung von vier auf nur zwei Dienstwagen statt auf drei, wie schon beschlossen. Schon mit vier Dienstwagen könnten nicht alle Anfragen positiv beantwortet werden, heißt es in der Vorlage.

Das größte Einsparpotenzial birgt aber der Bildungsbereich. Zehn Schulen, darunter Gymnasien, Realschulen und eine Zirkusschule, betreibt die Landeskirche. Die sollen den Etat um jährlich 4,5 Millionen Euro entlasten - indem etwa Drittmittel eingeworben oder die Kommunen stärker zur Kasse gebeten werden. Wenn das nicht klappt, müssten die Schulen an andere Träger abgegeben werden. Das will die Landeskirche aber eigentlich nicht: Das sei zu kompliziert und bringe zuviel Unruhe.

Aber wie realistisch ist es, dass die ohnehin gebeutelten Kommunen einspringen? In Burscheid habe es geklappt, so der Sprecher der Landeskirche. Dort wurden städtische Hauptschule und evangelische Realschule zur Gesamtschule zusammengelegt, mit dem Gebäude für die Kommune und der Trägerschaft für die Kirche. Auch in Hilden hat die Stadt die Zuschüsse erhöht. Das Internat im dortigen Gymnasium bleibt aber trotzdem geschlossen.

Trotz solch "kreativer Lösungen", wie es der Landeskirchen-Sprecher nennt: Die Unruhe unter Schulleitern, Eltern und Schülern ist groß. 4,5 Millionen, das seien fast 40 Prozent der gesamten Sparsumme und damit viel zu viel. Deswegen haben die Schulleiter im November einen offenen Brief an die Kirchenleitung geschrieben und sich für die Erhaltung der Schulen eingesetzt. "Die Schulen sind genuin kirchliche Lern- und Lebensorte, an denen Glaubens- und Gemeinschaftserfahrungen möglich werden, die oft ein Leben lang prägen." Dass die Kirchenleitung zur gleichen Zeit 250.000 Euro für den Religionsunterricht an nicht-kirchlichen Schulen ausgeben will, sehen viele deswegen kritisch.

Allerdings: Nichts von dem, was in der Beschlussvorlage steht, ist in Stein gemeißelt. Schon der erste Entwurf, den Präses Rekowski im vergangenen September präsentiert hat, wurde heftig diskutiert und umformuliert: "Da kamen ordnerweise Rückmeldungen", sagt der Sprecher der Landeskirche. Dazu gab es Offene Briefe wie den der Lehrer und Protestaktionen: Die Evangelische Jugend zum Beispiel wehrte sich gegen die geplanten Kürzungen, sah Fahrten zu Gedenkstätten oder Jugendcamps in Gefahr. Die Kirchenoberen kamen ihnen entgegen: Am Sparziel von 420.000 Euro halten sie zwar fest, aber die Jugendlichen sollen bis 2016 selbst ein Konzept erstellen. Motto auch hier: Sparen durch Bündelung.

Auch das "Haus der Stille" hat einen Aufschub bekommen. Eigentlich sollte das Einkehr- und Meditationszentrum in der Nähe von Koblenz geschlossen werden, es fand aber so viele Fürsprecher, dass es auch weiterhin Gäste aufnehmen kann. "Das ist eine Anerkennung unserer Arbeit", sagt die Leiterin. Allerdings muss sie jetzt noch mehr Sponsoren suchen, vielleicht auch die Zimmerpreise erhöhen. Denn 320.000 Euro im Jahr soll das Haus auf jeden Fall einsparen.

Proteste von der Kirchenbasis halfen auch den Seelsorgern aus Duisburg. Die kümmern sich seit Jahrzehnten um die Binnenschiffer, die auf Rhein, Mosel und Kanälen unterwegs sind. Die Zuschüsse von der Landeskirche sind seit Jahren geschrumpft, jetzt sollten sie von 67.000 auf 27.000 Euro sinken - gut 10 Prozent von dem, was sie noch 2006 zur Verfügung hatten. Die Duisburger Protestanten machten sich stark für die Binnenschiffer, mit Erfolg. Wermutstropfen: Das Haus der Schiffergemeinde, Anlauf- und Aufnahmestelle vor allem für ältere Binnenschiffer, wird auf jeden Fall im Sommer dicht gemacht.

Das Studentenwohnheim in Düsseldorf bleibt einstweilen offen, wenn es kostendeckend arbeitet, und der Arbeitslosenfonds, aus dem Projekte für Jobsuchende bezahlt werden, wird weniger heftig zusammen gestrichen: Die monatelangen Diskussionen haben Wirkung gezeigt. Was aus dem Haus der Begegnung in Bonn wird, Heimat der Evangelischen Akademie und des Pädagogisch-Theologischen Instituts, ist allerdings noch offen - aber die Kirchenleitung hat zur Kenntnis genommen, dass das Haus sehr geschätzt wird. "Die Vorschläge sind nicht alternativlos": Was Rekowski bei der Vorstellung im Herbst sagte, gilt auch für die Beratungen auf der Landessynode. Denn die hat das allerletzte Wort.

Wie die Synodalen entscheiden, wird sich zeigen. "Die Kirchenleitung denkt, dass die Vorlage tragfähig ist", sagt der Landeskirchensprecher. "Aber vielleicht kommt der Heilige Geist nochmal über die Synode." Fest steht: 700.000 Euro fehlen auch dann noch am selbstgesetzten Sparziel. Die Suche nach Sparpotenzial in der Evangelischen Kirche im Rheinland geht also weiter.

Stand: 11.01.2015, 06:00 Uhr