Güterbahnhofsgelände in Duisburg während der Loveparade

"Da stand Todesangst in den Gesichtern"

Gespräch mit WDR.de-Reporter Stefan Domke

Stand: 24.07.2010, 23:24 Uhr

WDR.de-Reporter Stefan Domke war in unmittelbarer Nähe der Tunnelröhre, als die Massenpanik ausbrach. Er schildert seine Eindrücke im Gespräch mit der Redaktion.

WDR.de: Wie hast du die Situation erlebt?

Stefan Domke: Ich war ungefähr 80 Meter von den beiden Tunneleingängen am Hauptausgang entfernt. Ich bin da hin gegangen, weil ich vom 1LIVE-Wagen aus gesehen habe, dass es dort unglaublich eng ist und die Leute energisch versuchten, auf das Veranstaltungsgelände zu kommen. Ich sah, wie die Besucher Absperrzäune eingerissen aben, was von den Ordnern auch geduldet wurde. Dann bin ich weiter gegangen, soweit das überhaupt noch möglich war. Die Leute hatten unglaubliche Panik, da stand Todesangst in ihren Gesichtern.

WDR.de: Wie viele Menschen waren dort?

Domke: Zu diesem Zeitpunkt waren einige Tausend Menschen dort, die versuchten, auf das Veranstaltungsgelände zu kommen. Zugleich gab es aber eine gegenläufige Bewegung, weil auch viele bereits das Gelände verlassen wollten. Aus verschiedenen Gründen: Die einen gingen, weil es ihnen zu voll war, andere wollten sich einfach draußen mit Freunden treffen.

WDR.de: Wie ist die Situation eskaliert?

Stefan Domke

Stefan Domke

Domke: Mein Eindruck ist, dass es daran lag, dass es nur eine Haupteingang gab. Obwohl das Gelände über zahlreiche weitere Zugänge verfügte. Sie waren als Notausgänge gekennzeichnet und geschlossen. Der Haupteingang wurde somit zum Nadelöhr: Wer vom Gelände wollte, wurde von den Ordnern dorthin geschickt mit der Ansage: Nur hier geht es raus. Und von der anderen Seite strömten immer mehr Leute rein. Dann ist der Druck in einer der beiden Tunnelröhren entstanden. Was ich dann wiederum gesehen habe, waren Menschen, die heilfroh waren, aus diesem Tunnel rauszukommen. Sie haben sich an Laternenmasten hochgezogen, um aus der Menge zu kommen. Andere sind völlig entkräftet, der Ohnmacht nahe, hochgehoben und über den Köpfen weggetragen worden.

WDR.de: Hätte dieses Drama verhindert werden können?

Domke: Es hieß im Vorfeld, das Veranstaltungsgelände sei für 500- bis 600.000 Menschen ausgelegt. Man rechnete jedoch mit einer Million Besuchern. Und Leute, die frühere Loveparades besuchten, hatten dabei schon ein schlechtes Gefühl. Bei der letzten Loveparade vor zwei Jahren waren 1,6 Millionen gekommen. Der Veranstalter soll gesagt haben, es ist kein Problem, weil wir bei 500.000 einfach dicht machen. Aber da fragt man sich: Was machen die 500.000, die draußen vor verschlossener Tür stehen? Das Chaos war also absehbar. Ich frage mich auch: Warum hat man alles über einen einzigen Zugang regeln wollen?

WDR.de: Die Veranstaltung wurde nicht abgesagt - aus Sicherheitsgründen ging es weiter, wie es hieß.

Domke: Die Handynetze sind zusammengebrochen. Viele hier haben gerüchteweise von dem Unglück gehört. Ich habe viele erlebt, die sehr betroffen waren oder verzweifelt ihre Eltern, Freunde, Verwandten erreichen wollten. Aber es waren auch Leute darunter, die es wussten und dennoch feiern wollten, das war ihnen völlig egal. Das finde ich unfassbar!

Das Gespräch führte Sabine Tenta.