48. Wittener Tage für Neue Kammermusik: 22.04. - 24.04.2016

Stand: 18.04.2016, 15:00 Uhr

Public Privacy – Klangkunst im öffentlichen Raum: Der jungen Komponistin Brigitta Muntendorf reicht die Musik alleine nicht. Sie sucht stets nach der Wechselwirkung mit anderen Ausdrucksformen. Beim alljährlich vom WDR und der Stadt Witten veranstalteten Musik-Avantgarde-Treffen präsentiert sie zwei Klangkunst-Performances zum Thema "Öffentlichkeit" und "Privatheit".

Menschen sitzen an ihrem Küchentisch, auf dem Sofa oder dem Bett und interpretieren ihre Lieblingssongs – bei Youtube finden sich unzählige solcher „Cover“-Videos. „Die Youtuber geben viel von sich Preis“, sagt Komponistin Brigitta Muntendorf, „sie zeigen aller Welt, wie sie leben.“ 2013 begann die Künstlerin, sich in ihren Arbeiten mit der Beziehung und den immer fließender werdenden Grenzen zwischen Privatem und Öffentlichem auseinanderzusetzen.

Während der „Wittener Tage für Neue Kammermusik“ werden im Glaspavillon vor dem Wittener Rathaus Arbeiten aus Muntendorfs „Public Privacy“-Reihe zu erleben sein – darunter auch eine Uraufführung mit der Pianistin Malgorzata Walentynowicz. Musikerinnen und Musiker treten hier mit Youtube-Instrumentalisten, die nur über einen Bildschirm vorhanden sind, in einen Dialog.

Die Grenze zwischen öffentlich und privat

Der Pavillon soll ein Ort zum Begegnen und Verweilen sein. An einem Mini-Kiosk werden Getränke ausgeschenkt. Konzerte finden mal drinnen, mal draußen statt. „Dann wird der Pavillon auch zu einer Art öffentlicher Künstlergarderobe“, so Muntendorf. Von Samstag auf Sonntag übernachten die Musiker sogar dort, von Kameras beobachtet, und verwandeln ihn so quasi in einen Big-Brother-Container.

„Wie viel Überwachung haben wir, brauchen wir, wollen wir?“ Das sei eine der zentralen Fragen der Performance „Public Privacy #Pop-Up“. Unter dem Titel „Public Privacy #Shift_Control“ bespielt Muntendorf außerdem den Wittener Rathausturm. „Das ist sozusagen das Kontrollzentrum, von dem aus man den Glaspavillon sehen kann“, erklärt die Komponistin. Hier befindet sich eine Klanginstallation, die sie gemeinsam mit dem bildenden Künstler Thomas Bismarck entwickelt hat: Ein „Überwachungsmobile“, das mit echten Kameras und mit Kamera-Attrappen ausgestattet ist. Bilder von Besucherinnen und Besucher mischen sich mit Aufnahmen, die die Künstler zuvor auf Wittens Straßen gemacht haben. Musik von Muntendorf mischt sich mit den Stimmen der Besucher – live oder aufgenommen und verfremdet. Musiker aus dem Pavillon gesellen sich immer mal wieder mit Live-Auftritten dazu.

Die Grenzen der Musik

Muntendorf lernte Thomas Bismarck in Bamberg kennen, wo die Komponistin 2014/15 als Stipendiatin in der Villa Concordia lebte. Für „Public Privacy #City“, eine Serie von künstlerischen Aktionen im öffentlichen Raum, tat sie sich mit zehn lokalen Künstlerinnen und Künstlern zusammen. Sie finanzierte das Projekt teilweise mit Geld aus dem Förderpreis der Ernst von Siemens Musikstiftung, den sie im Mai 2014 erhalten hatte. Die Neue Musik müsse ihre Strukturen verändern, um in einer Gesellschaft wirken zu können, sagte sie in ihrer Dankesrede. Das könne „in musikalischen wie auch in außermusikalischen Setups gelingen“.

Die 34-Jährige studierte Komposition bei Younghi Paagh-Paan an der Hochschule für Künste Bremen sowie bei Krzysztof Meyer, Rebecca Saunders und Johannes Schöllhorn an der Hochschule für Musik und Tanz Köln. Dabei sei sie immer wieder an Grenzen gestoßen: „Ich dachte: Ich kann so komplexe und vielschichtige Stücke schreiben, wie ich will – aber viele Dinge, die mir wichtig erscheinen, kann ich rein über die Musik nicht ausdrücken.“ So fing sie an, Texte, Videos, Theaterelemente oder Tanz in ihre Arbeiten einzubeziehen. „In unserer digitalen Welt“, so Muntendorf, „haben sich die Grenzen zwischen verschiedenen Medien und künstlerischen Ausdrucksformen doch längst aufgelöst.“

Die 48. Wittener Tage für Neue Kammermusik
FR – SO / 22. – 24. April

Audiovisuelle Kunst von Brigitta Muntendorf, Adriana Hölszky, Jesper Nordin und Uli Aumüller
SA / 23. April / 19:05 – 20:00 / WDR 3

WDR 3 überträgt alle Konzerte des Festivals live oder zeitnah.

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