Luftaufnahme auf das eingestützte Archivgebäude in Köln.

Stichtag

3. März 2009 - Das Kölner Stadtarchiv stürzt ein

"Ich saß in meinem Dienstzimmer, als unser Haustechniker in mein Arbeitszimmer stürmte", erinnert sich Bettina Schmidt-Czaia, Leiterin des Historischen Archivs der Stadt Köln. Der Mann habe geschrien: "Sie müssen raus! Irgendwas stimmt mit dem Haus nicht!" Sie kann sich gerade noch retten.

Dann passiert es: An der belebten Severinstraße stürzen am 3. März 2009 um 13.58 Uhr sieben Stockwerke des Kölner Stadtarchivs in sich zusammen. Sie versinken in einem unterirdischen Hohlraum, der durch die dortige U-Bahn-Baustelle entstanden ist. Gleichzeitig brechen die Fassaden von zwei Nachbarhäusern ein.

2 Tote, ein Verletzter

Erst am nächsten Tag ist klar, dass zwei Menschen vermisst werden: ein 17 Jahre alter Bäckerlehrling und ein 24-jähriger Designstudent. Die traurige Bilanz des Einsturzes lautet schließlich: Zwei Tote, ein Verletzter und eines der größten Kommunalarchive Europas in Trümmern. Zum Bestand gehören unter anderem 65.000 Pergamenturkunden, 104.000 Karten, eine halbe Million Fotos; zahlreiche Familiennachlässe, darunter die Briefe des Schriftstellers Heinrich Böll; Briefe von Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Karl Marx und Friedrich Engels sowie die Nachlässe der Komponisten Jacques Offenbach, Max Bruch und Ferdinand Hiller. "Das, was eigentlich das Archiv ausmachte, war die unbeschädigte Vielfalt", sagt Archivleiterin Schmidt-Czaia.

Mehr als 1.000 Freiwillige aus Stadt und Umland beteiligen sich über vier Monate an der Bergung der kostbaren Archivalien. In Köln-Porz werden neue Restaurierungswerkstätten eingerichtet. Dort versuchen 20 Restauratoren und 70 Helfer zu retten, was zu retten ist. "Das, was wir geborgen haben, sind etwa kalkulierte 95 Prozent in sehr unterschiedlichem Zustand", so Schmidt-Czaia. Bei einigen Fundstücken hat das Grundwasser für Pilzbefall gesorgt.

Pfusch, Klüngel und Korruption?

Die Frage, wer den Einsturz zu verantworten hat, ist umstritten. Offenbar besteht ein Zusammenhang mit dem U-Bahn-Bau. Stadtverwaltung, Verkehrsbetriebe und die ausführenden Baufirmen weisen sich abwechselnd die Schuld zu. Kölns damaliger Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) sagt: "Die Frage, ob man in Zukunft U-Bahn-Bauten in einer bewohnten Stadt in dem Maße durchführen kann und soll - die muss wirklich auf den Prüfstand gestellt werden."

Nach und nach dringen Details an die Öffentlichkeit: verschwundene Eisenbügel, falsche Betonierungsprotokolle, nicht genehmigte Brunnenbohrungen, zu viel abgepumptes Grundwasser, fehlende Kontrollen. Es ist von Pfusch, Klüngel und Korruption die Rede. Im Januar 2014, kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist, erhebt die Kölner Staatsanwaltschaft Anklage gegen 90 Verantwortliche. Darunter sind Manager, Bauleiter, Planer und Mitarbeiter der Stadtverwaltung. Die Folgekosten des Einsturzes werden inzwischen auf fast eine Milliarde Euro geschätzt.

Stand: 03.03.2014

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