Fritz Pleitgen

WDR, ZDF und France Télévisions veranstalten Medienkonferenz

Integration auf allen Kanälen

Stand: 24.03.2006, 10:52 Uhr

Mohammed-Karikaturen in einer dänischen Zeitung lösen gewalttätige Proteste aus. Jugendliche aus Einwandererfamilien randalieren über Wochen in Pariser Vorstädten. Das multikulturelle Europa sieht sich vor großen Herausforderungen - welche Rolle spielen die Medien?

Allein in Nordrhein-Westfalen leben vier Millionen Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte. "Das muss sich widerspiegeln, sei es in der öffentlichen Verwaltung, in der Polizei oder in den Medien", sagte NRW-Integrationsminister Armin Laschet (CDU) am Donnerstag (23.03.2006) in Köln. Was die Medien betrifft, so haben der Westdeutsche Rundfunk (WDR), das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) und France Télévisions diese Herausforderung aufgegriffen und eine Konferenz unter dem Dach der Europäischen Rundfunkunion (EBU) initiiert, die sich im November in Essen mit der Frage beschäftigen wird, welche Rolle die Medien im multikulturellen Europa spielen. Zur Vorbereitung dieser Konferenz trafen sich am Donnerstag rund 80 Medienvertreter und Experten aus 15 Ländern. Gastgeber und WDR-Intendant Fritz Pleitgen betonte dabei, dass sich die Integration zum Schlüssel für ein friedliches und freiheitliches Zusammenleben in Europa erweisen werde.

Mehr Moderatoren mit Migrationshintergrund

"Gesucht wird ein ragfähiges Konzept zum Zusammenleben", sagte Pleitgen. Bei der Integration der Menschen mit Migrationshintergrund seien die Medien Beobachter, Berichterstatter und Akteure zugleich. Ziel der Konferenz sei es daher, selbstkritisch über die eigene Rolle nachzudenken: Klären Berichte in Radio, Fernsehen und Internet auf oder verwirren sie die Menschen? Lassen sie die Betroffenen zu Wort kommen oder reden sie mehr über anstatt mit den Menschen? Spiegeln Moderatoren und Schauspieler die Vielschichtigkeit der Bevölkerung wider? Auf all diese Fragen wollen die Teilnehmer auf der Konferenz im November pragmatische Antworten finden, die sich direkt auf das Programm der Medien auswirken. Dabei soll weder das Leben der Menschen mit Migrationshintergrund in Nischenprogramme abgeschoben werden, wie Pleitgen betonte. Noch soll das Thema auf einzelne Genres beschränkt bleiben. Dagmar Skopalik vom ZDF sprach daher auch von einer Querschnittsaufgabe. Das Thema gehöre in alle Formate - ob Nachrichtensendung oder fiktionaler Spielfilm.

Studie über Sehgewohnheiten junger Türken

Eine besondere Herausforderung, der sich die nationalen Sender in Europa gegenüberstehen, ist die Möglichkeit der Migranten, auch in ihrer neuen Heimat die Sender aus ihrer alten Heimat zu empfangen. Dies berge die Gefahr der Desintegration, sagte Pleitgen. Allerdings: Über die tatsächlichen Sehgewohnheiten der Menschen mit Zuwanderungsgeschichte liegen nur wenige wissenschaftliche Erkenntnisse vor. Aus diesem Grund plant der WDR eine Studie über die Wirkung deutscher und türkischer Medien auf die Einstellung junger Türkinnen und Türken in NRW. Der Integrationsbeauftragte des Westdeutschen Rundfunks, Gualtiero Zambonini, sagte, man wolle analysieren, wie sich die Migranten ihre Meinung bildeten. Zum Beispiel beim Karikaturenstreit: "Die jungen Leute sehen die Berichterstattung des türkischen Senders TRT und daneben beispielsweise die von Sat1. Zu welcher Einstellung führt das Zusammenwirken der verschiedenen Sender? Welchen Einfluss hat das auf Werte und Demokratieverständnis?"

Folgekonferenz 2007 in Paris

Eine weitere Studie, deren Ergebnisse auf der Konferenz in Essen thematisiert werden sollen, untersucht die Bedeutung der dualen Berufsausbildung in Deutschland. Inwieweit, so die Frage, kann die gemeinsame Arbeit von Staat und Wirtschaft bei der Ausbildung junger Menschen dazu beigetragen, dass Spannungen im Zusammenleben verhindert werden? In Auftrag gegeben hat diese Studie die RAG Aktiengesellschaft, die gleichzeitig Hauptsponsor der Konferenz im November ist.

"Wir glauben, dass wir das Thema Migration nachhaltig behandeln müssen", sagte Pleitgen. Man stehe erst am Anfang eines langen Weges. Der Konferenz in Essen wird daher eine weitere im Jahr 2007 in Paris folgen. In Essen wird die EU-Erweiterung im Mittelpunkt stehen und damit die östeuropäischen Länder, insbesondere aber auch die Türkei. Die Konferenz in Paris wird sich dagegen dem Verhältnis zwischen Europa und (Nord-)Afrika sowie der arabisch-islamischen Welt widmen.