Gruppe von internationalen Flaggen

WDR-Integrationsbeauftragter Zambonini im Interview

Mehr Migration in den Medien

Stand: 22.11.2007, 06:00 Uhr

Es geht im Tatort darum und im Politmagazin Monitor: Integration thematisieren öffentlich-rechtliche Sender bewusst. Aber sie soll noch selbstverständlicher werden. Journalisten suchen ab Donnerstag (22.11.2007) bei der Medienkonferenz in Paris ungeahnte Potenziale.

Von Marion Menne

Noch mehr kulturelle Vielfalt in fiktionale und informative Programme bringen - eines von vielen Zielen der Konferenz "Migration und Integration, Europas große Herausforderung". Journalisten und Politiker aus ganz Europa treffen sich dafür zwei Tage am Sitz der UNESCO in Paris. Ebenso wie die Startkonferenz 2006 in Essen geht dieses Treffen unter anderem auf die Initiative des WDR zurück. Seitdem haben die Medien einen guten Rahmen gesteckt, davon ist Gualtiero Zambonini, Integrationsbeauftragter des WDR, überzeugt. In Paris soll das Engagement konkreter werden.

WDR.de: Herr Zambonini, die Essener Konferenz hat gezeigt, dass Journalisten das Thema Integration in Zukunft anders anpacken wollen. Welche Empfehlungen ergaben sich daraus?

Gualtiero Zambonini: Der Tenor ist, wir wollen das Thema "Migration und Integration" als Normalität im Programm behandeln. Die Akteure der Einwanderungsgesellschaft sind heute Protagonisten der europäischen Gesellschaft, und als solche sollen sie ganz selbstverständlich auftreten im Programm, ohne dass man immer mit dem Zeigefinger auf das Problem oder auf das Besondere zeigt.

WDR.de: Was hat sich seit der Essener Konferenz konkret in Deutschland getan?

Zambonini: Wir haben innerhalb eines Jahres einiges erreicht: zum Beispiel eine Vereinbarung, in der sich alle Anstalten der ARD verpflichten, das Thema Einwanderung und Integration in allen Programmen als Bestandteil der alltäglichen Programmarbeit zu behandeln. Ziel ist unter anderem, mehr Medienschaffende mit Migrationshintergrund für alle Programmsparten zu gewinnen, denn wir haben zu wenig. Im nächsten Jahr möchte der WDR die ARD-Kollegen einladen, um zu diskutieren, wie weit der Umsetzungsprozess gegangen ist, an welche Grenzen wir stoßen und wo ungeahnte Potenziale stecken.

WDR.de: Sind Sie schon zufrieden?

Zambonini: Wir haben einen guten Rahmen geschaffen. Jetzt geht es darum, in der täglichen Praxis kontinuierlich diese Punkte umzusetzen, zu modifizieren, zu reflektieren. Und da stehen wir noch am Anfang, nicht nur in Deutschland, auch europaweit. Das Thema ist mit wenigen Ausnahmen erst jetzt in seiner Brisanz erkannt worden.

WDR.de: Bei der vergangenen Konferenz standen die Länder der EU-Erweiterung und die Türkei im Mittelpunkt. Diesmal in Paris sind es Afrika und der arabische Raum. Worum wird es genau gehen?

Zambonini: Es sollte ursprünglich einen Nord-Süd-Schwerpunkt geben. Zum einen weil in Frankreich viele Menschen leben, die aus dem nördlichen Afrika, wie Algerien und Marokko, stammen. Zum anderen weil unter den Preisträgern des erstmalig ausgeschriebenen Wettbewerbs "Boundless" Journalisten aus Nordafrika sind, die in den Ländern hospitieren werden. Aber wir wollen in Paris auch über die Bedeutung der "UNESCO-Konvention für kulturelle Vielfalt" für die Medien diskutieren und wie die Empfehlungen von Essen umgesetzt worden sind. Anhand eines "Best-Practices"- Katalog werden wir uns fragen, wie wir Medien mit dem Thema kulturelle Vielfalt umgehen, sowohl in den fiktionalen als auch in den Informationsformaten.

WDR.de: Können Sie vorab ein "gutes Beispiel" nennen, das vorgestellt wird?

Zambonini: Wir werden vom WDR einen Beitrag von dem Magazin "Monitor" zur Diskussion bringen. Darin geht es um ein Schwimmbad in Bayern, in das an einem bestimmten Tag nur muslimische Frauen gehen - was für Aufregung gesorgt hat bei einigen Nachbarn, weil sie mit dieser Trennung nicht einverstanden sind. Berichtet wird nicht über einen religiösen, sondern einen Kulturkonflikt und über Lösungsversuche, die sich herauskristallisieren. Aber in Paris sollen auch Beispiele aus vielen anderen Ländern diskutiert werden.

WDR.de: Aus anderen europäischen Ländern sind wieder Journalisten und Politiker vor Ort, die voneinander lernen möchten. Was wünschen Sie sich? Was sollen die Deutschen mit nach Hause nehmen?

Zambonini: Ich finde es immer interessant zu sehen, wie die anderen Rundfunkstationen mit dem Thema Migration umgehen. Wir haben in Europa vergleichbare Situationen, aber unterschiedliche Kulturen und Zugänge zu dem Thema. Für die Franzosen etwa gibt es keine Migranten, nur Franzosen mit anderer Herkunft. Diese haben zwar ein soziales und ein Bildungsproblem, aber kein "Integrationsproblem", wie wir es in Deutschland nennen. Auch die Niederländer sehen die Zugezogenen schon als Teil ihrer Bevölkerung. Das gleiche gilt für die Briten. Lettland oder Ungarn wiederum haben vor allem Probleme mit ihren Sprach-Minderheiten. Das Thema ist also weit gefächert in Europa. Bei dieser Konferenz kann man aus den Unterschieden lernen, und der Austausch ist wichtig, aber entscheidend ist die nationale Umsetzung.

Das Interview führte Marion Menne.