Grace alias "NumberOne" aus dem Kongo und Alexej alias "Fiftylex" aus Russland

Wie zwei Freunde in die Endauswahl von "ROOTS" kamen

"Fiftylex" und "NumberOne"

Stand: 22.11.2006, 06:00 Uhr

Alexej alias "Fiftylex" aus Russland rapt, Grace alias "NumberOne" aus dem Kongo zeichnet lieber. Die beiden Freunde sind noch nicht lange in Deutschland, haben aber genaue Vorstellungen von ihrer weiteren Zukunft hier.

Von Diana Zulfoghari

'Fiftylex' ist immer so chic angezogen. Selbst in der Schule trägt er den weißen Blazer. 'NumberOne' bevorzugt den lässigen Stil mit überweiten Jeans und viel Schmuck - vor allem die Kette mit der glitzernden Eins darf nicht fehlen. Eigentlich heißt NumberOne Grace. Im Kongo ist das auch ein Jungenname. Und in "Fiftylex" steckt doch schon das "lex" von Alexej. Sein Nachname ist Badulin - mit der Betonung auf dem 'u'. "Du sagst es aber richtig," lobt Alexej seinen besten Freund. "Klar!" gibt Grace zurück, "ich kann ja auch Russisch!"

Russen-Rap und Dostojewski

Zum Beweis stößt NumberOne einen Schwall russischer Schimpfwörter hervor. "Das übersetze ich nicht!" meint Alexej kategorisch. So schlimm reden bloß die Russen in Deutschland. Er dagegen hat in Russland selber Rap-Texte geschrieben, war auch auf der Musikschule - seine Mutter ist schließlich Klavierlehrerin. Seit einem Jahr lebt Alexej in Deutschland, weil seine Mutter einen Deutschen geheiratet hat. Der 16-Jährige ist ehrgeizig, spricht inzwischen fast akzentfrei Deutsch. Lange Texte, wie den für das "Roots"-Projekt, schreibt er erst in seiner Muttersprache vor und übersetzt sie dann. Das liest sich ein wenig wie Dostojewski. Fiftylex, der Russen-Rapper, lacht. Das ist kein Zufall, schließlich hat er Dostojewski gelesen. Freiwillig! "Der Idiot" ist sein Lieblingsbuch. Die Großmutter hat es ihm zum Abschied geschenkt.

Kongo: so weit und doch so nah

Grace zeichnet lieber. Gesungen und getanzt hat er früher im Gottesdienst. Grace ist Katholik. Im Kongo war er Messdiener, aber da ist die Messe auch ganz anders - eben mit viel Musik und Tanz. Eine afrikanische Gemeinde gibt es leider nicht in Iserlohn. Natürlich war das Spaß, dass er Russisch kann - in Wirklichkeit spricht NumberOne Französisch und Lingala. Sein Vater lebt schon lange in Deutschland, Grace und hat er vor gut zwei Jahren nachgeholt. Grace kennt die politische Lage in Kinshasa, er verfolgt die Nachrichten. Kongo - das sind acht Stunden Flug, eine andere Welt und doch die gleiche Uhrzeit. Zum Beweis holt er sein Handy hervor und zeigt: Da ist die Weltkarte, ja, es ist der gleiche Längengrad.

Zufall und Planung

Grace und Alexej sind 16 Jahre alt und besuchen die Klasse 10 b, sie werden also einen qualifizierten Abschluss machen. Dass beide in die Endauswahl vom Funkhaus Europa-Projekt ROOTS gekommen sind, war Zufall. Die weitere Zukunft ist dagegen geplant: Beide wollen im nächsten Jahr in die Gesamtschule wechseln und Abitur machen. Für die nächsten drei Jahre werden die Freunde sich also nicht trennen müssen.

Von Eritrea nach Stolberg, von Armenien nach Lünen oder von Kasachstan nach Gronau: WDR Funkhaus Europa bringt gemeinsam mit Hauptschülern die Geschichte ihrer Herkunft ins Radio. Angeregt durch den Wettbewerb ROOTS (aus dem Englischen: Wurzeln) haben sich die Jugedlichen intensiv mit ihrer eigenen Familiengeschichte auseinander gesetzt und sie aufgeschrieben. Aus über 100 Einsendungen wählte eine Fachjury beim WDR Anfang Oktober elf herausragende Geschichten aus, die als Radio-Reportagen produziert werden.