Dr. Patrick Honecker (links), Pressesprecher der Universität Köln, und Prof. Dr. Axel Freimuth, Rektor der Uni, bei einer Pressekonferenz

Skandal in der Kölner Anatomie

Leichen-Chaos ist ein "komplexes Problem"

Stand: 27.02.2012, 19:00 Uhr

Im Skandal um die schlampige Lagerung von Leichen in der Anatomie der Universitätsklinik Köln will der Rektor von Schuldzuweisungen nichts hören. Er sei schockiert über den Freitod des ehemaligen Institutsleiters.

Von Lis Kannenberg

Uni-Rektor Professor Dr. Axel Freimuth machte direkt zu Beginn der Pressekonferenz klar, dass nicht nur die Kölner Hochschule, sondern auch er ganz persönlich schockiert sei: Schockiert davon, welche dramatische Entwicklung das Bekanntwerden der Missstände im Uni-Inistitut für anatomische Lehre genommen habe. "Ich bin erschüttert über den Tod von Professor Jürgen Koebke", sagte Freimuth. "Er war ein geschätzter Kollege, ein hervorragender Forscher und Lehrer."

Überblick über Körperspenden verloren

In der vergangenen Woche hatte sich Koebke das Leben genommen, die Ermittlungen zu den genauen Todesumständen laufen bei der Kölner Staatsanwaltschaft. Zuvor waren die unhaltbaren Zustände in der Anatomie öffentlich geworden. Die Hochschule musste zugeben, den Überblick über die Körperspenden verloren zu haben. Die Kühlräume waren überfüllt, bis zu 80 Tote zu viel lagerten nach Uni-Angaben dort im vergangenen Jahr.

"Das Problem ist einfach, dass die Leichen, die hätten bestattet werden sollen, nicht bestattet worden sind", sagte Patrick Honecker, Pressesprecher der Universität. Inzwischen sei der "Bestattungs-Rückstau" auf 20 Leichen geschrumpft, teilte nun der Rektor mit.

Drei Leichen ohne Identität

Einige Leichen wurden offenbar unzureichend gekühlt, es bildete sich sogar Schimmel. Bei drei Toten war keine schnelle Identifizierung mehr möglich, ihre Kennnummern passten nicht mit den entsprechenden Akten zusammen. In forensischer Kleinarbeit haben sich Spezialisten der Universität an die Aufgabe gemacht, doch noch herauszufinden, um wen es sich handelt. Bislang ist die Identität der Leichname aber noch ungeklärt, ebenso, wie lange sie unbeachtet im Institut gelagert wurden.

Körperspender zahlten für ihre Bestattung

Medizinstudenten im Präparationssaal der Kölner Uniklinik

Körper für medizinische Studien

Bei den Toten handelt es sich um sogenannte Körperspender, die zu Lebzeiten zugesagt haben, ihren Leichnam für medizinische Forschungen und die Ausbildung von Medizinstudenten zur Verfügung zu stellen. Im Internet verspricht die Uni-Klinik den Interessenten, dass ihr Leichnam nach einer Studienfrist von maximal zwei Jahren würdevoll anonym beigesetzt wird. Für Überführung, Einäscherung und Bestattung müssen die Spender vorab 1.100 Euro bezahlen.

Aber auf Fragen nach dieser Vorabzahlung und der tatsächlichen Verweildauer der Leichen in den Lagerräumen der Anatomie antwortete der Rektor im Pressegespräch am Montag (27.02.2012) wenn überhaupt, dann nur zögerlich. Es gebe noch keine endgültigen Recherche-Ergebnisse in der Sache. Auch erschwerten technische Probleme wie ein Kran ohne TÜV-Siegel den Zugang zu einem selten genutzten Raum des Instituts, in dem noch Leichenteile und Tierkadaver lagern sollen.

Rektor: Wir suchen keinen Schuldigen

Vor zwei Wochen hatte Uni-Sprecher Honecker der Presseagentur dpa gesagt: "Wir müssen natürlich auch fragen, welche Person im Haus letztendlich dafür auch noch einmal zur Rechenschaft gezogen werden muss." Durch eine disziplinarische Prüfung solle die Verantwortung beteiligter Personen geklärt werden.

Nach dem tragischen Tod des früheren Institutsleiters stellt Uni-Rektor Freimuth die interne Ursachensuche nun ganz anders dar: "Wir müssen aufhören zu spekulieren, wer wann was im Institut gemacht hat". Es sei positiv zu bewerten, dass die Kollegen der Anatomie zunächst versucht hätten, intern mit dem Leichen-Chaos klarzukommen. Er bedauere es sehr, dass der Eindruck erweckt wurde, jemand müsse die Schuld für dieses "komplexe Problem" übernehmen.

Bisher kein Fall für die Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwaltschaft Köln sah bislang keinen Anlass, im Fall der Missstände weiter zu ermitteln. Die Straftatbestände der "Störung der Totenruhe" und der "Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener" sehe die Staatsanwaltschaft als nicht erfüllt an, sagte deren Sprecher.

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