Trauernde Frau auf türkischer Flagge

Erste psychiatrische Ambulanz für Türken in NRW

Hilfe für die Psyche - auf türkisch

Stand: 11.05.2005, 01:01 Uhr

Wenn die Psyche leidet, ist Hilfe nicht immer leicht zu bekommen. Besonders schwierig war es bisher in NRW für Türken. Die erste psychiatrische Ambulanz für Einwanderer der Rheinischen Kliniken Langenfeld soll Abhilfe schaffen.

Von Miriam Tang

"Wir hatten immer das Gefühl, dass Einwanderer größere Ängste haben, sich an uns zu wenden, als Deutsche", sagt Wolfgang Schwachula, Chefarzt der Abteilung allgemeine Psychiatrie der Rheinischen Kliniken Langenfeld. Das habe anders werden sollen - mit einer psychiatrischen Ambulanz mit türkischsprachigen Mitarbeitern. "Da Türken mit 25 Prozent den größten Ausländeranteil in NRW ausmachen, haben wir uns erst einmal für ein türkischsprachiges Angebot entschieden", sagt der Mediziner. In der psychiatrischen Ambulanz für Einwanderer spricht auch die Empfangsdame türkisch. Ein Jahr lief das Angebot bisher als Modellprojekt. Jetzt ist es fester Bestandteil des Klinikalltags.

Hilfe bei schwierigem Einwanderprozess

Dieses Angebot ist in NRW einmalig. Ausweichmöglichkeiten auf niedergelassene türkischsprachige Ärzte gibt es kaum. In NRW praktizieren vier Fachärzte in Köln, Aachen, Gelsenkirchen und Solingen. "Dabei ist gerade ein Einwanderungsprozess sehr schwierig, da er mit vielen Erwartungen verbunden ist", sagt Schwachula. Die Menschen stünden unter einem enormen Erfolgsdruck, in der Fremde ein neues Leben aufzubauen. "Kommen dann noch Arbeitslosigkeit oder Unstimmigkeiten in der Familie hinzu, kann es zu psychischen Problemen kommen", sagt der Arzt.

Zwiespalt zwischen Tradition und Moderne

Oft ist die Dimension des Problems laut Schwachula nur von einem Menschen mit gleichem kulturellen Hintergrund zu verstehen. Wie gehen Mann und Frau miteinander um? Wer hat was zu sagen? Handelt es sich um eine arrangierte Ehe? Wie verhalten sich Kinder in dem Zwiespalt zwischen einem traditionellen Elternhaus und westlicher Freizügigkeit? Gerade Einwanderer seien oft viel traditioneller als die Daheimgebliebenen, sagt Schwachula. "So kämpfen viele junge türkische Leute in Deutschland mit Problemen, die in der Türkei selbst gar kein Thema mehr wären."

Medikamente sind keine Langzeitlösung

Der zuständige Oberarzt Murat Ozankan weiß von diesen Schwierigkeiten. Früher hat er auch deutschsprachige Patienten betreut, heute sind es in der Ambulanz nur seine türkischen Landsleute. Zu ihm kommen die Menschen mit chronischen Schmerzen, Schlafstörungen, ständigen Überforderungsgefühlen, aber auch schweren Depressionen und psychischen Erkrankungen wie zum Beispiel Schizophrenie. Manche haben schon unzählige Arztbesuche hinter sich. Sie sind immer wieder mit Medikamenten nach Hause gegangen, die nur kurzfristige Linderung verschafften, aber das Problem nicht lösen konnten.

Ein typischer Fall aus Ozankans Praxis: Eine türkische Frau klagt über Unruhe, Kopfschmerzen und Übelkeit. Im Gespräch schildert sie darüber hinaus Schwierigkeiten mit ihrem Ehemann und ihren Kindern. "Sie will am liebsten sofort von mir eine Lösung in Form einer Superpille." Doch die kann ihr der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie nicht geben - dafür etwas anderes. "Ich schaue mir an, über welche Möglichkeiten die Frau verfügt, mit der Situation besser klar zu kommen", sagt Ozankan. Gemeinsam besprechen Arzt und Patientin dann Lösungsstrategien. "Auch wenn es ihr sehr schlecht geht, muss sie weiter funktionieren, denn ihr Leben mit Ehemann und Kindern zu Hause geht weiter."

Angst ist immer noch groß

Doch die Angst, sich zu offenbaren, ist trotz des muttersprachlichen Angebots groß - nicht nur, was das Seelenleben angeht. Ozankan: "Es sind zum Teil diffuse Ängste. So befürchten manche, dass ihnen die Kinder weggenommen werden." Auch unklare Aufenthaltserlaubnisse und die jetzige Diskussion um die doppelte Staatsangehörigkeit hätten viele verunsichert. Erst ein Gespräch können diese Angst nehmen.

Kosten entstehen für die Patienten keine. Die gesetzlichen Krankenversicherungen bezahlen die Behandlung. Jetzt schon hat die psychiatrische Ambulanz Wartezeiten von bis zu sechs Wochen. "Aber für Notfälle finden wir immer noch einen Termin", betont Ozankan.