Ray Charles am E-Piano bei Gala-Konzert in Pasadena, Kalifornien, 1991

Stichtag

10. Juni 2009 - Vor 5 Jahren: Tod des Soul-Musikers Ray Charles

"Man kann jemandem das Klavierspielen beibringen, aber nicht das Gefühl dafür. Das ist da oder nicht", sagt Ray Charles. "Deswegen glaube ich, dass ich damit geboren wurde." Sonst ist nicht viel da, als Raymond Charles Robinson am 23. September 1930 in Albany, Georgia geboren wird, schon gar kein Klavier.

Aretha Robinson hat Mühe, ihre beiden Söhne überhaupt satt zu bekommen. Der Vater von George und Ray ist mit einer anderen Frau verheiratet. Doch schon als Dreijähriger ist Ray von Musik fasziniert. Nach der Kirche läuft er immer zum alten Mr. Pitman, der ihm auf seinem Klavier kleine Melodien beibringt. Fortan ist es die Musik, die ihm Halt gibt: Als sein kleiner Bruder vor seinen Augen ertrinkt, als er zwei Jahre später, mit sieben Jahren, erblindet, und als er nach dem Tod seiner Mutter mit 15 ganz allein in der Welt steht. "Lass dich durch nichts und niemandem zu einem Krüppel machen", hat Ray seiner Mutter versprechen müssen. So beschließt er, der feindlichen Welt die Stirn zu bieten, als Musiker.

Der junge Ray Charles hat bereits alles drauf: Jazz, Blues, Gospel und all die Country-Songs aus dem Radio. Bald stellt er eigene Bands zusammen und findet, nachdem er einige Zeit Größen wie Nat King Cole imitiert hat, seinen eigenen, völlig neuen Stil: Den Soul, die Musik, die aus der Seele kommt. Auf die Melodie eines alten Kirchenliedes schreibt Ray Charles einen lebenshungrigen Text über die Liebe und hat 1954 mit "I've got a woman" seinen ersten Hit. Viele schwarze Gläubige werfen ihm Gotteslästerung vor, doch Ray, der blinde Prediger des Lebens, hat Erfolg. Sogar bei den Weißen und das ist eine Sensation damals. 1959 ersetzt er das religiös-ekstatische Frage- und Antwortspiel zwischen Priester und Gemeinde durch ein sinnlich-wildes Liebesgestöhn und schreibt mit "What'd I say" seinen ersten Welt-Hit. So wie Ray Charles singt, so lebt er auch. Obwohl er verheiratet ist, hat er viele Geliebte und zeugt neben drei ehelichen mindestens neun uneheliche Kinder. Er will das Leben, den Sex, in vollen Zügen genießen. So manche seiner Frauen verzweifelt daran.

Obwohl er fast zwei Jahrzehnte heroinabhängig ist, bleibt Ray Charles immer Voll-Profi und Herr seiner eigenen Karriere. Als einer der ersten schwarzen Musiker behält er die Rechte an seinen Werken, was ihn im Laufe seiner Karriere zum vielfachen Millionär macht. Als Schwarzer aus Georgia im tiefen Süden der USA macht auch Ray Charles bittere Erfahrungen mit dem Rassismus. Doch der Freund von Martin Luther King lässt sich nicht unterkriegen. Er gibt Konzerte für die Bürgerrechtsbewegung, weigert sich, in "Rassistenläden" zu spielen und erhält dafür Auftrittsverbot in seiner Heimat. Jahrzehnte später aber wird sein Song "Georgia on my Mind" zur offiziellen Hymne des Staates Georgia erklärt. Fast 60 Jahre lang reißt Ray Charles die Menschen rund um den Erdball mit seiner Musik mit. Wenn er, schon im Rhythmus zappelnd, auf die Bühne geführt wird, wenn er mit seiner unverwechselbar krächzenden Stimme all das offenbart, was er gerade fühlt, dann spricht er alle Sprachen und erreicht Menschen aller Hautfarben. Schon geschwächt vom Leberkrebs nimmt Ray Charles seinen letzten Song auf: "Sinners's Prayer" - Gebet eines Sünders. Am 10. Juni 2004 stirbt der Vater des Soul in seinem Haus in Beverly Hills.

Stand: 10.06.09