Medien-Preis für hörgeschädigte Schüler

Posten – aber richtig!

Stand: 08.11.2012, 06:00 Uhr

Herzlichen Glückwunsch! Sieben hörgeschädigte Schüler der Förderschule für Hören und Kommunikation in Münster erhielten am Donnerstag (08.11.2012) in Wien den "media literacy award" für ihren Film über das richtige Verhalten in sozialen Netzwerken.

Von Petra Brönstrup

Matthias, Dogukan, Semir, Aya, Sven und Hussein können es kaum erwarten, in Wien den Preis vor großem Publikum entgegen zu nehmen. Eine Auszeichnung haben die sechs Schüler und ihre Mitschülerin Ferida, die leider nicht nach Wien fahren kann, weil sie zurzeit krank ist, für ihren Film schon bekommen - von den Stadtwerken Münster. Der "media literacy award" wird jedes Jahr vom österreichischen Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur für innovative medienpädagogische Projekte an europäischen Schulen verliehen. "Der Preis des österreichischen Ministeriums, der ist für die Schüler etwas ganz Besonderes", sagt Monika Wormann. Die Sonderschulpädagogin übersetzt, was die Schüler in Gebärdensprache mitteilen. Die Schüler sind hörgeschädigt, sie können fast nichts hören und auch nicht sprechen. Sie besuchen die Münsterlandschule in Münster, die ist eine Einrichtung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL). Hier werden mehr als 200 hörgeschädigte Kinder und Jugendliche unterrichtet.

Geschichten in Bildern erzählt

Monika Wormann

Lehrerin Monika Wormann übersetzt für die Schüler gesprochene Sprache in Gebärdensprache.

Trotz ihrer Behinderungen haben die Schüler einen Film gemacht, über riskantes Verhalten in sozialen Netzwerken. Dafür standen sie selbst vor und hinter der Kamera. "Ich, in der Rolle eines Verbrechers, mit einer Maske vor dem Gesicht, das hat mir besonders gut gefallen", erzählt Matthias in Gebärdensprache. Der 14-Jährige mimt im Film einen Mann, der sich über "Facebook" die Adresse einer Frau beschafft und diese dann in ihrer Wohnung überfällt.

Im Film gibt es einige solcher Szenen, die klar machen, was passiert, wenn man zuviel von sich in sozialen Netzwerken preisgibt oder auch ohne Scheu eine Verabredung mit einem völlig fremden Menschen eingeht. Das Beispiel im Film: Eine junge Frau ist ganz angetan von dem Fremden, den sie über "Facebook" kennengelernt hat. Sie verabredet sich mit ihm an einer Bushaltestelle und erlebt statt eines schönen Rendezvous’ einen brutalen Überfall. Auch diese Geschichte haben die Schüler nachgespielt. Da sie nicht sprechen können, setzen sie auf die Macht der Bilder, auf Musik und auf Schrift. Das funktioniert, sehr gut sogar. Die Jury würdigte nicht nur die gute und allgemein zugängliche Internetaufbereitung des visuellen Leitfadens, sondern auch die medienpädagogische Auseinandersetzung der Jugendlichen mit den Medien Film und Internet. "Beeindruckt hat auch der Einsatz der Gebärdensprache ohne gekünstelte Dolmetschung, sondern als natürliche Alltagssprache der gehörlosen SchülerInnen", heißt es in der Begründung.

Von der Idee zum Film

"Wir wollen Menschen, die sich mit sozialen Netzwerken nicht auskennen, die Gefahren aufzeigen und ihnen Tipps geben, wie sie sich davor schützen können", erklärt Semir. Der 16-Jährige mimt im Film einen Einbrecher, der sich mit einer Brechstange Zugang zu einer Wohnung verschafft. Dass die Bewohnerin nicht zu Hause ist, hatte der Einbrecher von ihr selbst über "Facebook" erfahren.

Matthias, Dogukan, Semir, Aya, Sven, Hussein und Ferida haben die Verhaltensregeln für soziale Netzwerke zusammen mit ihren Lehrern zunächst theoretisch erarbeitet, dann überlegt, wie sie diese Regeln in Bilder umsetzen können. "Das war für die Schüler nicht schwer, da sie als hörgeschädigte Menschen sehr stark visuell geprägt sind", erklärt Anna Lamm. Sie hat an der Münsterlandschule für hörgeschädigte Kinder und Jugendliche in Münster ihr Referendariat als Sonderschulpädagogin absolviert. Von ihr stammt auch die Idee zu diesem Filmprojekt.

Spaß am Spiel

"Unsere Schüler kommen aus dem gesamten Münsterland, nach Schulschluss sind sie viel in sozialen Netzwerken unterwegs, um Kontakt zueinander zu halten", sagt Anna Lamm. "Da ist es natürlich auch für sie von Vorteil zu wissen, wie es richtig geht." Dogukan, Semir, Matthias und Sven beteuern, dass sie sich auch schon vorher bestens ausgekannt hätten. Aber Spaß an dem Projekt hatten sie trotzdem. "Alle wollten unbedingt vor der Kamera stehen, sich verkleiden, schauspielern", erzählt Anna Lamm. Für sie ist das nicht verwunderlich. "Hörgeschädigte sind daran gewöhnt, sich über ihren Körper, über ihre Gestik und Mimik auszudrücken."

Neue Film-Idee

Zwei Monate lang haben die Schüler an ihrem Film gearbeitet. Als das Werk fertig war, hat Referendarin Lamm es bei unterschiedlichen Wettbewerben angemeldet. Im Oktober kam dann die Nachricht aus Wien, dass die Schüler mit ihrem Film den "media literacy award" in der Kategorie Inklusion gewonnen haben. Das motiviert. Matthias hat sogar schon eine Idee für einen neuen Film: Benimm-Regeln für Schüler und Lehrer auf Klassenfahrt.

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