Social Media und das Urheberrecht

Wenn das Teilen teuer wird

Stand: 07.05.2012, 00:01 Uhr

Fotos, Videos, Texte: Das Teilen macht die sozialen Netzwerke für die Nutzer besonders attraktiv. Was dabei oft vergessen wird: Wer Daten teilt, kann schnell Urheberrechte verletzen. Die wichtigsten Tipps, um Abmahnungen und Schadensersatzansprüche zu vermeiden.

Von Insa Moog

Jedes Facebook-Profil ist durchschnittlich 14.000 Euro an Abmahngebühren wert. Das jedenfalls hat ein Anwaltskollege von Udo Vetter nach der Prüfung von rund 100 Nutzerprofilen einmal überschlagen. "Die Summe bezieht sich auf offensichtliche Rechtsverletzungen. Das beginnt damit, wenn Nutzer etwa Fotos von Online-Nachrichtenmedien kopieren und dann bei Facebook hochladen", erklärt Vetter, selbst Blogger, Strafverteidiger und Lehrbeauftragter für Medienrecht an der Fachhochschule Düsseldorf.

Vorsicht beim Teilen von "Witzbildern"

Zu einer Abmahnwelle führen nach Vetters Beobachtung derzeit besonders "Witzbilder", die bei Facebook eine rasende Verbreitung finden. Aktuelles Beispiel: Auf dem Bild ist ein Mann von hinten zu sehen, der durch einen Park geht. Auf dem Fahrrad kommt ihm eine Frau entgegen - oben ohne. Dazu der Kommentar: "Made my day" (auf Deutsch etwa: "Hat meinen Tag gerettet"). "Das Bild ist hunderttausend Mal verbreitet worden. Es stammte aber von einem professionellen Fotografen", und der, so Vetter, ließe nun jeden Einzelnen akribisch abmahnen. "Der Eindruck 'das habe ich doch schon bei so vielen gesehen' führt bei manchen Usern dazu, Bilder ohne nachzudenken weiter zu verbreiten." Ein Fehler. Für die erstmalige Abmahnung bei einem Urheberrechtsverstoß im privaten Bereich dürfen maximal 100 Euro verlangt werden. Die Höhe von Schadensersatzansprüchen ist allerdings nicht gedeckelt. Und die Möglichkeiten, im Netz eine Urheberrechtsverletzung zu begehen, sind vielfältig.

Fotos: Ist der Rechteinhaber einverstanden?

Wer ein Foto über Facebook veröffentlicht, sollte immer wissen, wer Rechteinhaber ist und ob der- oder diejenige damit einverstanden ist. Ob Profi-, Hobby- oder Amateurbild - Fotos sind immer geschützt, die Qualität spielt dabei keine Rolle. "Sie treten an Facebook die Rechte ab, aber nicht die Risiken," so Vetter. "Für das, was Sie selbst einstellen, haften Sie auch." Der Anwalt warnt daher vor der Verwendung von Fotos von Bilderportalen, auf denen Hobbyfotografen ihre Fotos zur freien Veröffentlichung zur Verfügung stellen - wenn sie als Quelle genannt werden. "Werden diese Fotos genutzt, ohne den Urheber zu nennen, können die Fotografen zur Kasse bitten. Bauernfängerei, mit der findige Fotografen sich etwas dazu verdienen." Gleiches gelte bei der Verwendung von Wikipedia-Bildern. Auch wenn diese in der Regel unter Creative Commons-Lizenz stehen, müsse genau geprüft werden, unter welchen Bedingungen sie erneut veröffentlicht werden dürfen.

Abmahnung: Immer erst Anwalt konsultieren

Für Schlagzeilen sorgte kürzlich der Fall, bei dem erstmals ein Facebook-Mitglied abgemahnt wurde, weil ein Freund auf seiner Pinnwand ein urheberrechtlich geschütztes Foto von einer Quietscheente gepostet hatte. "Ich halte diese Abmahnung für unbegründet", sagt Vetter. "Wenn unter einem Blog jemand kommentiert und etwa einen fremden Artikel postet, kann der Blogbetreiber dafür auch nicht unmittelbar haftbar gemacht werden." Stattdessen könne der Rechteinhaber den Blogbetreiber förmlich über Urheberrechtsverletzung informieren. Der Blogbetreiber müsse dann unverzüglich und innerhalb der "Beseitigungsfrist" reagieren. Ohne diese "In-Kenntnis-Setzung" haften Seitenbetreiber für die Inhalte Dritter nicht ("Forenhaftung"). Viel Rauch um nichts im Fall um das Badeenten-Bild auf der Facebook-Pinnwand, urteilt Udo Vetter. Wer eine Abmahnung erhält, so rät der Jurist, solle diese auch aus einem weiteren Grund immer erst einem Anwalt vorlegen: Oft seien die Forderungen überzogen.

Fotos: Persönlichkeitsrechte achten

Junge Frau benutzt Notebook unterwegs

(Mit)teilen: Fremde Rechte verletzt?

Beim Teilen von Fotos können aber nicht nur Urheber-, sondern auch Persönlichkeitsrechte verletzt werden. Beispiel Partyfotos oder Fotos von Personen in privaten Räumen: Diese Bilder dürfen ohne die Zustimmung der darauf gezeigten Personen nicht veröffentlicht und bei Facebook oder Google+ hochgeladen werden. Das Recht am eigenen Bild geht vor - selbst wenn die Partygäste mitbekommen haben, dass sie fotografiert werden. "Das ist keine schlüssige Einverständniserklärung für eine Veröffentlichung", erklärt Udo Vetter. Einzige Ausnahme: Personen, die in der Öffentlichkeit als Teil einer großen Gruppe fotografiert werden. In dem Fall gilt die so genannte "Panoramafreiheit". "

Wenn eine Person A, die ein Bild von Person B ins Netz stellt, ohne dass Person B zugestimmt hat und Person C wiederum das Bild in seinem Netzwerk teilt, begeht wie Person A eine Urheber- bzw. Persönlichkeitsrechtsverletzung. Denn ein Foto erneut zu teilen, ist gleichbedeutend damit, eine Kopie anzufertigen und diese zu verbreiten. Auf welcher Plattform es veröffentlicht wird, spielt dabei keine Rolle mehr: Netz ist Netz.

Privatsphäreeinstellungen: Verbreitung aktiv einschränken

Mithilfe der Privatsphäreeinstellungen ist es möglich, bestimmte Inhalte nur mit einem ausgesuchten Teil der Facebook-/ bzw. Google+ Kontakte zu teilen. So kann ein Foto oder Beitrag nur einem kleinen, bestimmbaren und eng verbundenen Personenkreis zugänglich gemacht werden. Diese Personen können den Beitrag innerhalb von Facebook zwar selbst teilen, er wird aber nur für den ursprünglich adressierten Kreis sichtbar sein bzw. für die Freunde, die beide Postenden gemeinsam haben. Bei Google+ können Beiträge vorab oder nachträglich für das weitere Teilen gesperrt werden. Kann ein Foto-Post, das etwa mit weniger als zehn Personen geteilt wurde, auch als Urheberrechtsverstoß ausgelegt werden? Das sei noch nicht unbedingt eine "Verbreitung" und falle dadurch durchaus noch unter "Privatkopie", so Vetter. "Allerdings gibt es zu diesem Punkt naturgemäß wenig Rechtsprechung, so dass Gerichte - wie immer - auch anders entscheiden könnten."

Videos: Verlinken oder über einen Player

Fremde Youtube-Videos über eingebettete Player (auch: Frames) bei Facebook oder Google+ zu teilen, ist bekanntlich unproblematisch. Nicht erlaubt ist, Videos zu kopieren und in einem anderen Kontext wieder hochzuladen. Youtube ist selbst nicht verpflichtet, von Usern hochgeladene Videos vorab auf mögliche Urheberrechtsverletzungen zu kontrollieren. Das hat kürzlich das Hamburger Landgericht im Gema-Streit bestätigt. Videos, die bei Youtube verfügbar sind, können wie beschrieben geteilt werden. "Man kann sich auf das plattform-eigene Überwachungssystem verlassen. Videos, die Urheberrechte verletzen, verschwinden schnell wieder aus dem Angebot. Wenn es bei Youtube durchgeht, kann man User nicht haftbar machen", kommentiert Vetter.

Verlinkungen: Abwägungssache

Schwieriger ist die Situation bei Verlinkungen. Der einfache Link auf einen fremden Inhalt ist nicht strafbar. Wird in Beschreibung, Link- oder Antext aber hinreichend beschrieben, was sich hinter der Url verbirgt, kann dies juristisch anders ausgelegt werden: Wer sich im Beschreibungstext kritisch äußert und distanziert, macht sich den verlinkten Fremd-Content nicht zu eigen. Wer lobend darauf hinweist, hingegen schon. "Immer eine Frage des Einzelfalls", betont Jurist Udo Vetter.

Textzitate: Nur im Rahmen des Zitatrechts

Die Wiedergabe fremder Texte ist nur im Rahmen des Zitatrechts erlaubt. Ein komplett abfotografierter Zeitungsartikel ist ebenso wie ein komplett kopierter und neu veröffentlichter Fremdtext eine Urheberrechtsverletzung. Ganze Texte dürfen nach dem Zitatrecht nur dann komplett zitiert werden, "wenn eine eigene inhaltliche Auseinandersetzung stattfindet", erklärt Udo Vetter. Das wäre der Fall, wenn jeweils einzelne Abschnitte zitiert und direkt im Anschluss kommentiert würden. "Gibt es diese Auseinandersetzung nicht, muss man mit Unterlassungsansprüchen oder Schadensersatzforderungen der Urheber rechnen. Noch teurer werde es, wenn der tatsächliche Urheber bei einer Fremdveröffentlichung nicht mal genannt wurde.

Twitter: Kaum Rechtsverstöße möglich

Und Twitter? Mit 140 Zeichen Urheberrecht an Texten zu verletzen ist schwierig. Möglich ist das aus Sicht von Jurist Vetter eigentlich nur, wenn in einem Tweet etwa ein Aphorismus, ein feingeistiger Sinnspruch, eines (prominenten) Autors zitiert werde. "Zum Beispiel ein Zitat des Komikers Karl Valentin. Seine Erben verfolgen das und verlangen dafür Geld." Es reiche auch nicht aus, den Verfasser in Klammern hinter das Zitat zu schreiben. Andere Urheberrechtsverletzungen seien bei Twitter kaum möglich.