Mitarbeiter des THW bauen ihr Lager in Japan ab

THW im Katastrophengebiet

Frustrierender Einsatz für NRW-Helfer

Stand: 21.03.2011, 15:51 Uhr

Eine Woche war ein Bergungsteam des Technischen Hilfswerks in Japan, um Verschüttete zu suchen. Die Umstände waren widrig, die Experten aus NRW kamen nicht ein einziges Mal zum Einsatz. Bilanz eines frustrierenden Einsatz.

Seit dem späten Samstag Abend (19.03.2011) sind die 41 THW-Helfer wieder zurück in Deutschland, sieben von ihnen kommen aus NRW. WDR.de hat mit zwei Rettern der Einsatztruppe "SEEBA" gesprochen: Ralf Klein-Hitpaß suchte als Truppführer nach Überlebenden im Katastrophengebiet. Georgia Pfleiderer war in Japan als Ansprechpartner für die Medien dabei.

WDR.de: Wie war die Situation, als Sie vor einer Woche in Japan angekommen sind?

Georgia Pfleiderer: Wir sind Sonntag in Tokio gelandet und haben sofort einen japanischen Verbindungsbeamten an unsere Seite bekommen. Der hat Fahrzeuge organisiert und uns auch unser Einsatzgebiet in Tome zugewiesen. Die Stadt liegt etwa 60 Kilometer nördlich von Sendai. Tome war relativ unzerstört, es gab auch Strom. Es gab auch keine Massenflucht und auch keinen Lebensmittelmangel.

Ralf Klein-Hitpaß: An der Küste, wo der Tsunami zugeschlagen hat, da sehen allerdings ganze Siedlungen aus, als seien sie durch eine Mühle durchgedreht worden. Die Häuser wurden alle von der Welle weggerissen. An der Stelle, wo der Tsunami zum Stillstand kam, liegen jetzt riesige Trümmerberge. Dort, wo früher die Häuser standen, sind jetzt nur noch ein paar Fundamente. Für die Überlebenden sind Nahrungsmittel knapp. Brot ist rationiert. Außerdem ist es kalt, es fehlen Decken und Heizmaterial. Vor den Tankstellen gibt es kilometerlange Schlangen.

WDR.de: Was war Ihre Aufgabe vor Ort?

Pfleiderer: Die 41 Helfer und drei Rettungshunde sollten Überlebende finden und retten.

WDR.de: Warum waren Sie in einer Stadt stationiert, die nicht betroffen war?

Pfleiderer: Es ist ein Grundsatz, dass die Rettungsmannschaften ihr Camp nicht direkt im Gefahrenbereich aufbauen. Deshalb waren wir etwa 30 Kilometer von der Küste entfernt stationiert. Von dort aus hat uns die japanische Feuerwehr dann angefordert.

WDR.de: Wie oft konnten Sie helfen?

Pfleiderer: Wir sind drei Mal aufgebrochen in Richtung des Schadengebietes, aber jedes Mal mussten wir leider wieder umkehren. Erst gab es eine Tsunami-Warnung, beim zweiten Mal wurde es dunkel, und beim dritten Mal gab es eine Explosion im Atomkraftwerk Fukushima, die uns zum Umkehren zwang.

WDR.de: Hatten Sie Angst vor der Radioaktivität?

Klein-Hitpaß: Natürlich hat man das immer im Hinterkopf. Wir haben aber selbst permanent Messungen durchgeführt. Wir waren ja auch ein gutes Stück entfernt vom Kraftwerk Fukushima. Wir waren nie akut gefährdet.

Pfleiderer: Ich habe mich immer sicher gefühlt. Wir hatten auch Informationen von den Japanern und von einem Schweizer Rettungsteam, das einen Strahlenschutzexperten dabei hatte. Wir wurden auch bei der Rückkehr nach Frankfurt gemessen, und es wurde nichts festgestellt.

WDR.de: Wie lange haben Sie nach Überlebenden gesucht?

Pfleiderer: Nach den drei Anforderungen, bei denen wir jedes Mal umkehren mussten, waren die 100 Stunden vorbei, in denen es Hoffnung auf Überlebende gibt. Am Dienstag um 14 Uhr haben wir dann zusammen mit den japanischen Behörden beschlossen, die Suche nach Überlebenden einzustellen.

WDR.de: Wenn Sie den Einsatz mit anderen Auslandseinsätzen vergleichen: War die Mission ein Erfolg?

Klein-Hitpaß: Unser eigentlicher Auftrag, Verschüttete zu suchen und zu finden, war ganz klar kein Erfolg. Wir haben dann aber umgeschwenkt und unter anderem für die Deutsche Botschaft andere Dinge unternommen.

WDR.de: Was haben Sie dann gemacht?

Pfleiderer: Wir sind weiter Richtung Norden gefahren, in die Stadt Misawa. Dort haben wir von einem Hotel aus die Rettungseinsätze von zwei Teams aus England und der Schweiz koordiniert. Außerdem haben wir einige deutsch-japanische Ehepaare eingesammelt. Die sind später mit uns von Misawa aus nach Deutschland zurückgeflogen.

Klein-Hitpaß: Wir haben außerdem vor Ort erkundet, inwieweit es noch Fähr- und Eisenbahnverbindungen gibt. Wir haben versucht zu klären: Wie beschädigt ist die Infrastruktur vor Ort? Wo gibt es Sammelpunkte, über die man Ausreisewillige ausfliegen kann?

WDR.de: Ist das nicht frustrierend, wenn man als Rettungsteam nicht zum Zuge kommt und dann logistische Aufgaben erledigen muss?

Klein-Hitpaß: Natürlich ist das frustrierend, wenn man den eigentlichen Auftrag nicht ausführen kann.

WDR.de: Es gibt Berichte, dass ein Team aus Neuseeland erst nach über 100 Stunden mit der Suche begonnen hat. Ist das sinnvoll?

Klein-Hitpaß: Ich kenne den Auftrag der Neuseeländer nicht. Ich weiß aber, dass es ein neuseeländisches Team von Strahlenschutzexperten gab. Es stellt sich also die Frage, ob das Team tatsächlich nach Verschütteten gesucht hat oder nicht vielmehr dort war, um zum Beispiel Trinkwasser aufzubereiten oder Ähnliches.

WDR.de: Erst gestern wurde eine 80-Jährige nach neun Tagen lebend geborgen. Hätte man nicht weitersuchen müssen?

Klein-Hitpaß: Das ist immer die Frage. Natürlich kann man sagen: Wir hätten weitermachen müssen. Andererseits: Wir müssen uns an die Vorgaben der japanischen Behörden halten. Wir können uns nicht so frei bewegen wie wir das möchten. Wir können nicht entscheiden, hierhin oder dorthin zu fahren. Das entscheidet die japanische Regierung. Die teilt den Teams die Aufgaben zu und hat nach 100 Stunden entschieden, dass die Suche eingestellt wird, weil es keine Hoffnung mehr auf Überlebende gab.

WDR.de: Wenn Sie in ein Katastrophengebiet fliegen, dann sind die Umstände dort immer widrig. Warum hat es ausgerechnet in Japan nicht geklappt?

Pfleiderer: Das Besondere an dem Einsatz war, wir hat drei Katastrophen: Ein Erdbeben, einen Tsunami und eine atomare Bedrohung. Ein Erdbeben-Einsatz ist immer ein Wettlauf gegen die Zeit. Wir waren rechtzeitig da, wurden auch angefordert. Trotzdem kamen wir nicht bis ins Schadensgebiet und konnten keine Menschenleben retten. Aber die Tatsache, dass wir da waren, gab den Überlebenden das Gefühl, dass sie nicht alleine gelassen werden. Die Bevölkerung hat sich auch bei uns bedankt. So gesehen war es nicht umsonst. Wir haben einfach den Wettlauf gegen die Zeit verloren. Nach 100 Stunden mussten wir abbrechen.

Die Gespräche führte Christian Bernstein