Migrantenkinder spielend am Tisch

"Abla" hilft bei der Integration

Mittlerin zwischen den Kulturen

Stand: 12.02.2006, 18:53 Uhr

Nur wer richtig deutsch kann, hat in Schule und Beruf eine echte Chance. Schon die Kleinsten sollten mit der deutschen Sprache vertraut gemacht werden. In Aachener Kindergärten hilft dabei neuerdings die "Abla".

Von Angelika Gundermann

"Abla" bedeutet im Türkischen "älteste Schwester" - eine Person, die Hilfestellung leistet und Vertrauen genießt. Das will auch Hülya Kleutgens sein. Die in Deutschland geborene Türkin soll türkische Eltern animieren, ihre Kinder in den Kindergarten zu schicken. Auch bei Verständigungsproblemen zwischen Elternhaus und Kita vermittelt sie. Manchmal kann sie sogar den Eltern helfen, wie etwa Safiye Kücüktas: "Mit 30 Jahren bin ich nach Deutschland gekommen. Jetzt will ich Deutsch lernen. Ich muss meinem Kind helfen, wenn es in die Schule geht," erklärt sie in gebrochenem Deutsch. Als sie ihren Sohn für den Kindergarten im Aachener Ostviertel anmelden wollte, traf sie Hülya Kleutgens. Die half ihr nicht nur bei den Formalitäten für die Kita-Anmeldung, sondern fand auch einen Deutschkurs für die Mutter. Hülya Kleutgens arbeitet seit November 2005 als "Abla" in Aachen.

So früh wie möglich Sprache lernen

Die Idee für das in NRW einmalige "Abla"-Projekt entwickelte der türkische Honorarkonsul Hans-Josef Thouet gemeinsam mit dem Aachener Oberbürgermeister Jürgen Linden und dem deutsch-türkischen Verein Eurotürk. "Wir waren uns einig, dass die türkischen Kinder so früh wie möglich mit der deutschen Sprache vertraut gemacht werden müssen, wenn sie einen guten Start ins Berufsleben schaffen sollen", erläutert Thouet. In den türkischen Familien sei die Bedeutung des Kindergartens oft nicht klar, oft gäbe es aber auch Verständigungsprobleme zwischen den Eltern und den Erzieherinnen. "Manche Eltern haben auch Angst", ergänzt Thouet, "dass den Kindern ihre ursprüngliche Kultur genommen wird, wenn sie im deutschen Kindergarten sind."

Hülya Kleutgens trat in Kontakt mit ausgewählten Kitas und half bei der Auswahl weiterer Frauen, die seit Anfang Februar in den jeweiligen Einrichtungen arbeiten. Die Stadt Aachen hat für drei Jahre das Geld für die "Oberabla" Kleutgens bereitgestellt, die anderen "Ablas" stellt der Verein Eurotürk als 1-Euro-Kräfte ein. Fünf Kindergärten in Aachen werden zur Zeit von den "Ablas" betreut.

Modell für die ganze Stadt

Hülya Kleutgens erläutert Eltern, was es bedeutet, wenn die Erzieherinnen ein Kind zum Logopäden schicken wollen oder sorgt für Übersetzer, "damit nicht der Fünfjährige beim Frauenarzt für die Mutter dolmetschen muss". Beate Berger und Stefanie Dautzenberger-Schmitz, Leiterinnen der katholischen Kitas St. Josef und St. Fronleichnam, die jeweils mit einer "Abla" zusammenarbeiten, haben schon wahrgenommen, dass die türkischen Eltern vertrauensvoller auf die Erzieherinnen zugehen, seitdem die "Abla" im Haus ist.

Kinder aus 17 Nationen besuchen die Kita St. Fronleichnam, über die Hälfte haben einen türkischen Hintergrund. Rund 70 Prozent kommen ohne Deutschkenntnisse. "Wenn die Kinder die Muttersprache gut beherrschen, sprechen sie nach einem halben Jahr auch deutsch - kann ein Kind aber auf türkisch zum Beispiel nicht jedes Körperteil benennen, wird es schwer", erklären die Erzieherinnen. Die "Abla" spricht mit den Kindern, um ihre Sprachkenntnisse zu testen. Den Erzieherinnen bringt sie muslimische Feste oder türkische Kinderspiele näher.

"Ein halbes Jahr lang sammeln wir an fünf Einrichtungen Erfahrungen, dann soll möglichst jeder Kindergarten in Aachen mit hohem Ausländeranteil eine "Abla" bekommen," erklärt Brigitte Drews vom Aachener Jugendamt. "Wir wollen beobachten, ob der Schulstart dann anders läuft und können uns das Projekt auch für andere fremdsprachige Bevölkerungsgruppen vorstellen."

Im Düsseldorfer Ministerium für Integration und Kinder findet das "Abla-Projekt" Interesse und aus Köln gab es bereits Anfragen an Eurotürk, das Projekt dort vorzustellen. So begleiten die "ältesten Schwestern" demnächst vielleicht den Alltag in vielen Kitas in NRW.