Der Angeklagte betritt mit seinem Verteidiger Gerd Meister das Gericht

Urteil im Mirco-Prozess in Krefeld

Harte Strafe wegen Mircos Leidensweg

Stand: 29.09.2011, 16:15 Uhr

Der Prozess um die Ermordung des zehnjährigen Mirco aus Grefrath ist am Donnerstag (29.09.2011) zu Ende gegangen. Das Krefelder Landgericht verurteilte den Angeklagten zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Außerdem stellte das Gericht eine besondere Schwere der Schuld fest, da Mirco sehr gelitten habe.

Von Andreas Poulakos

Vor dem Gerichtsgebäude werden Transparente gehisst: "Pädophile sind nicht heilbar" ist darauf zu lesen. Etwa zwei Dutzend Menschen skandieren "Gerechtigkeit für Mirco". Für sie ist Mircos Ermordung die Tat eines Pädophilen, auch wenn das im Prozess ein Gutachter anders gesehen hatte. Hinter der Demonstration steht eine Initiative namens "Finger weg - Don't touch", die sich spontan bei Facebook gegründet hat. "Wir verlangen Sicherungsverwahrung für Olaf H.", erklärt Initiatorin Leyla Bilge. "Lebenslänglich ist einfach nicht genug." Auch wenn das Gesetz Sicherungsverwahrung ausschließlich für Wiederholungstäter vorsieht. Olaf H. war aber bis zu dem Tag, an dem er Mirco tötete, ein unbescholtener Mann.

Vor der Urteilsverkündung im Mirco-Prozess demonstrieren Menschen vor dem Landgericht

Facebook-Gruppe fordert Sicherungsverwahrung für Olaf H.

Im Gerichtssaal findet zur selben Zeit das Ritual statt, mit dem jeder der insgesamt zwölf Prozesstage begonnen hat. Olaf H. wird von Justizbeamten in den Saal geführt. Sein Gesicht verbirgt er vor den Fotografen hinter einem Aktenordner. Auch Mircos Eltern sind in Begleitung ihrer Anwältin gekommen. Sie nehmen am Tisch der Nebenklage Platz.

Dann verkündet der Vorsitzende Richter Herbert Luczak das Urteil - lebenslänglich bei besonderer Schwere der Schuld. Der Angeklagte nimmt es ohne erkennbare äußere Regung entgegen. Gleiches gilt für die Eltern des Opfers. Aus den Zuschauerreihen wird vereinzelter Applaus laut, den sich Luczak allerdings sofort in strengem Ton verbittet. "Die Kammer hat mit ihrem Urteil nicht einer weit verbreiteten Erwartungshaltung folgen wollen", betont er.

Kein zufällige, spontane Tat

In seiner anschließenden Urteilsbegründung erklärt er, das Gericht sei zu der Überzeugung gekommen, dass es sich bei dem Mord an Mirco nicht um eine zufällige, spontane Tat gehandelt habe. Vielmehr habe Olaf H., schon als er am Abend des 3. September 2010 sein Haus verlassen habe, geplant, ein Kind zu missbrauchen und zu töten. Seiner damaligen Ehefrau habe Olaf H. erklärt, er wolle sich später noch mit Kollegen treffen. Das sei eine klare Lüge gewesen.

Herbert Luczak (M.) verkündet das Urteil im Mirco-Prozess

Richter Luczak: "Tat war geplant"

Nach einer rund vier Stunden langen, scheinbar ziellosen Fahrt durch die niederrheinische Region habe er in Grefrath-Oedt Mirco auf seinem Fahrrad entdeckt. "Spätestens dann beschloss er, sich des Kindes zu bemächtigen." Dazu habe er sein Auto auf einem Feldweg abgestellt, sich hinter einem Baum versteckt und dem Jungen in den Weg gestellt. Dann habe er das Kind in sein Auto gezwungen und sei mit ihm in eine Gegend gefahren, von der er wusste, dass es dort viele einsame Feldwege und Lichtungen gibt.

Richter: "Er tötete ihn, damit er ihn nicht verraten konnte"

Als Luczak anschließend in einem nüchternen Juristendeutsch noch einmal das Verbrechen an Mirco nachzeichnet, beginnen einige der Zuschauer zu weinen, während Mircos Eltern sich um Fassung bemühen. Minutiös beschreibt Luczak, wie Olaf H. das Kind sexuell missbrauchte und anschließend mit einer Kunststoffschnur unter Einsatz seines ganzen Gewichts erdrosselte. "Er tötete ihn, damit er ihn nicht verraten konnte." Dann habe er das nackte Kind einfach abgelegt und sei wieder losgefahren. Auf dieser Fahrt seien Olaf H. aber Zweifel gekommen, ob das Kind wirklich tot war. Deshalb sei er noch einmal umgekehrt und habe der Leiche ein Messer mit voller Wucht in den Hals gestoßen.

Keine vernünftigen Zweifel am Tatablauf

Vernünftige Zweifel an diesem Ablauf habe die Kammer nicht, betonte Luczak weiter. All diese Einzelheiten habe Olaf H. während seiner Vernehmungen bei der Polizei selbst ausgesagt. Dass er seine Aussagen mehrmals geändert habe, sei angesichts solch detaillierter Beschreibungen, die auch mit der sonstigen Beweislage übereinstimmten, nicht relevant. Was das Motiv für den Mord angeht, so habe das Gericht keine eindeutige Antwort auf diese Frage gefunden. Vor dem Hintergrund, dass Olaf H. bisher offenbar ein völlig normales Leben geführt habe, sei die Tat "unerklärlich". Aber gleichgültig welches Motiv vorliege, eins stehe nach dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen fest: "Der Angeklagte war zum Tatzeitpunkt voll schuldfähig."

Schwere der Schuld wegen Mircos langem Leiden

Gesondert ging Luczak darauf ein, warum das Gericht bei dem Angeklagten eine besondere Schwere der Schuld festgestellt habe. Zwar hätten auch einige mildernde Umstände in Betracht gezogen werden müssen, zum Beispiel dass Olaf H. ein "sozial integriertes und arbeitssames Leben" geführt und die Tat gestanden habe. Aber die Strafverschärfungsgründe hätten schwerer gewogen. Insbesondere ging Luczak zur Begründung auf das lange Leiden ein, das Mirco erdulden musste. Der Junge habe während der Fahrt in Olaf H.'s Auto und dem anschließenden Missbrauch furchtbare Ängste ausstehen müssen. "Das gebietet die Feststellung einer besonderen Schwere der Schuld."

Befriedigung bei den Zuschauern

Dann ist die Verhandlung beendet, die Zuschauer verlassen den Gerichtssaal. Viele drücken ihre Zufriedenheit über die harte Strafe aus. Andere machen deutlich, dass ihrer Meinung nach Olaf H. wirklich bis zum Ende seines Lebens hinter Gitter müsse. Eine lebenslange Freiheitsstrafe kann frühestens nach 15 Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden. Bei einer besonderen Schwere der Schuld sind die Chancen allerdings sehr gering, dass der Straftäter vorzeitig auf Bewährung freikommt.

Verteidigung kündigt Revision an

Die Verteidigung kündigte an, in Revision zu gehen. Die formalen Bedingungen für die Feststellung einer besonderen Schwere der Schuld seien nicht gegeben. "Menschlich gesehen ist es ein tragischer Fall, der mich auch persönlich sehr mitgenommen hat", sagte Rechtsanwalt Gerd Meister. Sein Mandant bereue die Tat zutiefst. "Ich hoffe, dass er nun mit psychiatrischer Hilfe beginnen wird, sich selbst zu erkunden.

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