Eine beklebte Litfaߟsäule 1966

Stichtag

11. Februar 1816 - Ernst Litfaß wird geboren

Ernst Litfaß ist der "Säulenheilige" der deutschen Werbewirtschaft. Seine Buchdruckerei fertigt Anzeigen, Plakate, Flugzettel und Theaterprogramme, die in ganz Berlin geklebt werden. Als ihn der Wildwuchs ärgert, schlägt er der Stadt die Plakatierung an "Litfaßsäulen" vor.

Theater, Cabarets, Parteien, Mundwasserfabrikanten und Droschkenunternehmen: Sie alle plakatieren wild an Berliner Häuserwänden. Nicht nur den Bewohnern, auch der Obrigkeit ist das ein Dorn im Auge. Da erinnert sich der Druckereibesitzer Ernst Litfaß an das, was er auf Reisen durch Paris und London gesehen hat, und macht General-Polizeidirektor Karl Friedrich von Hinckeldey ein verführerisches Angebot.

Mit 150 "Annonciersäulen" will Litfaß dem verschandelnden Wildwuchs Einhalt gebieten: sofern er dafür das Monopol aufs Plakatieren erhält. Aber nicht nur das: Die preußischen Behörden sollen ihre Mitteilungen dort kostenlos unters Volk bringen können. Die Stadt schlägt zu: Im Juli 1855 erhält Litfaß vom königlichen Polizeipräsidium das Recht, "massive Säulen und zweckentsprechende Umhüllungen von Straßenbrunenn zur Aufnahme von öffentlichen Anzeigen in den belebtesten Straßen der Stadt und nächster Umgebung aufzustellen." Litfaß wird zum "Säulen-Heiligen" und "Reklame-König" der jungen Werbewirtschaft.

Der "Berliner Krakehler"

Geboren wird Litfaß am 11. Februar 1816 in Berlin. Sein Vater, ein Druckereibesitzer, stirbt kurz nach der Geburt des Sohnes. Dass der das Geschäft einst übernehmen wird, gilt schon früh als ausgemacht. Litfaß macht eine Ausbildung als Buchhändler, aber zunächst zieht es ihn zur Bühne. Zwei Jahre lang tingelt er als "Herr Floduardo" durch den Norden Deutschlands, bevor er bei einer reichen Witwe strandet, die ihn aushält. 1837 beendet der preußische Militärdienst das süße Leben. 30 Jahre ist Litfaß alt, als er 1846 die väterliche Druckerei von seinem Stiefvater übernimmt.

Schon früh führt Litfaß moderne Schnellpressen und den Buntdruck ein. Ab 1825 produziert sein Unternehmen alle Programme der Theater Berlins. 1848 stellt Litfaß sich mit der Satire- und Karikaturenzeitschrift "Berliner Krakehler" an die Spitze der deutschen bürgerlichen Revolution. Auf eine Auflage von 20.000 Exemplaren kommt das populäre Blatt, bevor es schon nach einem halben Jahr verboten wird. Ansonsten tut sich Litfaß schon früh mit Werbung hervor. Neben Flugzetteln für Damenshampoo sind darunter auch die ersten großflächigen Plakate, die mit sechs mal neun Metern das Stadtbild prägen.

"Annoncier-Polka" zur Eröffnung

Im Juli 1855 enthüllt Litfaß vor seiner Druckerei in der Adlerstraße die erste, rund 3,3 Meter hohe, in "Englisch-Grün" gestrichene und mit einem Palmblattfries aus Eisenblech gekrönte Säule. Zuvor hat er das Ereignis selbst werbewirksam in Tageszeitungen angekündigt, seine "Anschlagspediteure" genannten Plakatierer nehmen zu einer eigens komponierten "Annoncier-Polka" in unmittelbarer Säulenähe Aufstellung. Erste Großkunden sind der Berliner Kaufhausbesitzer Rudolph Carl Hertzog und Zirkusdirektor Ernst Renz, die ihre Plakate eh schon bei Litfaß drucken lassen. Zunächst ist der Anschlag als Kundenbindungsköder kostenlos; später fallen satte Monatsmieten an.

1865 wird die Zahl der Litfaßsäulen in Berlin auf 200 erhöht. Wer auch immer im Stadtraum Reklame machen will, kommt an Litfaß nicht mehr vorbei. In den Kriegen von 1866 und 1870/71 erhält der Unternehmer zudem das Recht, Kriegsdepeschen und Siegesmeldungen als Erster zu veröffentlichen. Das bringt noch mehr Publikum an seine Säulen, wovon wiederum die bei ihm werbende Privatwirtschaft profitiert. Litfaß stirbt 1874 im Alter von nur 58 Jahren bei einem Kuraufenthalt in Wiesbaden. Seine Erben indes können vom Erfolg das Werbepioniers kaum profitieren: Kurz nach dem Tod des Erfinders vergeben die Berliner Behörden die Konzession zur Betreibung der Litfaßsäulen für die damals ungeheuerliche Summe von 50.000 Mark an einen Mitbewerber – für nur ein Jahr.

Stand: 11.02.2016

Programmtipps:

Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.

"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 11. Februar 2016 ebenfalls an Ernst Litfaß. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.