Blick auf die Anklagebank und auf Akten im Sauerland-Prozess

Chefankläger Brinkmann hat das Wort

Sauerland-Gruppe droht lange Haft

Stand: 04.02.2010, 15:24 Uhr

Den mutmaßlichen Terroristen der islamistischen Sauerland-Gruppe drohen lange Haftstrafen. Nach dem Willen der Bundesanwaltschaft sollen sie bis zu 13 Jahre hinter Gitter. Das beantragte am Donnerstag (04.02.2010) Chef-Ankläger Volker Brinkmann in Düsseldorf.

Wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung, Verabredung zum Mord und Vorbereitung einer Sprengstoffexplosion forderte die Bundesanwaltschaft 13 Jahre Haft für Daniel S., zwölfeinhalb Jahre für Fritz G. und elfeinhalb Jahre für Adem Y. Die Strafforderung für Daniel S. beinhaltet den Vorwurf des versuchten Mordes an einem Polizisten und des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte. Der vierte Angeklagte Atilla S. soll nach dem Willen der Anklage als Unterstützer der Terrorvereinigung für fünfeinhalb Jahre ins Gefängnis.

"Massenmorde unvorstellbaren Ausmaßes geplant"

Die Bundesanwaltschaft wirft den Angeklagten vor, mit gewaltigen Autobomben "Massenmorde unvorstellbaren Ausmaßes geplant" zu haben. Nur durch die Festnahmen der Angeklagten sei dies verhindert worden. "Schwer verletzte Menschen mit abgerissenen Gliedmaßen waren Teil des Kalküls", sagte Brinkmann. So sollten die Bomben noch mit Metallteilen gespickt werden, um die Splitterwirkung zu erhöhen: "Das Ausmaß der Menschenverachtung und Gefühllosigkeit ist abgrundtief", sagte der Ankläger.

Freude bei Gedanken an beabsichtigtes Blutbad

Laut Bundesanwaltschaft war Fritz G. (30) der "Motor des Geschehens", der von den anderen akzeptierte "Emir" der Gruppe gewesen. Adem Y. (31) habe "schon der Gedanke an das beabsichtigte Blutbad erfreut". Außerdem habe er einen späteren Selbstmord-Attentäter geschleust, der mehrere ISAF-Soldaten getötet habe. Anzeichen eines Umdenkens seien lediglich beim einst "strammen Gotteskrieger" Daniel S. zu erkennen, der bei seiner Festnahme noch trotzig in die Kameras geblickt habe. Daniel S. habe aber darüber hinaus bei seiner Festnahme versucht, einen Polizisten zu ermorden: "Sie wollten den Beamten über den Haufen schießen", warf ihm der Bundesanwalt vor.

Sprengkraft von 410 Kilogramm TNT

Die Sauerland-Gruppe hatte nach Überzeugung der Anklage im Auftrag der im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet ansässigen Terrorgruppe Islamische Dschihad Union (IJU) Anschläge auf US-Einrichtungen in Deutschland geplant. Die Islamisten seien aus religiöser Verblendung von einem unbändigen Hass auf US-Soldaten getrieben gewesen und hätten auch vor der Tötung von Frauen und Kindern nicht zurückgeschreckt. Auf diese Weise sollte der Bundestag zu einem Truppenabzug aus Afghanistan genötigt werden. Die Terroristen hätten sich hoch konspirativ verhalten und 150, am liebsten aber mehr Menschen töten wollen. Die kaum vorstellbare Sprengkraft ihrer Bomben hätte 410 Kilogramm TNT entsprochen.

Verteidigung: Maßvolle Strafanträge

Aus den Reihen der Verteidiger wurden das Plädoyer als "seriös" und die Strafanträge als "maßvoll" bezeichnet. Dennoch gebe es noch Spielraum beim Urteil. Die Verteidigung will kommende Woche plädieren. Das Urteil soll am 4. März gesprochen werden. Damit könnte der "Sauerland"-Prozess am Oberlandesgericht in Düsseldorf nach zehn Monaten deutlich früher als erwartet zu Ende gehen.

Die Gruppe der mutmaßlichen Terroristen war im Herbst 2007 nach monatelanger Beobachtung durch die Sicherheitsbehörden im sauerländischen Medebach-Oberschledorn festgenommen worden. In einem Ferienhaus hatten sie damit begonnen, Sprengstoff herzustellen. Drei der Angeklagten wurden dort von einem Einsatzkommando gestellt. Der vierte Angeklagte Atilla S. wurde später in der Türkei verhaftet. Seit April 2009 stehen sie vor Gericht.

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