Braunbär Bruno

Stichtag

26. Juni 2006 - Braunbär Bruno wird in Bayern erschossen

"Der normal verhaltende Bär lebt im Wald, geht niemals raus, und reißt vielleicht ein bis zwei Schafe im Jahr … Wir haben dann einen Unterschied festgestellt zwischen dem normal-verhaltenden Bär, dem Schadbär und dem Problembär, … und es ist ganz klar, dass dieser Bär ein Problembär ist", sagt Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU). Denn im Mai 2006 war erstmals seit 170 Jahren ein wild lebender Bär in Deutschland aufgetaucht. Sein offizieller Name lautet JJ1, die Menschen aber nennen ihn Bruno. Zunächst sagt der damalige Landes-Umweltminister Werner Schnappauf (CSU): "Ich kann ihm nur zurufen: In Bayern herzlich willkommen!" Doch Bruno hat Hunger – und erschreckt die Almbewohner. Nach 35 toten Schafen, mehreren gerissenen Ziegen, drei geplünderten Bienenstöcken, drei überfallenen Hühner- und Kaninchenställen und einem toten Meerschweinchen ist die Nachsicht bei Minister Schnappauf zu Ende: "Der Bär ist offensichtlich außer Rand und Band!" Bruno soll erst getötet und nach Protesten von Tierschützern nur noch betäubt und außer Landes geschafft werden.

Bruno ignoriert die Falle und eine Bärendame

Die Bayern bauen also eine kanadische, 3.000 Euro teure Röhrenfalle auf – die Bruno ignoriert. Der zweite Versuch: Den Bären mit einer hübschen, gut riechenden Bärendame aus Bayern heraus locken. Doch so sehr der Bär mit Schafen und Honig liebäugelt, die Bärin verschmäht er. Im dritten Versuch rücken Experten aus dem Ausland an. Zum Preis von 30.000 Euro sollen finnische Bärenjäger Bruno aufspüren und stellen – gemeinsam mit schwedischen und norwegischen Elchhunden. Doch die skandinavischen Hunde kämpfen mit der Hitze des Sommers 2006. Ihnen wird das Fell geschoren, aber sie brechen erschöpft zusammen. Nach zwei Wochen wird die Suche ergebnislos abgebrochen. Umweltminister Schnappauf sagt: "Es besteht keine Alternative, als die Abschussgenehmigung wieder aufleben zu lassen."

Wer erschoss Bruno?

Doch Bruno ist mittlerweile zur Ikone geworden: Bild-Zeitung und New York Times drucken ihn auf den Titel. Papst Benedikt spricht sich für ihn aus. Bruno-Fanclubs gründen sich, sie drucken T-Shirts mit der Aufschrift "Mich kriegt ihr nie". Der bayerische Landesjagdverband weigert sich, die Abschussgenehmigung in die Tat umzusetzen. Und vorsorglich verweist die herbeigerufene Polizei auf die mangelnde Erfahrung der Streifenwagen beim Großwildeinsatz.

as Landratsamt von Miesbach schließlich, einer Kleinstadt rund 45 Kilometer südöstlich von München, stellt eine Truppe von Schießfreudigen zusammen. Was internationalen Spezialisten in Wochen nicht gelang, schaffen die bewaffneten Bayern in einer Nacht: Sie finden den Bären und stellen ihn auf einer Alm in ihrem Landkreis. Bruno wird am 26. Juni 2006, morgens um 4.50 Uhr, erschossen. Otmar Bernhard, Staatssekretär des bayrischen Umweltministeriums, erklärt der Öffentlichkeit: "Die Schussentfernung betrug etwa 150 Meter. Der Bär wurde sofort getötet und schmerzlos erledigt." Wer der Schütze war, bleibt bis heute ein Geheimnis.

"Jeder liebt Bären"

Nun geht bei der Staatsanwaltschaft München eine Flut von Anzeigen gegen Umweltminister Schnappauf ein. Er erhält auch Drohbriefe, darin stehen Sätze wie "Du hast den Bären getötet. Dafür musst du büßen. Ich hasse dich, du bist der letzte Dreck." Schnappauf sucht nach Worten: "Das ist eine der schwersten Entscheidungen gewesen, die ich je zu treffen hatte. Denn jeder liebt Bären." Der Kadaver wird ausgestopft und im Münchener "Museum Mensch und Natur" ausgestellt, das Wort "Problembär" als Wort des Jahres nominiert. Bayern ernennt einen Bärenbeauftragten. Damit landet das Bundesland im Schwarzbuch der Steuerverschwendung – denn bis heute wartet der bayerische Bärenmanager auf einen neuen Fall. Deutschland unterstützt weiterhin EU-Projekte zur Ansiedlung von Bären in freier Wildbahn. Denn jeder liebt Bären. Nur nicht im eigenen Land.

Stand: 26.06.2011

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