Ein Schild mit dem Envio-Betriebslogo im August 2010

Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen

Envio-Klage gegen Stilllegung vertagt

Stand: 04.08.2011, 19:45 Uhr

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat am Donnerstagabend (04.08.2011) die Entscheidung über die Klage des Abfallentsorgers Envio gegen die Bezirksregierung Arnsberg vertagt. Envio klagt gegen die Stilllegung und die Zahlung einer Gewährleistung in Höhe von 1,8 Millionen Euro.

"Nach stundenlanger Verhandlung ist das Verfahren vertagt worden", sagte Karsten Herfort, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, am Donnerstagabend zu WDR.de. Neu gestellte Beweisanträge hätten in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht behandelt werden können. Wann weiter verhandelt werde, sei noch offen.

Die Vorgeschichte: Im Mai 2010 war das Dortmunder Recycling-Unternehmen Envio stillgelegt worden. Untersuchungen hatten ergeben, dass der PCB-Entsorger auf seinem Betriebsgelände massiv gegen Gefahrenstoffverordnungen verstoßen hatte - bei Teilen der Mitarbeiterschaft wurde eine PCB-Belastung festgestellt, die 25.000-fach über der Durchschnittsbelastung der Bevölkerung lag.

Unterschiedliche Auffassungen zur Stilllegung

Envio wehrt sich auf gerichtlichem Weg gegen die Stilllegung der Abfallentsorgungsanlage. "Die im Mai 2010 erfolgte Stilllegung von Envio war nicht gerechtfertigt", sagt Christian Stockmann, Assistent der Envio-Geschäftsführung. Er beklagt vor allem die Stilllegung des sogenannten weißen Bereichs der Firma, der als PCB-frei galt. Dort war im Jahr 2010 bei einer Kontrolle der Bezirksregierung Arnsberg ein PCB-verseuchter Trafo gefunden worden. Daraufhin wurde ein Teil des Betriebes stillgelegt.

"Die Messwerte auf dem betroffenen Gelände befanden sich im sogenannten mittleren Eingriffsbereich. Ein solcher Wert rechtfertigt keine Stilllegung", so Stockmann. Die Bezirksregierung Arnsberg ist jedoch anderer Auffassung: "Wir haben uns damals auf die sichere Seite begeben", sagt Christoph Söbbeler, Pressesprecher von der Bezirksregierung Arnsberg. Die damaligen Untersuchungen hätten ergeben, dass der "schwarze Bereich", in dem mit PCB-kontaminiertem Material hantiert wurde, und der "weiße Bereich", der als PCB-frei galt, nicht sauber voneinander getrennt gewesen seien.

Streit um Sicherheitsleistung

Darüber hinaus sollen die Richter prüfen, ob die Verpflichtung von Envio, eine Sicherheitsleistung in Höhe von 1,8 Millionen Euro für die Sanierung des Betriebsgeländes zu erbringen, rechtmäßig ist. Die Sicherheitsleistung soll im Fall einer Betriebseinstellung gewährleisten, dass das verantwortliche Unternehmen für finanzielle Schäden aufkommt - und nicht der Steuerzahler.

Die Envio Group will auf die Millionen-Forderung jedoch nicht eingehen. "Wir haben anlässlich der damaligen Genehmigungserteilung bereits eine Sicherheitsleistung in Höhe eines sechsstelligen Betrags erbracht", sagt Stockmann. Es sei nicht gerechtfertigt, im Nachhinein eine weit höhere Summe einzufordern. Die Bezirksregierung Arnsberg wendet jedoch ein, dass man vor dem Hintergrund der besonderen Situation gezwungen gewesen sei, die Summe aufzustocken.

Neue Vorwürfe gegen Bezirksregierung

Abgesehen von der gerichtlichen Auseinandersetzung muss die Bezirksregierung Arnsberg sich darüber hinaus mit jüngst aufgekommenen Vorwürfen auseinandersetzen, dass unbefugte Personen sich kürzlich Zugang zu dem abgesperrten Envio-Gelände verschaffen konnten. Ein Journalist der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" wollte auf diese Weise auf Sicherheitslücken hinweisen.

Der Linken-Abgeordnete Rüdiger Sagel hat im Zuge dessen mittels einer "Kleinen Anfrage" die Frage aufgeworfen, ob die Sicherheitslücken auf dem mit PCB-belasteten Envio-Gelände "eine Wiederaufnahme der Ermittlungen gegen die Bezirksregierung rechtfertigen". Die Staatsanwaltschaft hatte im Juni ihre Ermittlungen gegen die Bezirksregierung eingestellt - und das obwohl die Landesregierung festgestellt hatte, dass die Bezirksregierung illegale Betriebsteile der Envio-Anlagen über einen längeren Zeitraum stillschweigend geduldet hatte.

Sicherungsmängel nicht bestätigt

Ein daraufhin eingeleitete Untersuchung des Envio-Geländes kam allerdings zum Ergebnis, dass die Sicherungmaßnahmen keine größeren Lücken aufweisen. Das teilte ein Sprecher des NRW-Umweltministeriums am Donnerstag mit. Das Ministerium hatte die Überprüfung in der vergangenen Woche angeordnet.

Nach Angaben der Bezirksregierung Arnsberg stellt die Situation auf dem fraglichen Gelände keine gesundheitliche Gefahr für die Bürger dar. "Das Gelände ist gesichert und es werden keine PCB-haltigen Stäube in die Umgebung geweht", sagte der Umwelt-Abteilungsleiter der Bezirksregierung, Bernd Müller. Dennoch sollten nun vorsorglich sämtliche Sicherungsmaßnahmen auf dem Gelände überprüft werden.

Sanierungsfrage ungeklärt

Unterdessen gab Regierungspräsident Gerd Bollermann (SPD) bekannt, dass die Sanierung des Envio-Betriebsgeländes auf Grund der gerichtlichen Auseinandersetzungen noch nicht vollzogen werden könne. Für die SPD-Landtagsabgeordnete Gerda Kieninger, in deren Wahlkreis das Envio-Betriebsgelände liegt, steht jedoch bereits fest, dass die Finanzierung der Gelände-Sanierung dem Staat zu Lasten fallen werde. "Die betroffenen Envio-Tochtergesellschaften sind inzwischen insolvent. Wo soll denn das Geld herkommen?"

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