Blick auf die Stadt Marsberg im Sauerland

Serbische Familie darf zurückkehren

Happyend im Flüchtlingsdrama

Stand: 05.11.2007, 15:29 Uhr

In dem Drama um die nach Serbien abgeschobene Flüchtlingsfamilie R. bahnt sich ein Happyend an: Die von ihrem Vater jahrelang terrorisierte Familie darf aus humanitären Gründen ins sauerländische Marsberg zurückkehren.

Von Johannes Nitschmann

Die Vize-Vorsitzende des Petitionsausschusses im Düsseldorfer Landtag, Sigrid Beer (Grüne), bricht am Mittwoch (07.11.2007) zu ihrer bislang wohl erfolgreichsten Dienstreise auf. In der deutschen Botschaft in Belgrad will die Landtagsabgeordnete die sechsköpfige Flüchtlingsfamilie R. in Empfang nehmen, um sie zurück ins sauerländische Marsberg zu begleiten. Überraschend hatte der Hochsauerlandkreis vergangene Woche entschieden, dass die sechsköpfige Familie "ohne Auflagen oder Bedingungen" wieder einreisen darf - aus "humanitären Gründen".

Vater wegen Missbrauchs verurteilt

Die Vorgeschichte: Der 49-jährige Vater hatte seine Familie, die 1993 aus dem Kosovo in das sauerländische Städtchen Marsberg geflüchtet war, jahrelang schwer misshandelt. Jahi R. wurde deshalb am 30. Januar 2006 vom Landgericht Arnsberg zu einer neunjährigen Freiheitsstrafe verurteilt - wegen "sexuellen Missbrauchs an Schutzbefohlenen" in 22 nachgewiesenen Fällen. Die Staatsanwaltschaft hatte den Familienvater angeklagt, seine sechs Kinder seit 1994 in über 323 Einzelfällen sexuell misshandelt und vergewaltigt zu haben. Zwar bestritt Jahi R. die Vorwürfe. Doch die Indizien waren erdrückend. Der Vater hatte seine Gewalttaten auf Videos und Fotos festgehalten, die von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt werden konnten.

"Schwer traumatisiert"

Kronzeuge der Anklage war der 26-jährige Sohn Valon, dem sein angeklagter Vater noch im Gerichtssaal mit Blutrache gedroht hatte. Alle übrigen Familienmitglieder sind nach den Erkenntnissen des Landtags-Petitionsausschusses durch die Gewalttaten ihres Familienoberhaupts "schwer traumatisiert". Dennoch waren die Mutter und fünf Kinder am 3. Mai vergangenen Jahres von der als restriktiv geltenden Ausländerbehörde des Hochsauerlandkreises in einer Nacht- und Nebelaktion abgeschoben worden. Morgens um vier Uhr wurden die 49-jährige Mutter und fünf ihrer sechs Kinder im Alter zwischen sechs und 18 Jahren aus ihrer Marsberger Wohnung geholt, zum Flughafen gebracht und nach Belgrad ausgeflogen. Der 26-jährige Valon R. war zuvor untergetaucht, nachdem das Verwaltungsgericht Arnsberg den Asylantrag der Familie abgelehnt hatte.

Nach ihrer Abschiebung in die südserbische Heimat kam die Familie zunächst bei den Eltern der Mutter unter. Doch Ende August vergangenen Jahres wurde die Familie zwangsweise umgesiedelt - nach Preshevo zu der Familie ihres in Deutschland inhaftierten Vaters. "Für die schwer kranke Mutter und ihre auf das schwerste traumatisierten fünf Kinder sind die Lebensverhältnisse bei der Familie des Vaters völlig unerträglich", stellte der Petitionsausschuss des Landtages mit den Stimmen aller Fraktionen fest.

"Ein Geschenk des Himmels"

Trotz aller Proteste und Eingaben blieben die Behörden des Hochsauerlandkreises über Monate hartnäckig bei ihrer Abschiebe-Entscheidung. Erst ein Bericht der Sozialbehörde im serbischen Preshevo an die deutsche Botschaft brachte Ende Oktober die Wende. Nachdem die serbischen Beamten die Unterbringung der Familie R. vor Ort in Augenschein genommen hatten, kamen sie zu dem Ergebnis, dass dort eine erfolgversprechende medizinische Therapie der psychisch erkrankten Mutter und ihrer fünf traumatisierten Kinder nicht zu gewährleisten sei. Danach rückte der Hochsauerlandkreis von seiner Abschiebe-Entscheidung ab. Anderthalb Jahre nach ihrer Ausweisung wird die Familie an diesem Donnerstag (08.11.2007) ins sauerländische Marsberg zurück kehren.

Der kirchliche Unterstützerkreis hat längst Wohnräume vorbereitet und die Kosten für die Rückflüge bei den Behörden hinterlegt. "Das ist für mich ein Geschenk des Himmels", sagt der stellvertretende Superintendent des Kirchenkreises Arnsberg, Alfred Hammer. "Es ist etwas Ungewöhnliches und Einmaliges, dass eine abgeschobene Familie wieder einreisen darf." Der Pfarrer glaubt "an eine Gebetserhörung". Für die grüne Abgeordnete Beer, die sich seit 2005 für Familie R. engagiert, hat "die einhellige Bewertung dieser besonderen Notlage der Familie" durch alle Landtagsfraktionen maßgeblich zur Wiedereinreise beigetragen. Schließlich hätten sich "alle politischen Ebenen" dieser Bewertung angeschlossen. Ein Tor zur Wiedereinreise anderer aus NRW abgeschobener Flüchtlingsfamilien sieht Beer dadurch indes nicht geöffnet. "Das ist eine Einzelfallentscheidung, die aufgrund der besonderen Situation und Vorgeschichte nicht auf andere Fälle übertragen werden kann."