Stefan Bratzel

Expertenmeinung zur Opel-Übernahme

"Opel-Sanierung ist auf Kante genäht"

Stand: 12.10.2009, 02:00 Uhr

Kann die Opel-Rettung noch scheitern? Von allen Seiten hagelt es Kritik am Sanierungskonzept, Magna kommt immer stärker unter Druck. Kurz vor dem anstehenden Verkauf ein Gespräch über Widersprüche bei der Opel-Rettung.

Professor Stefan Bratzel ist Leiter des Instituts Center of Automotive an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch-Gladbach.

WDR.de: EU-Länder wie Spanien oder auch Großbritannien, die ebenfalls Opel-Standorte haben, wollen sich nicht an der Finanzierung der Kredite und Bürgschaften in Höhe von insgesamt 4,5 Milliarden für die Opel-Übernahme beteiligen. Haben andere EU-Länder mehr zu verlieren als Deutschland?

Stefan Bratzel: Es gab ja schon während des Bieterverfahrens um Opel die Bedingung, dass möglichst alle vier Werke hierzulande erhalten bleiben und so wenige Arbeitsplätze wie möglich in Deutschland abgebaut werden sollen. Insofern kann ich verstehen, wenn andere EU-Länder jetzt zögern, selbst Geld in New Opel zu investieren. Zumal sie vorher nicht erkennbar in den Prozess integriert waren: Die Auswahl von Magna war eine Entscheidung, die von Deutschland forciert wurde, andere EU-Staaten hatten kaum Einflussmöglichkeiten.

WDR.de: Insgesamt sollen rund 11.000 Arbeitsplätze bei Opel wegfallen, doch Magna kommt immer stärker unter Druck. Deutschen Betriebsräten hat der Zulieferer versprochen, Produktion aus dem Ausland nach Eisenach und Bochum zu verlagern. Gleichzeitig wollen auch Spanien und Großbritannien so wenig Arbeitsplätze wie möglich verlieren. Kann so eine Sanierung von Opel überhaupt funktionieren?

Bratzel: Das wird in dieser Form sehr schwierig. Die Politik befindet sich bei Opel geradezu in einem Rettungsparadox: Einerseits will sie Arbeitsplätze und Werke schützen und hat entsprechende Bedingungen an ihre Bereitschaft geknüpft, Bürgschaften und Kredite in Höhe von bis zu 4,5 Milliarden bereit zu stellen. Andererseits beeinflusst sie so Entscheidungen, die eigentlich nach betriebswirtschaftlichen, nicht nach politischen Gesichtspunkten getroffen werden müssten. Das widerspricht aber dem Ziel, Opel zu sanieren und damit zu retten. Denn Opel muss sich in Zukunft mit Wettbewerbern messen, die vielleicht genau solche harten Einschnitte vorgenommen haben, die sich von Mitarbeitern oder Standorten trennen mussten, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Wenn Magna Zugeständnisse an die Politik einhalten muss, genau solche Entscheidungen nicht zu treffen, wird das eigentliche Hauptziel der Rettungsaktion, nämlich die Wettbewerbsfähigkeit von Opel, nicht erreicht werden.

WDR.de: Müssen demnach die Opel-Mitarbeiter in Deutschland noch am wenigsten befürchten, ihren Arbeitsplatz zu verlieren?

Bratzel: Magna könnte es sich politisch zwar kaum erlauben, mittelfristig in Deutschland Standorte zu schließen. Allerdings weiß man natürlich noch nicht, wie es in ein, oder zwei Jahren um New Opel steht - ich halte das Sanierungskonzept, was den zukünftigen Absatz betrifft, für sehr ambitioniert. Es ist daher nicht auszuschließen, dass deutsche Standorte in ein, zwei Jahren dennoch wieder zur Disposition stehen.

WDR.de: Inwiefern ist das Sanierungskonzept von Magna ambitioniert?

Bratzel: Es ist sehr auf Kante genäht - es funktioniert nur, wenn eine Reihe von Annahmen eintreffen, die allerdings sehr optimistisch sind. Opel soll zukünftig vor allem auf dem russischen Markt viele Fahrzeuge absetzen, so will man bis 2014 die Marke von insgesamt 1,6 Millionen verkauften Fahrzeugen knacken. Allerdings weiß in der aktuellen Krise niemand so genau, wann sich dieser Markt von dem starken Einbruch, den er erlebt hat, überhaupt wieder erholt. Und wenn der Autoabsatz in Russland wieder anzieht, ist Opel ja nicht der einzige Autohersteller, der vom dortigen Wachstum profitieren will - es gibt Wettbewerber, die gut aufgestellt sind und hart um Marktanteile kämpfen werden. Nicht zuletzt General Motors ist auf dem russischen Markt sehr aktiv, und Magna ist abhängig von GM, weil der Zulieferer rund ein Viertel seines Umsatzes mit der ehemaligen Opel-Mutter macht. Da könnte man sich sogar gegenseitig ins Gehege kommen.

WDR.de: Zuletzt sah es so aus, als würden auch die Forderungen der Gewerkschaften, dass die Mitarbeiter an New Opel mit zehn Prozent beteiligt werden und entsprechende Mitspracherechte bekommen, die Übernahme noch gefährden. Warum wird um die Mitspracherechte der Belegschaft so hart gestritten?

Bratzel: Es gibt unter Deutschlands Großunternehmen bislang kaum Beispiele für eine so hohe Mitarbeiterbeteiligung. Das Problem liegt darin, dass wir in Deutschland ja von vorneherein eine paritätische Besetzung des Kontrollgremiums haben: Kapitaleigner und Arbeitnehmervertreter bekommen gleich viele Stimmen und entscheiden paritätisch. Wenn jetzt die Mitarbeiter zusätzlich zehn Prozent am Unternehmen halten, sitzen sie plötzlich auf beiden Seiten, auf der Seite der Kapitaleigner und der Arbeitnehmerseite. Sie hätten dann theoretisch eine Mehrheit - ich glaube nicht, dass das bei den anderen Eigentümern gewünscht wird. Eine solche Verteilung birgt natürlich enormen, zusätzlichen Zündstoff im Konflikt um den Erhalt oder Nicht-Erhalt von Werken und Arbeitsplätzen.

Das Interview führte Petra Blum.

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