Der Fall einer ausgewiesenen Familie

Wende in einer Tragödie?

Stand: 08.02.2007, 00:00 Uhr

Nachdem ihr Mann wegen Missbrauchs zu einer Haftstrafe verurteilt worden war, wurde die Mutter mit den Kindern aus dem sauerländischen Marsberg nach Serbien abgeschoben. Nun zeichnet sich eine Wende in dem Abschiebungsdrama ab.

Von Johannes Nitschmann

Nach einer Sitzung mit Vertretern des NRW-Innenministeriums und der Ausländerbehörde des Hochsauerlandkreises will der Petitionsausschuss des Düsseldorfer Landtages jetzt die ausgewiesene Familie auffordern, umgehend Visa-Anträge bei der deutschen Botschaft in Belgrad zu stellen. Zuvor müssen von ihr allerdings noch die Abschiebungskosten in Höhe von 10.000 Euro beglichen werden. Ein Unterstützerkreis aus Kommunalpolitikern und Kirchenleuten im sauerländischen Marsberg will den Geldbetrag sicherstellen, um diese gesetzliche Hürde für eine erfolgreiche Visa-Beantragung zu nehmen.

Die achtköpfige Familie war 1993 nach Marsberg geflüchtet. Am 30. Januar 2006 war der 49-jährige Vater der Flüchtlingsfamilie vom Landgericht Arnsberg zu einer neunjährigen Freiheitsstrafe "wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen" verurteilt worden, weil er sich immer wieder an seinen Kindern vergangen hatte. Die Staatsanwaltschaft hatte den Familienvater angeklagt, seit dem Jahre 1994 in 323 Einzelfällen seine sechs Kinder misshandelt und vergewaltigt zu haben. Einer der Kronzeugen war sein 26-jähriger Sohn Valon, dem sein angeklagter Vater noch im Gerichtssaal mit Blutrache drohte.

"Absolut tragischer Fall"

Während der Sohn danach untertauchte, war die sechsköpfige Restfamilie am 3. Mai vergangenen Jahres von der Ausländerbehörde des Sauerlandkreises abgeschoben worden. Zuvor waren etwa 30 Asylanträge der als "schwer traumatisiert" geltenden Familie vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) abgewiesen worden. Die Härtefallekommission war offenbar verspätet angerufen worden.

Der Landrat des Hochsauerlandkreises Winfried Stork (CDU) erklärte, er habe bei der vom BAMF verfügten Abschiebung trotz des "absolut tragischen Falles" keinen Handlungsspielraum gehabt. Sobald die nach Serbien abgeschobene Familie neue Visa-Anträge stellt, muss der Hochsauerlandkreis als zuständige Ausländerbehörde an die deutsche Botschaft in Belgrad eine Beurteilung abgeben, ob "dringende humanitäre Gründe" für eine Einreise in die Bundesrepublik vorliegen. "Dann muss der Fall ganz neu aufgerollt werden", erklärte der Sprecher des Hochsauerlandkreises, Martin Reuter, am Donnerstag gegenüber WDR.de. Der Unterstützerkreis ist zuversichtlich, dass der Familie von der Ausländerbehörde keine Steine in den Weg gelegt werden. Es zeichne sich "eine positive Wende" ab, sagte der Sprecher des Unterstützerkreises, Meinolf Stuhldreier.

"Therapie nur in Deutschland erfolgreich"

Nach ihrer Abschiebung waren die sechs Familienangehörigen zunächst bei den Eltern der Mutter untergekommen. Doch Ende August wurden sie zwangsweise umgesiedelt - zu der Familie ihres in Deutschland im Gefängnis sitzenden Vaters. "Für die schwer kranke Mutter und ihre auf das schwerste traumatisierten Kinder sind die Lebensverhältnisse bei der Familie des Vaters völlig unerträglich", alarmierte der Unterstützerkreis den Petitionsausschuss des Landtags. Dort haben sich die Abgeordneten von CDU, SPD, FDP und Grünen fraktionsübergreifend für eine Rückführung der Flüchtlingsfamilie eingesetzt.

An diesem einhelligen Votum hat auch eine Stellungnahme der deutschen Botschaft in Belgrad über die derzeitigen Verhältnisse der Familie in Südserbien nichts geändert. Die Botschaft kommt zu der Einschätzung, dass die Kinder gesund seien und "einen völlig normalen Eindruck" machten. Die Atmosphäre zwischen den sechs ausgewiesenen Familienmitgliedern und dem Familienclan ihres verurteilten Vaters werde als "sehr gut" bewertet. Diese Angaben sind nach Einschätzung des Unterstützerkreises "mit äußerster Vorsicht" zu betrachten. Die Botschafts-Mitarbeiter hätten bei ihrer Vor-Ort-Prüfung lediglich die Mutter und ihre jüngste Tochter zu Gesicht bekommen. Der Bericht der Botschaft werfe "manche Fragen" auf, räumte der Sprecher des Hochsauerlandkreises ein.

Der Petitionsausschuss hält auch nach dem jüngsten Botschaftsbericht an seinem Beschluss fest, "dass die Therapie der Familie, deren Notwendigkeit mittlerweile niemand mehr bestreitet, nur in der deutschen Heimat der Kinder zum Erfolg führen kann". Die stellvertretende Vorsitzende des Petitionsausschusses, Sigrid Beer (Grüne), erklärte gegenüber WDR.de: "Wir beschreiten unseren Weg konsequent weiter und unternehmen alles, um die Familie nach Deutschland zurück zu führen."