Bergleute verlassen nach Schichtende einen Schacht des Bergwerks Lippe

Festhalten am Steinkohle-Bergbau

Letzte Schicht auf Zeche Lippe

Stand: 19.12.2008, 16:45 Uhr

Am Freitag (19.12.2008) hat das Bergwerk Lippe in Gelsenkirchen seine letzte Schicht gefahren. Bis 2018 sollen alle deutschen Steinkohlenzechen schließen. Doch angesichts der Finanzkrise fordert die Gewerkschaft IG BCE, den Ausstieg aus der Kohle zu überdenken.

Von Christoph Schurian

Knapp 1.300 Kumpel der Zeche Lippe haben sich am Freitag (19.12.2008) zur letzten Betriebsversammlung getroffen. Bei dem Treffen ging es nicht nur um Abschied. Für die Gewerkschaft IG BCE ist der Kampf um die deutsche Steinkohle noch nicht vorbei. "Wir appellieren an die Politik, den Ausstiegsbeschluss zu überdenken", sagt Kurt Hay, Bezirksleiter der IG BCE in Westfalen. Um Argumente ist der Gewerkschafter nicht verlegen: Der Staat spanne doch gerade üppige finanzielle Schutzschirme für Banken und Wirtschaft auf - "mit einem Bruchteil der Rettungssummen könnten die deutschen Steinkohlezechen weiter betrieben werden".

Aus zur Unzeit?

Das Ende für die Zeche Lippe komme zur Unzeit, meint Hay: "Die Zeche Lippe ist immerhin einer der größten Ausbilder in Gelsenkirchen". Den vielen Betrieben in Gelsenkirchen, die für die Autoindustrie produzierten, stehe angesichts der Rezession "das Wasser bis zum Hals". Auch in der Chemieindustrie, sagt Hay, gehe es fast täglich um die Rettung der vielen mittelständischen Firmen: "Deshalb appellieren wir an die Politik, den Kohlekompromiss jetzt zu überdenken!"

Anfang November hatten sich bereits die nordrhein-westfälische SPD-Vorsitzende Hannelore Kraft und der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes Steinkohle, Franz-Josef Wodopia, für den Erhalt des Steinkohlebergbaus ausgesprochen. Auch Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) lehnt eine komplette Stilllegung der deutschen Zechen ab.

Zechen werden schrittweise stillgelegt

In den im Frühjahr 2007 zwischen den Kohleländern, der Bundesregierung und der RAG ausgehandelten kohlepolitischen Vereinbarungen wurde der endgültige Ausstieg aus der Steinkohleförderung beschlossen. Seither werden Schachtanlagen schrittweise still gelegt. So im Juni 2008 die Zeche Walsum und nun die Zeche Lippe. Damit sind ab jetzt nur noch fünf Zechen in NRW in Betrieb. In zwei Jahren ist das Aus für die Zeche Ost in Hamm vorgesehen. 2012 soll erst die Zeche Saar und 2012/13 auch die Zeche West in Kamp-Lintfort schließen. 2018 soll dann die deutsche Steinkohleförderung komplett eingestellt werden. Eine Revisionsklausel sieht allerdings vor, dass der Ausstiegsbeschluss 2012 noch einmal überprüft wird. Außerdem plant die Deutsche Steinkohle AG zwischen Ascheberg und Hamm ein neues Bergwerk. In der Zeche Donar soll Kokskohle gefördert werden, die einen höheren Preis als andere Steinkohle hat. So soll das Werk unabhängig von staatlichen Subventionen sein. Zwischen 2012 und 2014 soll die Förderung beginnen.

Bedrückender letzter Tag auf Zeche Lippe

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Schwankende Kohlepreise

Die aufwändig in großen Tiefen geförderte deutsche Steinkohle muss seit Jahrzehnten staatlich subventioniert werden. Nachdem im Sommer die Tonne Steinkohle am Weltmarkt zu Rekordpreisen von knapp 160 US-Dollar gehandelt wurde, ist der Preis während der Finanzmarktkrise um die Hälfte eingebrochen. "Das ist nicht die Normalität", sagt IG BCE-Mann Hay. Der Kohlepreis sei immer Marktschwankungen ausgesetzt - tendenziell würde er aber "auf ein immer höheres Niveau" steigen. Im Preishoch des Sommers hätten die Zechen im Saarland immerhin fast kostendeckend gefördert, sagt Hay. Und "mit der Kokskohle wurde sogar Geld verdient".

Ministerium: Kein Diskussionsbedarf

Das NRW-Wirtschaftsministerium sieht dennoch keinen Anlass, am Kohlekompromiss zu rütteln. Für den Arbeitsmarkt seien die Zechenschließungen erstmal nicht relevant: "Kein Bergmann fällt ins Bergfreie", sagt Ministeriumssprecher Joachim Neuser. Die Kumpel würden entweder Anschlussverträge bekommen oder mit großzügigen Regelungen in den Vorruhestand verabschiedet werden. Zudem kümmere sich die Landesregierung intensiv um die vom Rückzug der Bergwerke betroffen Regionen. Zusammen mit Bürgermeistern und Landräten würden "neue Impulse" für das Revier am Rhein, die Emscher-Lippe-Region und die westfälische Abbauregion entwickelt. Außerdem, so Neuser, komme 2012 die Revisionsklausel zum Tragen. Und dann werde der Kohleausstieg ja sowieso noch einmal überprüft.