Duisburgs OB Adolf Sauerland, Loveparade-Veranstalter Rainer Schaller, stellv. Polizeipräsident von Duisburg Detlef von Schmeling sowie Ordnungsdezernent und Leiter des Krisenstabs Wolfgang Rabe (r-l) am Sonntag (25.07.10) bei einer Pressekonferenz auf dem Podium.

Trauer, Wut und viele offene Fragen

Tote und Verletzte durch Panik in Duisburg

Stand: 25.07.2010, 20:02 Uhr

Die Loveparade begann als fröhliche Party und endete in einer Katastrophe. Nun ist die Suche nach den Verantwortlichen in vollem Gange.

21 Menschen kamen bei der Katastrophe am Samstag ums Leben, mindestens 652 wurden verletzt. Am Sonntagmittag (25.07.10) äußerten sich der Veranstalter der Loveparade, der Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland, der Leiter des Krisenstabes und der stellvertretende Polizeipräsident.

Wesentliche Fragen blieben dabei unbeantwortet, immer wieder wurden auf die laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Duisburg verwiesen. Der Veranstalter Rainer Schaller äußerte sein Mitgefühl mit den Hinterbliebenen der Opfer und verkündete das Aus der Loveparade.

Wie viele Menschen waren auf dem Gelände?

Entscheidend für die Klärung der Ursachen und der Verantwortung ist: Wie viele Besucher waren auf dem Gelände? Für wie viele war es ausgelegt? War es im Vorfeld absehbar, dass der Platz möglicherweise zu klein ist? Eine Klärung dieser Fragen blieben die Veranstalter, Polizei und Oberbürgermeister trotz beharrlichen Nachfragens schuldig. Sie verwiesen immer wieder auf die laufenden Ermittlungen.

Die Zahlen, die kursieren gehen weit auseinander: Am Samstag (24.07.10) sprach der Veranstalter von 1,4 Millionen Besuchern, danach war von circa einer Million die Rede. Das Gelände des ehemaligen Güterbahnhofes wurde mal mit einer Kapazität von 500.000, später sogar 600.000 Personen angegeben. Die Polizei sprach am Sonntag von "250.000 bis 300.000 Menschen" und "der Platz war zu keiner Zeit in dieser Form gefüllt", so der Leiter des Krisenstabes Wolfgang Rabe.

"Mehr als 105.000 Menschen"

Die einzige konkrete Zahl, die der stellvertretende Polizeipräsident Detlef von Schmeling nannte, erscheint angesichts der Menschenmassen fast schon absurd: 105.000 Menschen. Als Quelle nennt er die Deutsche Bahn, die in der Zeit zwischen neun und 14 Uhr diese Menge mit Zügen nach Duisburg gebracht hätte. Von Schmeling ging davon aus, dass dies der Hauptbesucherandrang war.

Der Leiter des Krisenstabes hingegen sagte, dass auch Menschen mit dem Auto angereist seien, "der Platz hat weit mehr Personen aufgenommen als 105.000." Der Veranstalter Rainer Schaller sagte, das Gelände in Duisburg sei größer gewesen als das in Dortmund, wo die Loveparade 2008 stattfand. Die Polizei gab die Größe des Gesamtgeländes mit 200.000 bis 240.000 Quadratmeter an.

Tunnel als Nadelöhr

Das Drama nahm am Samstagmittag seinen Lauf - das tödliche Nadelöhr war der Tunnel: Hunderttausende hatten sich auf den Weg zum alten Güterbahnhof gemacht. Sie wurden aus zwei Richtungen dorthin geleitet, die Massen trafen zwischen zwei Tunneln aufeinander, wo ein gepflasterter Weg zum Güterbahnhof hinaufführt.

Güterbahnhofsgelände in Duisburg während der Loveparade

Das Gelände des alten Güterbahnhofs

Nach Zeugenaussagen entstand dort eine unerträgliche Enge. Menschen versuchten, eine Mauer und eine Treppe hinaufzuklettern. Als einige von ihnen aus mehreren Metern Höhe in die Menschenmasse unter ihnen stürzten, brach nach Polizeiangaben Panik aus. Nach Aussagen der Polizei vom Sonntag kam entgegen ersten Angaben niemand im Tunnel zu Tode, sondern vor dem westlichen Zugang des Tunnels.

Duisburgs stellvertretender Polizeipräsident Detelf von Schmeling widersprach am Sonntag Angaben, dass es nur einen Zugang zum Gelände gab. Ein zweiter Zugang war "zum Zeitpunkt des Todesereignisses geöffnet", danach seien alle Notausgänge geöffnet worden.

OB verteidigt Sicherheitskonzept

Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) verteidigte das Sicherheitskonzept gegen die sofort aufbrandende Kritik als "stichhaltig". Feuerwehren und andere Rettungsdienste auch aus dem weiteren Umland starteten einen gigantischen Einsatz. Die am Partygelände vorbeiführende Autobahn 59, die aus Sicherheitsgründen ohnehin gesperrt war, wurde zum Anlaufpunkt für Rettungsfahrzeuge und Hubschrauber. In den Tunnels, in denen sich die Katastrophe abspielte, fuhren noch Stunden später Notarztwagen mit Blaulicht. Über 1.000 Sanitäter und 2.600 Feuerwehrleute aus ganz Deutschland waren im Einsatz.

Leichtverletzte Loveparade-Besucher wurden mit Bussen in Kliniken gefahren. Bis nach Mitternacht verließen Leichenwagen den Unglücksort. Die Polizei hatte das Gelände mit Zäunen und Sichtblenden weiträumig abgesperrt. In der Nacht kamen erste Trauernde zu dem Tunnel, um ihr Mitgefühl mit den Opfern zu bekunden. Einige zündeten Kerzen an. "Die wollten doch alle nur Spaß. Dann haben alle geweint", beschrieb der Besucher Achmed Hasan die Situation.

Politiker zeigen Bestürzung

Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich geschockt und sagte: "Zum Feiern waren die jungen Menschen gekommen, stattdessen gibt es Tote und Verletzte." Der Präsident der Europäischen Kommission, Manuel Barroso, kondolierte zum Tod so vieler Menschen. Nordrhein-Westfalens neue Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) ließ sich in der Einsatzleitstelle der Polizei über die Entwicklung unterrichten. Sie äußerte sich "total betroffen" und sagte, sie fühle mit den Angehörigen der Gestorbenen und sorge sich um die Verletzten.

Die Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, Renate Künast und Jürgen Trittin, forderten eine "genaueste Untersuchung des Vorfalls". "Fehler in der Organisation einer solchen Massenveranstaltung dürfen sich nicht wiederholen."

Loveparade wichtige Großveranstaltung

Die Loveparade unter dem Motto "The Art Of Love" gilt als eine der wichtigsten und größten Veranstaltungen zur "Ruhr 2010" im Kulturhauptstadtjahr. Der Cheforganisator Fritz Pleitgen zeigte sich schockiert. "Ganz klar fühle ich mich auch mitverantwortlich, aber eher im moralischen Sinne", sagte Pleitgen Samstagnacht im ZDF.

Die Loveparade war 1989 erstmals unter dem Motto "Friede, Freude, Eierkuchen" durch Berlin gezogen. Seit 2007 findet es im Ruhrgebiet statt. 2009 sollte sie durch Bochum ziehen, doch die Stadt sagte das Großevent aus Sicherheitsgründen ab.