Muslima muss zum Schwimmunterricht

Gericht sieht Religionsfreiheit nicht gefährdet

Muslima muss zum Schwimmunterricht

Stand: 07.05.2008, 21:49 Uhr

Ein strenggläubiges muslimisches Mädchen muss künftig am Schwimmunterricht ihrer Remscheider Realschule teilnehmen. Dies hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf in einem "Pilotverfahren" entschieden. Wegen "grundsätzlicher Bedeutung" ist eine Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht zugelassen.

Von Johannes Nitschmann

Am Ende der mündlichen Verhandlung erteilte Richter Uwe Sievers der zwölfjährigen Hümyera A. das Wort. "Ich war schockiert, als ich zum Schwimmunterricht sollte", sagte das kopftuchtragende Mädchen schüchtern. Dann versagte der Zwölfjährigen ihre leise Stimme - vor lauter Lampenfieber im Gerichtssaal. Zuvor war im Saal 240 des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts lautstark darüber gestritten worden, ob Hümyera A. am Schwimmunterricht der Remscheider Alexander-Humboldt-Realschule teilnehmen muss.

"Ein Pilotverfahren"

Das ist "ein Pilotverfahren", erklärte Gerichtssprecher Gerd-Ulrich Kapteina. An nordrhein-westfälischen Schulen gibt es derzeit zahlreiche muslimische Schüler, insbesondere Mädchen, die aus religiösen Gründen auf eine Befreiung vom koedukativen Sport- und Schwimmunterricht pochen. Im Falle vom Hümeyra A. hatten die Schulleitung und die zuständige Bezirksregierung eine Befreiung vom Schwimmunterricht abgelehnt. Die Eltern der Muslima zogen vor das Düsseldorfer Verwaltungsgericht - und mussten dort am Mittwoch (07.05.2008) eine juristische Niederlage hinnehmen. Zwar erkannte das Gericht an, dass die religiösen Gewissengründe der Zwölfjährigen durchaus plausibel seien. Allerdings sei es der Schule aus organisatorischen Gründen nicht zuzumuten, einen eigenen Schwimmunterricht für Mädchen mit einer weiblichen Lehrkraft anzubieten, urteilten die Richter.

Heftige Wortgefechte vor Gericht

Das Gericht hält es für "zumutbar", dass die Muslima künftig mit einer speziellen, ihren Körper weitgehend umhüllenden Sportbekleidung am Schwimmunterricht teilnimmt. "Die meiste Zeit ist der Körper beim Schwimmunterricht ohnehin im Wasser", sagte Richter Sievers. Beim theoretischen Schwimmunterricht könne das Mädchen einen langen Bademantel tragen. Hümyera und ihre Eltern wird dies kaum zufrieden stellen. Der Rechtsstreit wird demnächst wohl beim Oberverwaltungsgericht in Münster landen. Das Düsseldorfer Verwaltungsgericht hat eine Berufung zugelassen.

"Leitbild ist das Grundgesetz und nicht der Koran"

Der Vertreter der Bezirksregierung warf den Eltern von Hümyera vor, für ihre Tochter "eine Maximalforderung" durchsetzen zu wollen. Einen scharfen Ton schlug der Schuldezernent der Stadt Remscheid, Christian Henkelmann (CDU), in der Gerichtsverhandlung an. "Ich will keine anatolischen Verhältnisse an unseren Schulen", sagte Henkelmann. Daraufhin warfen ihm die gegnerischen Anwälte "Kulturimperialismus" vor. Schulleiterin Sabine Ernst erklärte, bei der Entscheidung der Schulleitung, die Zwölfjährige zur Teilnahme am Schwimmunterricht zu verpflichten, gehe es vor allem auch "um die Persönlichkeitsentwicklung, die Gesundheit und die Integration des Mädchens", erklärte Henkelmann. "Nur so kann Hümeyra zu einer autonomen und selbstbestimmten Persönlichkeit reifen." Das Leitbild an deutschen Schulen sei das Grundgesetz und nicht der Koran, erklärte der Remscheider Schuldezernent. (AZ 18 K 301/08)